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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.12.2000
Aktenzeichen: VI B 230/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) hat zwei minderjährige Kinder (B und D). B stammt aus ihrer ersten Ehe, D aus der zweiten Ehe mit H, der B adoptiert hat. Die Antragstellerin lebte bis zu ihrer Scheidung 1995 mit ihrem zweiten Ehemann H in dessen Doppelhaus und führte mit den Kindern und ihrem zweiten Ehemann einen gemeinsamen Haushalt. Nach dem Vortrag des zweiten Ehemanns im Vorverfahren bewohnte die Antragstellerin nach der Scheidung jedenfalls ab 1996 bis Anfang 1997 die untere Wohnung in dem Doppelhaus des zweiten Ehemanns, und zwar mit ihrem jetzigen (dritten) Ehemann S. Der zweite Ehemann lebte in der oberen Wohnung. Beide Kinder hätten in dieser Zeit in der oberen Wohnung ein Zimmer gehabt, die Tochter B sei von dem zweiten Ehemann versorgt worden, der Sohn D von der Antragstellerin. Im Februar 1997 zogen die Antragstellerin und ihr dritter Ehemann aus dem Doppelhaus des zweiten Ehemanns aus. Den Sohn D nahm die Antragstellerin mit, die Tochter B blieb bei ihrem zweiten Ehemann.

Der Beklagte, das Arbeitsamt -Familienkasse- (Familienkasse) hatte der Antragstellerin zunächst für beide Kinder Kindergeld gewährt und das Kindergeld antragsgemäß auf ein Bankkonto des zweiten Ehemanns überwiesen. Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für beide Kinder ab Januar 1996 auf und forderte das Kindergeld in Höhe von 5 900 DM zurück, und zwar für B von Januar 1996 bis April 1997 und für D von Januar 1996 bis Januar 1997. Dabei ging die Familienkasse davon aus, dass die Kinder ab Januar 1996 im Haushalt des zweiten Ehemanns gelebt haben. Auf den Einspruch der Antragstellerin hin änderte die Familienkasse den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid unter dem 7. Oktober 1999 dahin, dass sie nur noch das Kindergeld für die Tochter B in Höhe von 3 280 DM zurückforderte. Von dem Rückforderungsbetrag erließ die Familienkasse der Antragstellerin wegen Weiterleitung des Kindergeldes an den zweiten Ehemann die Kindergeldbeträge für Januar 1996 bis Oktober 1996, so dass nur noch ein Rückforderungsbetrag von 1 280 DM für den Zeitraum November 1996 bis April 1997 bestehen blieb. Die Familienkasse ging dabei davon aus, dass ein Erlass des Rückforderungsbetrags ab November 1996 wegen Weiterleitung nicht in Betracht komme, weil der zweite Ehemann der Antragstellerin, bei dem die Tochter B lebt, ab November 1996 antragsgemäß Kindergeld erhält.

Die Antragstellerin hat wegen der Rückforderung des Restbetrags des Kindergelds vom November 1996 bis April 1997 für die Tochter B Klage erhoben, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat. Für diese Klage hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt, die das FG mit dem angefochtenen Beschluss mangels Erfolgsaussicht abgelehnt hat. Zur Begründung führt das FG aus, die Familienkasse habe das Kindergeld zu Recht zurückgefordert, weil kindergeldberechtigt nur der zweite Ehemann und Adoptivvater des Kindes B gewesen sei, in dessen Haushalt das Kind gelebt habe. Dass das Kindergeld auf ein Konto des zweiten Ehemanns geflossen sei, habe auf die Rückzahlungsverpflichtung keinen Einfluss.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, mit der sie --wie schon mit der Einspruchsbegründung vom 15. Juli 1997 und in der Klagebegründung-- vorträgt, sie habe zusammen mit ihrem geschiedenen (zweiten) Ehemann bis zu ihrem Auszug am 1. Februar 1997 eine häusliche Gemeinschaft in dem Doppelhaus des zweiten Ehemanns gebildet. Das Kindergeld habe daher gemeinsam beiden Eltern zugestanden. Sie habe das Kindergeld deshalb auch für B zu Recht erhalten. Außerdem sei das Kindergeld auf ein Bankkonto des zweiten Ehemanns gezahlt worden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses PKH für die beim FG anhängige Klage zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das FG.

Das FG hat die Erfolgsaussicht der Klage zu Unrecht verneint. Umstritten ist im Hauptsacheverfahren nur noch, ob die Familienkasse das Kindergeld für die Tochter B für November 1996 bis April 1997 zurückfordern durfte. Das wäre nicht der Fall, wenn B, wie die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorträgt, in dem umstrittenen Zeitraum noch in ihrem Haushalt gelebt hätte (§ 64 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) oder in den gemeinsamen Haushalt der Eltern aufgenommen gewesen wäre (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Die Antragstellerin hat zwar im Vorverfahren und in der Klagebegründung --übereinstimmend mit dem zweiten Ehemann-- auch vorgetragen, die Tochter B habe in der Wohnung des zweiten Ehemanns im Obergeschoss des Doppelhauses gelebt. Es ist danach im Hauptverfahren zu klären, ob die Tochter B ausschließlich in dem Haushalt des zweiten Ehemanns gewohnt hat oder --was nicht ganz fern liegt-- auch im Haushalt ihrer Mutter, und mindestens von ihr zeitweise betreut und versorgt worden ist, sowie, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. Zweifelhaft ist ferner, ob die Familienkasse das Kindergeld von der Antragstellerin zurückfordern durfte, obwohl es unstreitig auf ein Konto des zweiten Ehemanns der Antragstellerin --dem nach Ansicht der Familienkasse allein kindergeldberechtigten Elternteil-- gezahlt wurde. Ob in derartigen Fällen ein Rückforderungsanspruch dem Grunde nach besteht, ob ihm entgegengehalten werden kann, das Kindergeld sei an den eigentlich Berechtigten weitergeleitet worden und in welchem Verfahren dieser Einwand geltend gemacht werden könnte, ist bisher nicht abschließend geklärt (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 12. April 2000 VI B 113/99, BFH/NV 2000, 1192).

Da das FG hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, hält es der Senat für sachgerecht, die Sache unter Aufhebung der Vorentscheidung an das FG zurückzuverweisen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2000, 1192, 1193, m.w.N.).



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