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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.10.2003
Aktenzeichen: VI B 231/00
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative | |
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 |
Gründe:
I. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar ist die Beschwerdeschrift erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist beim Finanzgericht (FG) eingegangen. Dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wird jedoch auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt (§ 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Antrag ist innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt worden. Mit dem Antrag hat der Kläger vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter am 11. August 2000 und damit rechtzeitig vor Fristablauf (am 14. August 2000, einem Montag) die Beschwerdeschrift fertig gestellt und in den neben dem Kanzleigebäude befindlichen Postbriefkasten eingeworfen habe, der werktäglich um 17 Uhr geleert werde. Nach Auskunft des Briefzentrums lasse sich nicht mehr feststellen, ob der Briefkasten in der fraglichen Zeit geleert oder möglicherweise übersehen worden sei, was bei Urlaubsvertretung oder Aushilfen denkbar wäre. Das Vorbringen ist durch Vorlage einer Kopie der "Ausgangs-Nachweisliste" des Prozessbevollmächtigten bestätigt worden, in der die Absendung mit dem Datum vom 11. August 2000 vermerkt ist. Zwar hat an diesem Tag nach der Liste nur dieser eine Schriftsatz die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten verlassen, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Absendung des einzigen Schriftstücks trotz der Eintragung in der Ausgangsliste letztlich doch vergessen worden ist und erst am 16. August (dem Tag des Abgangs des nächsten Schriftstücks) nachgeholt wurde. Der Absendevorgang ist indessen schlüssig und detailliert dargestellt und glaubhaft gemacht worden. Bei Zugrundelegung des vorgetragenen Geschehensablaufs war der Kläger ohne eigenes Verschulden gehindert, die Rechtsbehelfsfrist einzuhalten.
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Der Kläger rügt, das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Bindungswirkung von Verwaltungsanweisungen ab, weil das FG die Regelung in Abschn. 31 Abs. 7 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1993 unrichtig angewendet habe; denn es halte die Ermittlung des Privatanteils entsprechend dem Verhältnis der Privatfahrten zur Gesamtstrecke nur bei Vorliegen eines Fahrtenbuchs für zulässig. Es kann dahingestellt bleiben, ob sich dem finanzgerichtlichen Urteil ein --der Rechtsprechung des BFH widersprechender-- Rechtssatz des Inhalts entnehmen lässt, dass ein Steuerpflichtiger die Anwendung von allgemeinen Verwaltungsanweisungen nicht verlangen könne. Jedenfalls ist für die von dem Kläger gewählte sog. Kilometersatz-Methode nach Abschn. 31 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 der LStR 1993 stets die Vorlage eines Fahrtenbuches erforderlich, und zwar auch bei Inanspruchnahme eines Kilometersatzes von 0,52 DM (a.a.O., Nr. 2). Denn diese Vereinfachungsregelung setzt voraus, dass die Privatfahrten "nach Nr. 1", d.h. unter Verwendung eines Fahrtenbuches ermittelt wurden. Inwiefern in diesem Zusammenhang für den hypothetischen Fall, dass alle Fahrten als privat zu behandeln wären, eine Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98 (BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273) bestünde, ist nicht ersichtlich. Ein Zulassungsgrund ist insoweit nicht schlüssig dargelegt.
2. Eine Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 4. November 1999 V R 35/99 (BFH/NV 2000, 759) ist offensichtlich nicht gegeben. Diese Entscheidung betrifft die Ermittlung des in der privaten Kfz-Nutzung liegenden Eigenverbrauchs im umsatzsteuerlichen Sinne, wobei der V. Senat die mittlerweile in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelte 1 v.H.-Methode als Schätzungsmaßstab grundsätzlich ausschließt. Die von dem Kläger ausdrücklich angesprochenen Ausführungen des BFH betreffend eine Aufstellung über berufliche Fahrten behandeln speziell die Grundlagen einer Aufteilung der mit Vorsteuer belasteten Kosten auf private und unternehmerische Fahrten und können für den Streitfall nicht herangezogen werden.
3. Soweit der Kläger vorträgt, bei Anerkennung der von ihm vorgelegten monatlichen Aufzeichnungen im Sinne eines Fahrtenbuches hätte das FG den Privatanteil der Fahrten anderweitig ermitteln müssen, beanstandet er lediglich die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Ein Zulassungsgrund kann darin nicht gesehen werden. Hinsichtlich der Frage, ob Aufzeichnungen auch dann zu berücksichtigen seien, wenn sie zeitnah, aber nachträglich erstellt wurden, wird die grundsätzliche Bedeutung lediglich behauptet, aber nicht dargelegt. Im Übrigen hat das FG in seinem Urteil bereits ausgeführt, dass der Kläger auch nicht nachträglich eine Aufstellung aller im Streitjahr unternommenen Fahrten habe vorlegen können.
4. Der Kläger meint, das FG gehe im Ergebnis von der Unwiderlegbarkeit der 1 v.H.-Regelung aus. Da der BFH mit Urteil in BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273 entschieden habe, dass für eine unwiderlegbare Typisierung strengere verfassungsrechtliche Maßstäbe gelten, weiche die Vorentscheidung, die diese Bedenken nicht berücksichtige, von der Rechtsprechung des BFH ab. Eine Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO kann jedoch bereits deshalb nicht vorliegen, weil die in dem BFH-Urteil (unter II. 4. c) enthaltene Rechtsansicht nicht entscheidungserheblich ist, sondern lediglich beiläufig (in einem obiter dictum) geäußert wird (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 62). Im Übrigen ist der Ausgangspunkt des Klägers nicht zutreffend, weil das FG eine anderweitige (prozentuale) Schätzung nach Abschn. 31 Abs. 7 Satz 3 LStR 1993 nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern mangels tatsächlicher Angaben sich dazu nicht in der Lage gesehen hat.
5. Die als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, welcher Beweiswert einer Bescheinigung des Arbeitgebers über die beruflich gefahrenen Strecken bei der Schätzung des Privatanteils zukomme, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen, da die Frage für den Streitfall nicht entscheidungserheblich und die Größe der beruflich gefahrenen Gesamtstrecke auch nicht streitig ist.
6. Dass das FG den Vortrag des Klägers, er habe private Aufzeichnungen über die Fahrten des Streitjahres geführt, nicht berücksichtigt hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 96). Danach kam es aber auf die Vorlage privater Aufzeichnungen für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
Ende der Entscheidung
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