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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: VI B 68/05
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 51
EStG a.F. § 3 Nr. 51
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Einkommensteuerbescheides, soweit darin Trinkgeldzahlungen nicht gemäß § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei belassen wurden.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war im Streitjahr 2002 bei der Spielbank X als Kassierer im Bereich des Automatenspiels beschäftigt. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag erhielt er ein Grundgehalt und war außerdem an den Trinkgeldern beteiligt, die von den Gästen hinterlassen und monatlich unter Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer im Automatenspiel ausgezahlt werden. Der Anteil des Antragstellers am Trinkgeldaufkommen belief sich im Streitjahr auf insgesamt 9 850 €.

Ursprünglich unterwarf die Spielbank die Trinkgelder ihrer Arbeitnehmer dem Lohnsteuerabzug, soweit der Freibetrag des § 3 Nr. 51 a.F. EStG überschritten wurde. Nach der ab 2002 geltenden Änderung des § 3 Nr. 51 EStG behandelte die Spielbank die Trinkgelder aufgrund einer Anrufungsauskunft des Betriebsstätten-Finanzamts zunächst als steuerfrei. Die Anrufungsauskunft wurde widerrufen, worauf das Wohnsitz-Finanzamt des Klägers (der Antragsgegner) am 16. Dezember 2004 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 erließ. Darin wurden die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um die Trinkgeldzahlung von 9 560 € erhöht. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Seinen Antrag auf AdV lehnte das Finanzamt ab.

Der daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf AdV hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das FG führte im Wesentlichen aus, ernstliche Zweifel an der Besteuerung der streitigen Zahlungen bestünden nicht. Auch unter Berücksichtigung gegenteiliger Auffassungen im Schrifttum sei das Vorliegen von Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG zu verneinen. Es handele sich gerade nicht um den klassischen Fall des zusätzlichen Entgelts, das anlässlich einer Dienstleistung --d.h. in einem Veranlassungszusammenhang zu einer konkreten Arbeitsleistung, für welche der Leistungsempfänger (Gast) ein Entgelt zu entrichten habe-- durch den Leistungsempfänger bzw. einen Dritten gegeben werde, sondern um eine zusätzliche Zahlung, die unabhängig von einer konkreten entgeltlichen Dienstleistung sei.

Mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde begehrt der Antragsteller weiterhin die AdV des geänderten Einkommensteuerbescheids 2002.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) war die Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids 2002 vom 16. Dezember 2004 in Höhe von 2 946 € auszusetzen, d.h. des Betrages, der über die Steuerfestsetzung in dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2002 hinausgeht, in dem die streitigen Trinkgeldzahlungen nicht berücksichtigt worden waren. Denn bei summarischer Prüfung bestehen entgegen der Auffassung des FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Bescheids.

Offen ist, ob die Steuerbefreiung von Trinkgeldern nach § 3 Nr. 51 EStG n.F. bei sog. Tronc-Einnahmen, wie sie im Streitfall vorliegen, zu versagen ist. In diesem Zusammenhang erscheint es fraglich, ob nach der ab 2002 geltenden Fassung der Vorschrift für die Auslegung des Trinkgeldbegriffs noch von einer persönlichen Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem leistenden Dritten auszugehen ist, wie es der Senat in seinem Urteil vom 19. Juli 1963 VI 73/62 U (BFHE 77, 433, BStBl III 1963, 479) gefordert hat. Ebenso erscheint es bei summarischer Prüfung fraglich, ob der nach dem Arbeitsvertrag und dem Tarifvertrag dem Arbeitnehmer zustehende Anspruch auf einen Anteil des Trinkgeldaufkommens im Automatenbereich der Spielbank mit dem in § 3 Nr. 51 EStG gemeinten Rechtsanspruch gleichzusetzen ist. Die Frage, ob aus der tarifvertraglichen Regelung zur Fortzahlung des Trinkgeldanteils im Krankheitsfalle zu schließen ist, dass es sich um einen variablen Bestandteil der Vergütung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses handele, auf den der einzelne Mitarbeiter einen Rechtsanspruch habe, bedarf ebenfalls der abschließenden Klärung in einem Hauptsacheverfahren. Im Einzelnen wird auf den Beschluss vom 18. August 2005 VI B 40/05 Bezug genommen, mit dem der Senat in einem gleichgelagerten Fall im AdV-Verfahren der Beschwerde stattgegeben hat.



Ende der Entscheidung

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