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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: VI R 11/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Der berufliche Veranlassungszusammenhang einer doppelten Haushaltsführung wird nicht allein dadurch beendet, dass ein Steuerpflichtiger seinen Familienhausstand innerhalb des selben Ortes verlegt.
Gründe:

I.

Nach seiner Heirat im Jahre 1979 lebte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Familienwohnung in X.

Im Jahre 1986 nahm er eine Beschäftigung bei einer Firma in L bei Waldshut-Tiengen auf. Die kürzeste Entfernung zwischen Wohnort und Beschäftigungsort beträgt 90 km. Der Kläger mietete deshalb in der Nähe seines Beschäftigungsortes eine Zweitwohnung an.

Aufgrund ehelicher Streitigkeiten verließ der Kläger im November 1988 die eheliche Wohnung und zog in die --in der Nähe liegende, wenige Strassen entfernte-- Wohnung seiner Lebensgefährtin in X.

In seinen Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre 1991 und 1993 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Wie in den übrigen Jahren seit 1989 lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab, die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die Klage blieb erfolglos. Auch nach dem Umzug zu seiner Lebensgefährtin im November 1988 habe der Kläger seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in X gehabt. Er habe sich auch an der Führung des (neuen) Haupthausstandes in wesentlicher Weise mitbeteiligt. Der Kläger habe jedoch durch den Auszug aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung die beruflich begründete doppelte Haushaltsführung beendet. Die neu begründete doppelte Haushaltsführung beruhe auf privaten Gründen.

Mit der Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts. Eine doppelte Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestehe auch dann fort, wenn ein Steuerpflichtiger aus der gemeinsamen Ehewohnung ausziehe und in eine nur wenige Straßen weiter gelegene Wohnung seiner gleichfalls berufstätigen Lebensgefährtin einziehe. Es sei unbeachtlich, aus welchen Gründen eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung beibehalten werde. Eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung bestehe auch dann fort, wenn es am Ort des Lebensmittelpunktes zu einem notwendigen Wechsel der Familienwohnung komme. Die Vorinstanz habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, die Verlegung des Wohnsitzes am Heimatort wegen Beendigung der Ehe führe dazu, dass eine steuerlich anzuerkennende doppelte Haushaltsführung beendet werde.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Vorentscheidung --soweit es die Streitjahre 1991 und 1993 betrifft-- aufzuheben und die streitigen Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung --soweit es die Streitjahre betrifft-- und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht --FG-- (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Erforderlich für eine doppelte Haushaltsführung ist demnach eine Aufsplitterung der normalerweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. November 1974 VI R 77/73, BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459).

Der Senat tritt dem FG nicht darin bei, der Umzug des Klägers habe zu einer aus privaten Gründen veranlassten doppelten Haushaltsführung geführt.

Es ist zwar richtig, dass eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung in eine privat veranlasste (wie auch umgekehrt) übergehen kann. Eine bloße Verlegung des Familienwohnsitzes bzw. des Haupthausstandes innerhalb eines Ortes oder einer Gemeinde berührt indessen die berufliche Fortdauer der doppelten Haushaltsführung grundsätzlich nicht (vgl. Schmidt/ Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 9 Rz. 152). Dies gilt gleichermaßen für verheiratete, ledige als auch --wie hier-- für in Trennung befindliche Steuerpflichtige (zur Gleichstellung vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180).

Die Vorinstanz hat ihre Auffassung auch damit begründet, der Steuerpflichtige hätte (anlässlich der Trennung von seiner Ehefrau) an den Beschäftigungsort ziehen können. Damit verkennt die Vorinstanz, dass es sowohl nach der in den Streitjahren geltenden Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als auch nach dem durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645; BStBl I 2003, 710) wiederhergestellten Rechtszustand unerheblich ist, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Damit ist klargestellt, dass es nicht von Belang ist, wenn ein Steuerpflichtiger seine Familienwohnung schlicht beibehält. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob (auch) persönliche Gründe für den Steuerpflichtigen vorliegen, von einer vollständigen Übersiedlung an den Beschäftigungsort abzusehen.

Die doppelte Haushaltsführung des Klägers wurde im Jahre 1986 aus beruflichem Anlass begründet. Nach den vorgenannten Grundsätzen wurde ihre berufliche Fortdauer nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger seinen Haupthausstand in die Wohnung seiner Lebensgefährtin am Ort seines Lebensmittelpunktes verlegte. Insbesondere kann der Umzug am bisherigen Wohnort auch nicht einer ggf. steuerschädlichen Verlegung eines Haupthausstands weg vom Beschäftigungsort gleichgestellt werden (vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz. 150).

Entgegen der Auffassung des FG (und des FA) kann der im Streitfall gegebene einheitliche Sachverhalt auch nicht dergestalt künstlich aufgespaltet werden, dass mit dem Auszug aus der Familienwohnung der berufliche Veranlassungszusammenhang der bisherigen doppelten Haushaltsführung als beendet sowie die anschließende Wohnungsnahme (bei der Lebensgefährtin) als privat veranlasst angesehen wird. Vielmehr liegt nach wie vor die nämliche, lediglich in unwesentlicher Weise modifizierte, beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vor (ebenso Küttner/ Thomas, Personalbuch 2006, Stichwort: Doppelte Haushaltsführung Rz. 22; Stark/Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 9 Rn. 1063; Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz. 385).

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen getroffen hat, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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