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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.04.2004
Aktenzeichen: VI B 43/04
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 | |
EStG § 8 Abs. 2 Satz 4 | |
EStG § 42d | |
FGO § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 |
Gründe:
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) stellte ihren beiden Geschäftsführern in den Jahren 2000 bis 2003 firmeneigene Kraftfahrzeuge zur Verfügung. Um den Umfang der auf Privatfahrten entfallenden Nutzungsanteile zu ermitteln, führten die Geschäftsführer Fahrtenbücher mit Hilfe der Tabellenkalkulationssoftware Microsoft Excel (MS Excel). Die Geschäftsführer erfassten in den Tabellenblättern des Programms jeweils zeilenweise für jede Fahrt den Wochentag mit Datum, den Anlass der Fahrt (privat, Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb, geschäftlich) mit der jeweiligen Streckenlänge und den am Ende der Fahrt sich ergebenden Kilometerstand.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hielt die Fahrtenbücher für nicht ordnungsgemäß und berechnete deshalb den geldwerten Vorteil nach der 1 v.H.-Regelung. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 nahm das FA die Antragstellerin in Höhe von 11 953 € gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Haftung.
Gegen den Haftungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein. Ferner beantragte sie, die Vollziehung des Haftungsbescheids auszusetzen (§ 69 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab. Ebenso wie das FA vertrat es die Auffassung, die Erfassung der Fahrten durch das verwendete Software-Programm erfülle die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht. Die Erfassung der einzelnen Fahrten in einem solchen Programm biete keine hinreichende Sicherung gegen nachträgliche Veränderungen. Bei dem verwendeten Programm genüge die Änderung einer Zahl oder einer Rechenformel, damit alle fortlaufenden Zahlen neu berechnet und entsprechend angezeigt würden. Für die Führung eines elektronischen Fahrtenbuches sei zu verlangen, dass nachträgliche Änderungen technisch ausgeschlossen, zumindest aber dokumentiert werden (vgl. Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 2000 H 31 (9-10), m.w.N.).
Mit ihrer --vom FG zugelassenen-- Beschwerde bringt die Antragstellerin im Wesentlichen vor, die zeitnah geführten Fahrtaufzeichnungen seien vollständig und richtig geführt worden. Sämtliche Überprüfungen durch das FA hätten dies bestätigt. Die vom FG (und vom FA) vertretene Auffassung, die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuches sei allein deshalb zu verneinen, weil das Programm keine hinreichende Sicherheit gegen nachträgliche Veränderungen biete, stelle keine zutreffende Rechtsauslegung dar.
Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
den Beschluss des FG Düsseldorf vom 19. Februar 2004 9 V 387/04 A (H(L)) aufzuheben und die Vollziehung des Haftungsbescheids vom 1. Oktober 2003 auszusetzen.
Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat den Antrag der Antragstellerin zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Solche Zweifel bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Umständen auch gewichtige Gründe gegen die Rechtmäßigkeit zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579, und vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656, ständige Rechtsprechung). Dabei ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rz. 86, m.w.N.). Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen dafür vor, die Vollziehung des streitbefangenen Haftungsbescheids auszusetzen.
Nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG (i.d.F. ab 1996) kann der Steuerpflichtige den privaten Nutzungswert eines Kraftfahrzeugs (statt einer Pauschalzurechnung nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG) im Wege des Einzelnachweises ansetzen, wenn er das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten --was hier zwischen den Beteiligten offenbar allein streitig ist-- durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist (vgl. zur Nutzungsentnahme: § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Was unter dem Begriff des "ordnungsgemäßen Fahrtenbuches" i.S. der genannten Vorschriften zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Das Gesetz schreibt auch keine bestimmte Form der Führung vor. Höchstrichterlich ist ebenfalls noch nicht geklärt, welche Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne dieser Vorschriften zu stellen sind. Im Beschluss vom 24. Februar 2000 IV B 83/99 (BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298) hat der BFH diese Frage --in einem Verfahren der Aussetzung der Vollziehung-- ausdrücklich offen gelassen und auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren verwiesen (vgl. hierzu auch Kanzler, Finanz-Rundschau --FR-- 2000, 398; Anm. von v. Schönberg, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2000, 490, 491). Nicht hinreichend geklärt ist überdies, welche Folgerungen zu ziehen sind, wenn ein vorgelegtes Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß ist oder etwa geringfügige Mängel aufweist. Ebenso besteht Unsicherheit, ob Mängel eines Fahrtenbuchs den Einzelnachweis ausschließen und zwingend die Bewertung mit den Nutzungspauschalen zur Folge hat (BFH-Beschluss in BFHE 191, 304, BStBl II 2000, 298; vgl. auch Küttner/Thomas, Personalbuch 2003, Dienstwagen, Rz. 23, m.w.N.). Im Übrigen hat die Antragstellerin im Streitfall offenbar unbestritten in Abrede gestellt, die zeitnah geführten Aufzeichnungen mittels des in Rede stehenden Software-Programms enthielten (materielle) Fehler.
Angesichts dieser Sach- und Rechtslage muss die Frage der Ordnungsmäßigkeit des mit Hilfe des Software-Programms MS Excel erstellten Fahrtenbuchs dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Das FG wird dort zu prüfen haben, ob die Ordnungsmäßigkeit allein wegen der Möglichkeit, nachträgliche Änderungen vorzunehmen, zu verneinen ist bzw. --wie das FA meint-- deshalb eine irgendwie geartete Prüfung der materiellen Richtigkeit des Fahrtenbuchs von vornherein ausscheidet.
Ende der Entscheidung
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