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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.05.1999
Aktenzeichen: VI B 342/98
Rechtsgebiete: EStG, FGO, ZPO, AO 1977
Vorschriften:
EStG § 70 Abs. 2 | |
FGO § 142 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 418 Abs. 2 | |
AO 1977 § 355 Abs. 1 Satz 1 | |
AO 1977 § 122 Abs. 2 |
Gründe
Mit Bescheid vom 24. Januar 1997 hob der Beklagte (Familienkasse) die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn X der Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ab Februar 1997 in Höhe von 350 DM monatlich nach § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes auf. Gegen den Aufhebungsbescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 20. Februar 1997 "Widerspruch". Das Schreiben ist nach dem Eingangsstempel des Arbeitsamts am 3. März 1997 eingegangen. Die Familienkasse bestätigte der Antragstellerin mit einem vorformulierten Schreiben mit Datum "25.02.97" den Eingang des Einspruchs; es enthält außerdem den vorformulierten Hinweis, daß der Einspruch eine erneute Überprüfung der Rechts- und Sachlage erforderlich mache. Nach dem Absendevermerk der Familienkasse ist es am 25. März 1997 abgesandt. Am 25. März 1997 fertigte die Familienkasse außerdem ein Schreiben an die "Leistungsgruppe III 2", in dem es heißt, der Einspruch sei begründet, weil das Kind X sich nur vorübergehend zu Ausbildungszwecken im Ausland aufhalte und seinen Wohnsitz im Inland deshalb behalten habe. Trotz dieses Vermerks verwarf die Familienkasse den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 16. April 1997 als unzulässig, weil die Einspruchsfrist versäumt sei. Dagegen hat die Antragstellerin rechtzeitig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. In der Begründung der Klage heißt es u.a.: "Ich schrieb, allerdings ohne die Einhaltung der Anfechtungsfrist von einem Monat, an die Familienkasse zurück". In einem späteren Schriftsatz weist die Antragstellerin sodann darauf hin, daß sie nicht mehr genau gewußt habe, wann sie den Einspruch eingelegt habe und deshalb den Ausführungen der Familienkasse im Einspruchsbescheid vom 16. April 1997 vertraut habe, wonach das Einspruchsschreiben erst am 3. März 1997 eingegangen sei. Später habe sie dann festgestellt, daß die Eingangsbestätigung der Familienkasse das Datum vom 25. Februar 1997 trage, so daß davon auszugehen sei, der Einspruch sei rechtzeitig eingegangen.
Die Antragstellerin hat außerdem beantragt, ihr für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu gewähren. Diesen Antrag wies das Finanzgericht (FG) mit dem angefochtenen Beschluß als unbegründet zurück, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Einspruch sei verspätet eingegangen.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum die Vorinstanz den Beweiswert des Zwischenbescheids vom 25. Februar 1997 durch den Absendevermerk (25. März 1997) erschüttert sehe. Dagegen spreche schon der zeitliche Ablauf. Der Einspruchsbescheid vom 16. April 1997 sei --wenn die Eingangsbestätigung tatsächlich erst am 25. März 1997 gefertigt worden sei-- schon innerhalb von drei Wochen nach der Eingangsbestätigung ergangen. Eine so kurze Bearbeitungszeit widerspreche den Erfahrungswerten hinsichtlich des Geschäftsablaufs von Behörden, insbesondere solchen der Familienkasse.
Die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und ihr rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung PKH unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts als Prozeßbevollmächtigten zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu Recht verneint (§ 142 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--).
Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, daß der Einspruch der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid vom 24. Januar 1997 verspätet bei der Familienkasse eingegangen ist. Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 122 Abs. 2 AO 1977). Im Streitfall gilt der Aufhebungsbescheid, dessen Zugang die Antragstellerin nicht bestreitet, als am 27. Januar 1997 zugegangen. Zwar enthält der Aufhebungsbescheid keinen Absendevermerk. Die Antragstellerin hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, der Aufhebungsbescheid vom 24. Januar 1997 sei nicht an diesem Tage zur Post gegeben worden (vgl. zur Bedeutung eines Absendevermerks das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Dezember 1984 I R 7/82, BFHE 143, 200, BStBl II 1985, 485). Die Einspruchsfrist lief danach am 27. Februar 1997 ab. Der Einspruch ist jedoch erst am 3. März 1997 bei der Familienkasse eingegangen, wie sich aus dem Eingangsstempel ergibt. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung erbringt der formell ordnungsgemäße Eingangsstempel einer Behörde den vollen Beweis des Eingangsdatums eines Schriftstücks. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde, zu der auch der Eingangsstempel einer Behörde gehört, erfordert den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellung genügen nicht, vielmehr muß zur Überzeugung des Gerichts jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit ausgeschlossen sein. Das Gericht muß mithin davon überzeugt sein, daß das vom Eingangsstempel bewiesene Eingangsdatum falsch und das Schreiben fristgerecht eingegangen ist (BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 83/96, BFH/NV 1999, 475, m.w.N.).
Im Streitfall hat die Antragstellerin den Gegenbeweis dafür, daß der Eingangsstempel der Familienkasse unzutreffend ist, nicht geführt. Daß die Eingangsbestätigung der Familienkasse das Datum vom 25. Februar 1997 trägt --der Einspruch wäre, wenn dieses Datum zuträfe, rechtzeitig--, begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit des Eingangsstempels. Denn das Datum der Eingangsbestätigung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzutreffend. Das ergibt sich einmal daraus, daß der Absendevermerk auf der Eingangsbestätigung das Datum "25. März 1997" ausweist. Außerdem hat die Familienkasse an diesem Tage --25. März 1997-- in einem Aktenvermerk, der offensichtlich von dem gleichen Bearbeiter stammt, der auch die Eingangsbestätigung herausgegeben hat, ausgeführt, der Einspruch sei begründet. Es liegt nahe, daß dieser Vermerk am gleichen Tag wie die Eingangsbestätigung abgefaßt wurde, also am 25. März 1997. Auch der Umstand, daß der Einspruchsbescheid schon am 16. April 1997, also drei Wochen nach der Eingangsbestätigung und dem Vermerk ergangen ist, spricht nicht dafür, daß der Einspruch entgegen dem Eingangsstempel rechtzeitig eingegangen ist. Denn zwischen dem Eingang des Einspruchsschreibens am 3. März 1997 und dem Erlaß des Einspruchsbescheids am 16. April 1997 liegen immerhin sechs Wochen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß eine Behörde einen Einspruch innerhalb dieser Frist als unzulässig verwirft, zumal es zu einer solchen Entscheidung keiner besonderen Ermittlungen und Aufklärungen bedarf.
Die Familienkasse wird nunmehr zu prüfen haben, ob der "Widerspruch" der Antragstellerin gegen den Aufhebungsbescheid zugleich einen Antrag auf Neufestsetzung des Kindergeldes enthält, über den noch zu entscheiden ist.
Ende der Entscheidung
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