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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.07.1998
Aktenzeichen: VI B 188/96
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 366 Abs. 2
BGB § 1613 Abs. 1
EStG § 32 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Streitig ist in dem Verfahren, für das Prozeßkostenhilfe (PKH) begehrt wird, ob dem Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Kläger) bei der Einkommensteuerveranlagung 1992 und 1993 Kinderfreibeträge für seine drei Kinder deshalb nicht zustehen, weil sie auf seinen geschiedenen Ehegatten zu übertragen waren.

Der Kläger wurde im April 1991 von seiner Ehefrau geschieden. Die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder A, B und C (geboren 1982, 1984 und 1986) lebten seit der Trennung der Ehegatten im Jahre 1988 bei der Mutter. Im Scheidungsverfahren, in dem der Kläger Zugewinnausgleich in Höhe von 5 612 DM gefordert hatte, schlossen die Ehegatten im März 1991 vor dem Familiengericht einen Vergleich, wonach die Mutter Unterhaltsansprüche erst ab 1. März 1993 für sich und die Kinder geltend machen könne, wenn deren Voraussetzungen dann erfüllt seien, während die Ehegatten erklärten, daß bis dahin zum Ausgleich sämtlicher Zugewinnausgleichsansprüche und Ansprüche auf Zahlung von Kindes- und Ehegattenunterhalt gegeneinander keine Forderungen zuständen.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für die Streitjahre zunächst drei Kinderfreibeträge, die er in den Änderungsbescheiden vom 9. Mai 1995 jedoch wieder versagte. In dem hiergegen erhobenen Klageverfahren beantragte der Kläger PKH, die das Finanzgericht (FG) im angefochtenen Beschluß mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht gewährte.

Das FG führte aus, die Höhe der Unterhaltszahlungen des Klägers sei im Vergleich vom März 1991 geregelt worden, wobei der Kläger gegen Verrechnung mit seinen Zugewinnausgleichsansprüchen freigestellt worden sei. In Höhe der verrechneten Ansprüche sei er wirtschaftlich belastet gewesen. Bei einer derartigen Vereinbarung sei dem von der Unterhaltszahlung freigestellten Elternteil der Kinderfreibetrag zu gewähren, wenn die Beteiligten der Vereinbarung einen Wert zugrunde gelegt hätten, der dem von dem freigestellten Elternteil in den kommenden Jahren voraussichtlich geschuldeten Unterhalt entspreche.

Der Kläger, der auf den von ihm beantragten Zugewinn in Höhe von 5 611 DM verzichtet habe, sei damit seiner Barunterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern nicht "im wesentlichen" nachgekommen. Denn bei dieser Formulierung habe der gezahlte Betrag deutlich mehr als 50 v.H. seiner Verpflichtung ausmachen müssen. Das sei nicht der Fall, da der Vereinbarung eine Verrechnung des Betrages mit den Unterhaltszahlungen allein der Jahre 1992 und 1993 nicht entnommen werden könne. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger seit der Trennung von seiner Ehefrau keine Unterhaltszahlungen geleistet habe und die Ehegatten ihre Vermögensauseinandersetzung abschließend hätten regeln wollen, könne der verwandte Begriff "Unterhaltszahlungen" nur so verstanden werden, daß auch rückständiger Unterhalt gemeint gewesen sei. Der vereinbarte Betrag sei gemäß § 366 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst auf diese Rückstände zu verrechnen, da nicht auf den Zeitpunkt abzustellen sei, zu dem Unterhalt gezahlt worden sei, sondern auf den Zeitraum, für den Unterhalt geleistet werde. Im Hinblick auf § 1613 Abs. 1 BGB werde zugunsten des Klägers unterstellt, daß lediglich rückständige Unterhaltszahlungen ab 1990 hätten gefordert werden können, so daß der Betrag auf drei Jahre zu verteilen sei. Der sich danach ergebende monatliche Betrag von rd. 50 DM pro Kind sei so gering, daß die Gewährung des Kinderfreibetrags zu einer ungerechtfertigten Entlastung und offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Denn die Regelung des § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes diene der Interessenabwägung zwischen den Ehegatten, die üblicherweise beide gleichermaßen durch Unterhaltsverpflichtungen belastet seien. Dies komme insbesondere in Satz 4 der Vorschrift zum Ausdruck, der der Erkenntnis Rechnung trage, daß der Unterhalt leistende Ehegatte höher belastet werde, wenn der andere Ehegatte seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht im wesentlichen nachkomme. Der Richtliniengeber ziehe in Abschn. 181a der Einkommensteuer-Richtlinien insoweit eine Grenze bei dem Betrag von 150 DM monatlich. Angesichts der Höhe der Kinderfreibeträge in den Streitjahren dürfte dieser Betrag nicht zu beanstanden sein.

Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Gewährung von PKH weiter.

Das FG habe die Vergleichsvereinbarung zu Unrecht dahingehend ausgelegt, daß damit auch Unterhaltsansprüche vor 1992 hätten abgegolten werden sollen. Abgesehen davon hätten solche Ansprüche davor mangels Leistungsfähigkeit gar nicht bestanden. Bezeichnenderweise habe es für Zeiträume vor 1993 keinen Unterhaltsstreit gegeben, da die mangelnde Leistungsfähigkeit damals evident gewesen sei. Da der Anspruch auf Kindesunterhalt dem auf Ehegattenunterhalt vorgehe, führe die Verteilung des Zugewinnausgleichsbetrages von 5 600 DM auf zwei Jahre zu einem monatlichen Leistungsbeitrag von 233 DM, wobei zu berücksichtigen sei, daß das Kindergeld der Mutter zugeflossen sei und der Mindestbedarf der Kinder unter Außerachtlassung des anzurechnenden Kindergeldes 1991 zwischen 251 DM und 304 DM gelegen habe.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten und hat sich dabei auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses bezogen.

Die Beschwerde ist begründet.

Das FG hat die hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu Unrecht verneint. Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden hat, bestimmt sich die Frage, ob ein Kinderfreibetrag auf den anderen Elternteil zu übertragen ist ausschließlich danach, ob der unterhaltspflichtige Elternteil seiner konkreten Unterhaltspflicht nicht im wesentlichen nachkommt. Dementsprechend kommt eine Übertragung weder in Betracht, wenn überhaupt keine Leistungspflicht besteht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1997 VI R 107/96, BFHE 184, 60, BStBl II 1998, 329), noch, wenn eine tatsächliche Unterhaltspflicht erfüllt wird, aber der Beitrag gemessen am Unterhaltsbedarf des Kindes verhältnismäßig geringfügig ist (BFH-Urteil vom 25. Juli 1997 VI R 129/95, BFHE 184, 293, Deutsches Steuerrecht 1998, 330).

Danach kann im Streitfall für den Zeitraum bis zum 1. März 1993 dahinstehen, in welcher Höhe Zugewinnausgleichsansprüche und Unterhaltsansprüche bestanden und auf welche Art und Weise sie miteinander zu verrechnen waren. Denn jedenfalls standen der Mutter der Kinder keine höheren Ansprüche zu, als diejenigen, die im Wege des gerichtlichen Vergleichs von den Ehegatten als verrechnet angesehen wurden. Darauf, in welchem Verhältnis der diesbezügliche Unterhaltsbeitrag zum gesamten Unterhaltsbedarf stand, kommt es nach den oben geschilderten Grundsätzen nicht an.

Was den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1993 betrifft, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, daß ihn konkrete Unterhaltspflichten mangels Leistungsfähigkeit nicht getroffen hätten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß dem Kläger die diesbezügliche Beweisführung in tatsächlicher Hinsicht nicht gelingen könnte. Bestand aber keine Zahlungsverpflichtung, konnte der Kläger ihr auch nicht unwesentlich nachkommen.

Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen darüber trifft, ob dem Kläger PKH auch nach seinen persönlichen Verhältnissen --ggf. gegen Ratenzahlungen-- zu gewähren ist.

Ende der Entscheidung

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