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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: VI R 114/00
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 2
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG § 10d Abs. 1
EStG § 10d Abs. 1 Satz 2
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der 1961 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte nach dem Abitur bis November 1983 ein dreijähriges Studium an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, welches er als Diplom-Verwaltungswirt abschloss. Anschließend war er als Kommunalbeamter tätig. Neben diesem Beruf studierte er an einer Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie, wo er das Kommunal-Diplom als zusätzliche Qualifikation erhielt. 1990 trat er in den Dienst eines Bundesministeriums und war dort als Sachbearbeiter tätig. Berufsbegleitend nahm er ab April 1991 das Studium der Rechtswissenschaften an einer Universität auf. 1996 bestand er die erste juristische Staatsprüfung. Von Januar 1995 bis einschließlich März 1996 war er unter Wegfall seiner Bezüge vom Dienst freigestellt worden.

In der Einkommensteuererklärung für 1995 machte der Kläger die Kosten für das Jurastudium in Höhe von 7 187 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkommensteuer 1995 auf 0 DM festgesetzt hatte, beantragte der Kläger, im Wege des Verlustrücktrages nach § 10d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die 1995 entstandenen Werbungskosten im Streitjahr 1994 zu berücksichtigen. Das FA lehnte diesen Antrag auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 1994 ab, weil die Studienkosten des Klägers lediglich Berufsausbildungskosten und daher Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG darstellten, für die ein Verlustrücktrag gesetzlich nicht vorgesehen sei. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage trug der Kläger vor, er habe das Studium der Rechtswissenschaften nur betrieben, um seine beruflichen Perspektiven als Bundesbeamter verbessern zu können. Dieses Studium mit der Wahlfachgruppe "Staat und Verwaltung" sei nicht nur für seine Tätigkeit als Sachbearbeiter förderlich gewesen, sondern habe ihm auch die Möglichkeit des Aufstiegs in den höheren Verwaltungsdienst geschaffen. Durch seine vorherigen Studien habe er bereits über juristische Fachkenntnisse verfügt, welche durch das Jurastudium ergänzt, aktualisiert und vertieft worden seien. Letztlich hätten sich diese vertieften Kenntnisse auch in der trotz Berufstätigkeit kurzen Studienzeit mit guten Ergebnissen und in seinem raschen beruflichen Aufstieg niedergeschlagen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1240 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die von der Rechtsprechung entwickelte Abgrenzung von Ausbildungs- und Fortbildungskosten sei insbesondere mit dem Wortlaut und der Systematik der §§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht vereinbar. Danach seien Sonderausgaben gegenüber Werbungskosten stets nachrangig. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein nach langjähriger Berufsausbildung aufgenommenes Hochschulstudium dem ausgeübten Beruf zugute komme.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil sowie die angefochtenen Bescheiden aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1994 dahin gehend zu ändern, dass ein Verlustrücktrag aus 1995 in Höhe von 7 187 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Ein rücktragsfähiger Verlust und damit eine Änderung des Einkommensteuerbescheides für das Streitjahr nach § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG kommen dem Grunde nach in Betracht. Einer gesonderten Feststellung bedarf es zuvor nicht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379, BFH/NV 1998, 1582).

Bildungsaufwendungen können Werbungskosten sein, sofern sie beruflich veranlasst sind. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Ob die Bildungsmaßnahme eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerbaren Einnahmen veranlasst sind. Nichts anderes gilt bei einem Zweit- oder Aufbaustudium.

Im Streitfall folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des FG, dass der Kläger das Zweitstudium aus beruflichen Gründen betrieben hat. Die hierdurch vertieften und neu erworbenen Fachkenntnisse kamen zunächst seiner bereits rechtsanwendenden Tätigkeit zugute, die er unmittelbar nach Bestehen des Staatsexamens wieder aufnahm. Darüber hinaus diente das Jurastudium vornehmlich dazu, beruflich besser voranzukommen und Aufstiegsmöglichkeiten in der Bundesverwaltung wahrnehmen zu können. Da das Studium auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG --aus seiner Sicht zu Recht-- keine Feststellungen zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Bildungsaufwendungen getroffen hat. Bei den Feststellungen werden die Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFH/NV 2003, 997) zu beachten sein. Insbesondere wird zu würdigen sein, ob angesichts der häufigen Fahrten des Klägers zur Universität (180 Fahrten in 1995) diese als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist.

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