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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.01.2000
Aktenzeichen: VI R 11/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a | |
EStG § 62 Abs. 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 Satz 2 |
Zur Berufsausbildung eines Studenten der Germanistik und Anglistik (Studienziel: Magisterexamen) gehört auch ein Auslandspraktikum als Fremdsprachenassistent an einer Schule in Großbritannien während eines Urlaubssemesters, da es sich um eine Maßnahme zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2
Urteil vom 14. Januar 2000 - VI R 11/99 -
Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1999, 241)
Gründe
Der im Jahre 1973 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) studierte in Berlin Deutsche Literatur, Germanistische Linguistik und Anglistik. Angestrebter Studienabschluss war das Magisterexamen. Bis September 1996 hatte er im Inland einen Bruttolohn in Höhe von 1 305 DM bezogen. In der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 31. Mai 1997 war S, der während des Wintersemesters 1996/1997 und des Sommersemesters 1997 vom Studium beurlaubt war, als Fremdsprachenassistent an einer Schule in Großbritannien tätig. Er war für diese Tätigkeit vom "Pädagogischen Austauschdienst der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder" ausgewählt worden. Die Aufgabe eines Fremdsprachenassistenten besteht in der Unterstützung der ausländischen Deutschlehrer im Deutschunterricht und in der Übernahme von Übungen zur Konversation und Landeskunde. Insgesamt assistieren sie 12 Stunden pro Woche im Unterricht. Von der britischen Behörde wird für diese Tätigkeit ein monatlicher Unterhaltszuschuss in Höhe von rd. 1 300 DM gezahlt. Neben seiner Tätigkeit als Fremdsprachenassistent absolvierte S bis Ende 1996 auch einen Sprachkurs an der University of Cambridge, den er mit einer Prüfung abschloss. Im Wintersemester 1997/1998 setzte S sein Studium in Berlin fort. Nach seiner Rückkehr ins Inland bezog S im Jahre 1997 noch einen zusätzlichen Bruttolohn von insgesamt 3 997 DM.
Das Arbeitsamt -Familienkasse- (Beklagter und Revisionskläger --Beklagter--) hob die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate April 1996 bis einschließlich Mai 1997 auf und forderte Kindergeld in Höhe von 2 900 DM zurück.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragte, gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 241 veröffentlichten Gründen statt.
Der Beklagte rügt mit seiner Revision einen Verstoß gegen § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Auslandsaufenthalt des S sei allenfalls in den Monaten bis Dezember 1996 als Berufsausbildung anzuerkennen. Die Lehrtätigkeit an der englischen Schule im Jahre 1997 könne auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Juni 1999 VI R 143/98 (BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710) nicht als Berufsausbildung anerkannt werden. Denn diese Tätigkeit stelle lediglich für den Lehrberuf eine geeignete Qualifizierung dar. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass S sein Germanistik-Studium mit dem Ziel einer Lehrtätigkeit an Schulen betrieben habe. Die Beurlaubung vom Studium stelle deshalb eine Unterbrechung der Ausbildung dar. Diese habe den Verlust des Anspruchs auf Kindergeld zur Folge, weil das Kind während der Beurlaubung nicht an der Verwertung seiner Arbeitskraft zum Zwecke des Selbstunterhalts gehindert sei.
Der Beklagte beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben, soweit darin der angefochtene Bescheid für die Monate ab Oktober 1996 aufgehoben wird, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht begründet.
Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.d.F. vom 11. Oktober 1995 (Jahressteuergesetz 1996, BGBl I 1995, 1250) beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten.
1. a) Der BFH hat in mehreren Entscheidungen, u.a. in dem vorstehend genannten Urteil in BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710 entschieden, dass unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen ist. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder --mangels solcher Regelungen-- jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Denn den Eltern und dem Kind kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Kindern muss daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen. Unerheblich ist schließlich auch, ob die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (vgl. auch BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).
b) Auch bei der Tätigkeit des S als Fremdsprachenassistent in Großbritannien handelt es sich danach um eine Maßnahme der Berufsausbildung. S hatte während dieser Zeit sein Berufsziel noch nicht erreicht, bereitete sich aber ernsthaft darauf vor. Die Tätigkeit eines Anglistikstudenten als Fremdsprachenassistent an einer High-School in Großbritannien stellt eine berufsbezogene Maßnahme zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dar, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet und für diesen förderlich sind. Denn die Tätigkeit diente sowohl der sprachlichen als auch pädagogischen Ausbildung des S, der das Magisterexamen anstrebte. Deshalb ist es nicht von Belang, dass S während seines Aufenthaltes in Großbritannien im Deutschunterricht assistierte. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob im Anschluss an die Ausbildung tatsächlich ein Lehrberuf ergriffen wird oder nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass S für das Wintersemester 1996/1997 und das Sommersemester 1997 beurlaubt war. Der dem entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 25. März 1982 10 RKg 11/81, SozR 5870 § 2 Nr. 29, und vom 18. September 1975 4 RJ 295/74, DBlR 2405, KG/§ 2 BKGG für die Tätigkeit einer Romanistikstudentin als Fremdsprachen- oder Lehrassistentin im Ausland) hat sich der BFH jedenfalls für die Fälle nicht angeschlossen, in denen die Zeit der Beurlaubung für eine zusätzliche Maßnahme der Berufsausbildung genutzt wird (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 16/99, BFHE 189, 113, BStBl II 1999, 713). Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus, dass S während der Zeit der Beurlaubung vom Studium nicht an der Verwertung seiner Arbeitskraft zum Zwecke des Selbstunterhalts gehindert war. Die Möglichkeit der Erzielung eigener Einkünfte rechtfertigt zumindest seit der Neuregelung des Kinderleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 nicht mehr den Schluss darauf, dass eine das Können für den Beruf vermittelnde Maßnahme nicht als Berufsausbildung anzusehen ist. Denn der Gesetzgeber hat den Umfang schädlicher berufsbegleitender Tätigkeiten typisierend über die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) geregelt (BFH-Urteil in BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710).
2. In Anbetracht von Einnahmen in Höhe von 5 205 DM (1996) bzw. 10 497 DM (1997) haben die Einkünfte und Bezüge des S den kindergeldschädlichen Grenzbetrag in Höhe von 12 000 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) weder im Jahr 1996 noch im Jahr 1997 überschritten.
Der jeweilige Grenzbetrag war auch nicht zu ermäßigen (§ 32 Abs. 4 Satz 6 EStG). Denn die Anspruchsvoraussetzungen lagen in beiden Streitjahren ganzjährig vor. Das der Klage stattgebende Urteil ist zwar ausschließlich auf den Kindergeldtatbestand des § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gestützt, obwohl in den Monaten Juni bis September 1997 nach Beendigung der Zeit als Fremdsprachenassistent keine Berufsausbildung stattfand. Während dieser Zeit bis zum Beginn des Wintersemesters 1997/1998 befand sich S jedoch in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von nicht mehr als vier Monaten, so dass sich der Kindergeldanspruch insoweit aus § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ergab. Nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Rechtsverletzung ergeben, die Entscheidung sich aber aus einem anderen Grund als richtig erweist.
Ende der Entscheidung
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