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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: VI B 62/07
Rechtsgebiete: FGO, AO
Vorschriften:
FGO § 100 Abs. 1 Satz 4 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 | |
AO § 169 Abs. 2 Satz 2 |
Gründe:
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Selbst wenn die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit ihrer Rüge, das Finanzgericht (FG) habe zu Unrecht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 2. April 2003 verneint, einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht haben sollten (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Mai 2002 I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; vom 15. Dezember 2004 X B 56/04, BFH/NV 2005, 714; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 100 Rz 64; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 80), liegt dieser im Streitfall nicht vor.
a) § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO macht die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts davon abhängig, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer solchen Feststellung hat.
"Berechtigtes Interesse" i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art (BFH-Urteil vom 9. November 1994 XI R 33/93, BFH/NV 1995, 621). Dieses kann sich zum einen daraus ergeben, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit die Voraussetzung für den Eintritt einer vom Kläger erstrebten weiteren Rechtsfolge ist (BFH-Urteile vom 12. Januar 1995 IV R 83/92, BFHE 177, 4, BStBl II 1995, 488; in BFH/NV 1995, 621). Zum anderen kann es daraus abzuleiten sein, dass ein konkreter Anlass für die Annahme besteht, das Finanzamt werde die vom Kläger für rechtswidrig erachtete Maßnahme in absehbarer Zukunft wiederholen (BFH-Urteile vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, BStBl II 1980, 593; vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BFHE 192, 32, BStBl II 2000, 514; vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103). Schließlich kann es unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung (BFH-Entscheidungen in BFH/NV 2002, 1317; vom 27. Januar 2004 VII R 54/02, BFH/NV 2004, 797; vom 27. Juli 1994 II R 109/91, BFH/NV 1995, 322; Gräber/von Groll, a.a.O., § 100 Rz 61) sowie deshalb bestehen, weil die begehrte Feststellung voraussichtlich in einem beabsichtigten und nicht völlig aussichtslosen Schadensersatzprozess erheblich sein wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1317).
b) Nach diesen Grundsätzen kommt vorliegend auch nach Auffassung der Kläger eine Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vorrangig nur unter dem Gesichtspunkt einer Rehabilitierung in Betracht. Das FG hat jedoch insoweit ein anerkennenswertes ideelles Interesse (vgl. dazu ausführlich BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 797) mit ausführlichen und zutreffenden Gründen verneint.
aa) Unter dem Aspekt des schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses kann ein berechtigtes Feststellungsinteresse u.a. vorliegen, wenn der erledigte Verwaltungsakt den Vorwurf der Steuerhinterziehung beinhaltet (BFH-Entscheidungen in BFH/NV 2005, 714; in BFH/NV 2002, 1317; vom 20. September 2000 VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458; in BFH/NV 1995, 322). Davon kann jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden. Das FG hat im Einzelnen dargelegt, dass die angefochtenen Bescheide nicht den Vorwurf der Steuerhinterziehung enthielten. Dem schließt sich der Senat an. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die rechtmäßige steuerliche Erfassung der "verdeckten" Gehaltszahlungen ohnehin nicht den Vorwurf einer Steuerhinterziehung voraussetzte. Der Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung bedurfte es nicht.
bb) Für die Frage, ob sich aus den Bescheiden, die Gegenstand der Anfechtungsklage waren, der Vorwurf der Steuerhinterziehung herleiten ließ, ist der von den Klägern genannte zeitliche Zusammenhang zwischen dem Erlass der Bescheide und der Einleitung des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens nicht von Bedeutung. Dieser Umstand mag zwar verdeutlichen, dass die Steuerfahndungsstelle des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) von einem strafwürdigen Verhalten des Klägers ausging. Daraus allein kann jedoch entgegen der Auffassung der Kläger nicht geschlossen werden, dass auch den Einkommensteuerbescheiden ein solcher Vorwurf zugrunde lag.
cc) Auch ansonsten ist nicht erkennbar, dass der Kläger durch die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide diskriminiert, also persönlich herabgesetzt wurde.
2. Die Rüge der Kläger, das FG habe gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, greift nicht durch.
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. statt aller Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 8. Juli 1997 1 BvR 1621/94, BVerfGE 96, 205, 216, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2310). Er bedeutet jedoch nicht, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen detailliert befassen muss. Daher liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschlüsse vom 6. März 2006 X B 151/05, BFH/NV 2006, 1138; vom 14. Mai 2007 III B 191/05, BFH/NV 2007, 1505).
Dafür geben die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte. Das FG hat die wesentlichen Punkte des die Regressansprüche des Vereins betreffenden klägerischen Vorbringens zum wirtschaftlichen Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der geänderten Bescheide im Tatbestand wiedergegeben. Es hat auch in den Entscheidungsgründen zu den Regressansprüchen des Vereins Stellung genommen (vgl. Bl. 13 des Urteils).
b) Soweit das FG den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, hat es diesen unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufzuklären (BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 70/05, BFH/NV 2007, 732, m.w.N.). Aufklärungsmaßnahmen muss das Gericht jedoch nur dann ergreifen, wenn ein Anlass besteht, der sich aus den beigezogenen Akten, dem Beteiligtenvorbringen oder sonstigen Umständen ergeben kann (BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 9/05, BFH/NV 2005, 2227).
Das FG hat nicht gegen seine Verpflichtung zur Sachaufklärung verstoßen.
Im Streitfall bestand für das FG schon deshalb kein Anlass zu der von den Klägern angeführten Aufklärungsmaßnahme, Akteneinsicht beim Landgericht ... betreffend das Verfahren ... zu nehmen, weil es für das Gericht auf die Frage, ob der Verein auch nach Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide weiterhin Regressansprüche geltend macht, nicht entscheidend ankam. Nach Auffassung des FG macht insbesondere die Änderung der angefochtenen Bescheide bereits hinreichend deutlich, dass die streitigen Zahlungen dem Kläger nicht zuzurechnen waren. Der ausdrücklichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide bedarf es deshalb auch im Hinblick auf das genannte Verfahren vor dem Landgericht nicht mehr.
3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung wurde nicht in einer den Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Art und Weise schlüssig dargelegt.
Eine erfolgreiche Berufung auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert die substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich klärbar ist. Es ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Dazu hat sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und Äußerungen im Schrifttum auseinanderzusetzen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32).
Diesen Anforderungen einer substantiierten Darlegung genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Kläger haben zwar eine Rechtsfrage formuliert, im Übrigen aber die inhaltlichen Anforderungen an die Begründung nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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