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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.08.2009
Aktenzeichen: VI B 40/09
Rechtsgebiete: FGO
Vorschriften:
FGO § 64 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Heizungsinstallateurmeister. In seinen Steuererklärungen für die Jahre 2000 und 2001 erklärte der Kläger, er sei im Jahr 2000 insgesamt 28 429 km und im Jahr 2001 24 788 km betrieblich mit seinem privaten PKW gefahren. Hierfür machte er Fahrtkosten in Höhe von 14.783 DM bzw. 14.377 DM geltend. Da dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) die vom Kläger vorgelegten Nachweise nicht ausreichten, erkannte er mit Bescheid vom 26. März 2002 betreffend das Jahr 2000 bzw. mit Bescheid vom 10. März 2003 betreffend das Jahr 2001 jeweils nur die Hälfte der geltend gemachten Fahrtkosten an. Im Rahmen der hiergegen geführten Einspruchsverfahren änderte das FA die Bescheide nach vorherigem Hinweis dahingehend ab, dass nunmehr keinerlei betrieblich veranlasste Fahrten mehr als Werbungskosten anerkannt wurden. Die entsprechenden Einspruchsentscheidungen ergingen jeweils am 12. März 2004.
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seine Prozessvertreterin, per Telefax am 15. April 2004 (Eingang bei Gericht) Klage. Hierbei wurde nicht die vollständige Klageschrift übermittelt, sondern lediglich Blatt 1 der Klage und die unterschriebene Vollmacht des Klägers. Blatt 2 der Klageschrift, auf der sich auch die Unterschrift der Prozessvertreterin befindet, fehlte. Erst am 16. April 2004 ging das Original der Klageschrift inklusive der unterschriebenen Seite 2 bei Gericht ein. Auf entsprechenden Hinweis des Vorsitzenden beantragte die Prozessvertreterin mit einem auf den 15. April 2004 datierten Schreiben, das laut Eingangsstempel beim Finanzgericht (FG) am 13. Mai 2004 einging, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines Büroversehens. Mit Urteil vom 5. Februar 2009 5 K 695/04 wies das FG die Klage ab. Die Klage sei unzulässig, da sie nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Die Einspruchsentscheidungen vom 12. März 2004 seien laut unbestrittenem Vortrag des FA am selben Tag zur Post gegeben worden. Sie gälten somit als am 15. März 2004, einem Montag, bekannt gegeben. Die Klagefrist habe somit am 16. März 2004 begonnen und mit Ablauf des 15. April 2004 geendet. Die an diesem Tag per Telefax dem FG übermittelte Klageschrift sei zwar innerhalb der Frist eingegangen, jedoch fehlte das Blatt mit der Unterschrift. Eine fehlende Unterschrift führe zur Unzulässigkeit der Klage (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 64 Rz 14). Bei der durch Telefax übermittelten Klageschrift vom 15. April 2004 handelte es sich deshalb nicht um eine wirksame Klageeinreichung. Das Original der Klageschrift sei erst am 16. April 2004 und somit nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand könne nicht gewährt werden.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger einen Verfahrensmangel. Die Klage sei auch ohne die Unterschriftsseite per Fax am 15. April 2004 wirksam und damit rechtzeitig erhoben worden. Die Klageschrift sei auf Briefbogen gefertigt worden. Auch sei dem FG mit dem Fax unstreitig die vom Kläger unterschriebene Prozessvollmacht übermittelt worden. Somit sei die Urheberschaft der Klage auch ohne Unterschrift für das FG erkennbar gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Februar 2009 5 K 695/04 aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kläger habe weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch die Erforderlichkeit der Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinreichend deutlich dargelegt. Im Übrigen sei die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil des FG wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Unrecht durch Prozessurteil abgewiesen, statt durch Sachurteil zu entscheiden. Hierin liegt ein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wird. In einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 2004 VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417, m.w.N.; vom 16. April 2007 VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345; vom 23. April 2009 X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443).
2.
a)
Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen. Zwar fehlt der per Fax unstreitig fristgerecht übermittelten Klageschrift die gemäß § 64 Abs. 1 FGO erforderliche Unterschrift. Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. November 1973 GrS 2/72 (BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242) sind Verfahrensvorschriften jedoch im Zweifel so auszulegen, dass sie --wenn irgend vertretbar-- eine Entscheidung der materiellen Rechtsfrage ermöglichen. Der BFH hat daher in mehreren Urteilen entschieden, dass dem Zweck des § 64 Abs. 1 FGO auch in anderer Weise entsprochen werden kann, als durch eine eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftsatzes durch dessen Verfasser (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131). Es muss allerdings feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332; BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224).
b)
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Beifügung einer vom Kläger unterzeichneten Vollmacht, die sich auf die gleichen Steuerarten und die gleichen Veranlagungszeiträume wie die Klage bezieht, den Mangel der fehlenden Unterzeichnung der Klageschrift heilt (BFH-Urteile vom 18. Juli 1990 I R 22-23/87, BFHE 161, 379, BStBl II 1990, 1088, und in BFH/NV 1996, 332; ebenso Gräber/von Groll, a.a.O., § 64 Rz 30). Denn es ist in einem solchen Fall ohne Beweisaufnahme erkennbar, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handelt. Einem Entwurf eine unterschriebene Vollmacht beizufügen, wäre sinnlos (Urteil des FG Hamburg vom 28. Februar 1990 VI 298/87, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 434). Nichts anderes kann nach Auffassung des Senats dann gelten, wenn --wie im Streitfall-- die vom Kläger unterschriebene Vollmacht zeitnah ausgestellt und mit seiner Steuernummer versehen ist.
3.
Der Kläger hat den Verfahrensfehler des FG in hinreichendem Maße gemäß § 116 Abs. 3 FGO dargelegt. Das FG-Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensfehler (§ 119 Nr. 3 FGO).
4.
Der beschließende Senat hält es für sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, damit das FG im zweiten Rechtszug die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 26. März 2002 und des Einkommensteuerbescheids 2001 vom 10. März 2003 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2004 prüfen kann.
Ende der Entscheidung
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