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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.10.2002
Aktenzeichen: VI R 13/01
Rechtsgebiete: EStG, FGO, BGB, AO 1977, HGB


Vorschriften:

EStG § 40 Abs. 1 Satz 1
EStG § 40 Satz 4
FGO § 44 Abs. 1
FGO § 44 Abs. 2
FGO § 118 Abs. 2
BGB § 133
AO 1977 § 129
HGB § 54
Derjenige, der für den Arbeitgeber im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung auftritt, ist in der Regel nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht dazu befugt, einen Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung zu stellen.
Gründe:

I.

Bei der X Versicherungs AG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), fand beginnend am 17. Januar 1995 eine Lohnsteuer-Außenprüfung für die Lohnzahlungszeiträume 1991 bis 1994 statt. Diese betraf zum einen --hier streitig-- die Hauptverwaltung, zum anderen die Bereichsverwaltung. Für die Hauptverwaltung wurde die Prüfung hinsichtlich zahlreicher Prüfungspunkte einvernehmlich und ohne Schlussbesprechung abgeschlossen. Mit der vom 11. bzw. 17. Februar 1997 datierenden Erklärung stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin hinsichtlich einzelner Sachverhaltskomplexe auf dem dafür vorgesehenen Vordruck "Erklärung des Arbeitgebers" einen Pauschalierungsantrag nach § 40 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dieser war von zwei Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin der Klägerin jeweils mit dem Zusatz i.V. unterzeichnet. Entsprechend dem Pauschalierungsantrag erging ein Nachforderungsbescheid. Der Prüfungsbericht enthielt den Hinweis, die Prüfung der Rabatte sei noch nicht abgeschlossen. Dies betraf die Rabatte, die die Arbeitnehmer der Klägerin von dieser und von anderen Konzerngesellschaften beim Abschluss von Versicherungsverträgen erhalten hatten. Die Fortsetzung der Prüfung verzögerte sich. Nach einem Wechsel des Prüfers wurde die Prüfung an Amtsstelle fortgesetzt.

Am 22. August 1997 fand zwischen dem Prüfer S und dem Referatsleiter der Steuerabteilung der Klägerin, Herrn E, ein Telefongespräch statt. Aufgrund dieses Gespräches ging beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) folgendes --mit dem Briefkopf der Rechtsvorgängerin der Klägerin versehenes-- Schreiben ein: "Sehr geehrter Herr S, wie Ihnen der Linksunterzeichner während des heute geführten Telefonats bereits mitteilte, haben wir für die bei unserer Hauptverwaltung tätigen Mitarbeiter (ca. 3 000) inzwischen zur Ermittlung der Steuersätze Gehaltsauswertungen vorgenommen. Hieraus ergeben sich die folgenden Nettosteuersätze ... Wir regen an, die Nachversteuerungen der Belegschaftsrabatte sowohl bei unserer Hauptverwaltung als auch bei unserer Bereichsverwaltung auf der Basis dieser Steuersätze vorzunehmen." Das Schreiben, in dem für die einzelnen Lohnzahlungszeiträume die jeweiligen Nettosteuersätze gesondert aufgeführt waren, war von zwei Mitarbeitern der Rechtsvorgängerin der Klägerin unterzeichnet. Linksunterzeichner mit dem Zusatz "i.V." war der Steuerreferatsleiter E, Rechtsunterzeichner mit dem Zusatz "i.A." ein Mitarbeiter der Steuerabteilung.

Im Abschlussbericht vom 23. September 1997 führte der Prüfer aus, die Klägerin habe trotz wiederholter Aufforderungen keine konkreten Angaben zu den Versicherungstarifen vergleichbarer Mitbewerber gemacht. Ein Vergleich zwischen den den Mitarbeitern der Klägerin von den Konzerngesellschaften eingeräumten Versicherungstarifen und den Tarifen anderer Mitbewerber sei deshalb nicht möglich gewesen. Die Rabatte, die die Klägerin selbst ihren Mitarbeitern beim Abschluss von Versicherungsverträgen gewährt habe, überstiegen nicht den Rabattfreibetrag des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG. Der geldwerte Vorteil, den die Arbeitnehmer der Klägerin aus der Rabattgewährung durch andere Konzerngesellschaften erzielt hätten, sei durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Endpreis des (konzern-)eigenen Produkts und dem ermäßigten Tarif für die Mitarbeiter ermittelt worden. Die Nachversteuerung erfolge auf Antrag der Klägerin gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit einem gesondert ermittelten Nettopauschsteuersatz.

Gegen den Nachforderungsbescheid vom 10. Oktober 1997 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, ein Fremdvergleich mit den Prämien anderer Versicherer habe nicht stattgefunden. Das Einspruchsschreiben trägt zwei Unterschriften; Linksunterzeichner mit dem Zusatz ppa. ist der Steuerabteilungsleiter Dr. S, Rechtsunterzeichner mit dem Zusatz i.V. der Steuerreferatsleiter E. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 3. April 1998 zurück. Mit der Einspruchsentscheidung war ein mit einer gesonderten Rechtsmittelbelehrung versehener Berichtigungsbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) verbunden. Darin führte das FA aus, durch einen Tippfehler sei es für den Lohnzahlungszeitraum 1992 nicht von Rabatten in Höhe von 425 511,10 DM, sondern nur von 325 511,10 DM ausgegangen. Daraus habe sich im Nachforderungsbescheid für den Lohnzahlungszeitraum 1992 eine zu geringe Lohnsteuer ergeben. Gegen den Nachforderungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage. Gegen den nach § 129 AO 1977 ergangenen Berichtigungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, die ihren Mitarbeitern beim Abschluss von Versicherungsverträgen bei anderen Konzerngesellschaften gewährten Rabatte seien unter Anwendung des Rabattfreibetrags in Höhe von 2 400 DM nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG steuerfrei zu belassen. Sollte hingegen der Rabattfreibetrag nicht zu gewähren sein, sei der übliche Endpreis am Abgabeort i.S. des § 8 Abs. 2 EStG in Bezug auf die von ihren Mitarbeitern bei Konzerngesellschaften abgeschlossenen Versicherungsverträge nach den Tarifen der billigsten Anbieter am Markt zu bestimmen. Im Erörterungstermin vom 26. Mai 1999 warf der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) u.a. die Frage auf, wann und wie die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Pauschalierungsantrag gestellt habe. Daraufhin verwies das FA auf das Schreiben der Klägerin vom 22. August 1997. Die Klägerin, vertreten durch ihre damaligen Prozessbevollmächtigten, teilte im Schriftsatz vom 19. Juli 1999 mit, es sei eine Vielzahl von Telefonaten und mündlichen Erörterungen mit dem FA geführt worden. Aufgrund dieser Umstände könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Beteiligten sich über eine Pauschalierung telefonisch oder im Rahmen einer mündlichen Erörterung geeinigt hätten. Das FA trug daraufhin mit Schriftsatz vom 9. August 1999 vor, der Prüfer S und der Steuerreferatsleiter E hätten am 22. August 1997 miteinander telefoniert. Bei diesem Telefonat habe Letzterer hinsichtlich des Prüfungskomplexes Personalrabatte den Erlass eines Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids beantragt. Man habe vereinbart, dass der Prüfer die von der Klägerin noch mitzuteilenden Nettosteuersätze übernehme. Das für den Antrag üblicherweise verwendete Formular der Steuerverwaltung habe die Klägerin deshalb nicht unterzeichnet, weil der Prüfer S im Unterschied zum vorher tätig gewesenen Prüfer keinen persönlichen Kontakt zu Mitarbeitern der Steuerabteilung der Klägerin gehabt habe.

Nachdem der vom Berichterstatter mit Schreiben vom 4. August 1999 unterbreitete Vorschlag einer einvernehmlichen Erledigung nicht die Zustimmung der Beteiligten gefunden hatte, warf der Berichterstatter mit Verfügung vom 5. Oktober 1999 nunmehr die Frage auf, ob der Steuerreferatsleiter E dazu bevollmächtigt gewesen sei, einen Pauschalierungsantrag zu stellen und, sofern er nicht über eine Einzel-(Vollmacht) verfüge, ob die Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht eingriffen. Am 9. November 1999 erließ das FG einen Beweisbeschluss. Danach sollte über den Inhalt des am 22. August 1997 von dem Steuerreferatsleiter der Klägerin, Herrn E, mit dem Lohnsteuer-Außenprüfer, Herrn S, geführten Telefongesprächs Beweis durch Vernehmung der vorgenannten Personen als Zeugen erhoben werden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18. November 1999 vernahm das FG den Steuerreferatsleiter E, sah jedoch von einer Vernehmung des Prüfers S ab.

Das FG gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 771 veröffentlichten Gründen statt.

Es führte im Wesentlichen aus, der Einspruch gegen den Nachforderungsbescheid sei wirksam. Dabei könne dahinstehen, ob die Herren Dr. S und E dazu bevollmächtigt gewesen seien, Einspruch einzulegen. Der von den Genannten eingelegte Einspruch sei jedenfalls durch die während des Klageverfahrens von einem Vorstandsmitglied und einem Prokuristen gemeinschaftlich erteilte Genehmigung rückwirkend wirksam geworden. Der Nachforderungsbescheid sei rechtswidrig, da ihm kein wirksamer Antrag zugrunde liege. Ausweislich der Eintragung im Handelsregister werde die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin durch jeweils zwei Personen als Gesamtvertretungsberechtigte wirksam vertreten. Deshalb könne dahingestellt bleiben, ob der Steuerreferatsleiter E im Telefonat vom 22. August 1997 einen Nachforderungsbescheid beantragt bzw. die Bereitschaft zur Übernahme der pauschalen Lohnsteuer erklärt habe. Der Steuerreferatsleiter E sei nicht bevollmächtigt gewesen, allein eine derartige Erklärung abzugeben. Ein durch ihn telefonisch gestellter Antrag wäre deshalb selbst dann nicht wirksam, wenn eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht bestanden hätte. Das Schreiben vom 22. August 1997 beinhalte keinen Pauschalierungsantrag. Es enthalte lediglich den an das FA gerichteten Vorschlag, die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin nur für ihre Hauptverwaltung ermittelten Steuersätze, die nach unwidersprochener Aussage des Steuerreferatsleiters E niedriger als die vom Prüfer ermittelten Steuersätze gewesen seien, --ohne weitere Berechnungen-- auch auf die Bereichsverwaltung zu übertragen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs "Nachversteuerung". Die Mitteilung von Nettosteuersätzen sei lediglich als Mitwirkung bei der Vorbereitung eines Nachforderungsbescheids und nicht als bindende Antragstellung zu verstehen. Der Pauschalierungsantrag werde üblicherweise auf amtlichem Formular erst bei Abschluss der Lohnsteuer-Außenprüfung gestellt. Deshalb seien vorherige Äußerungen eines Arbeitgebers nur dann als Antragstellung zu würdigen, wenn sie hinreichend klar seien und die Bereitschaft zur Übernahme der Lohnsteuer erkennen ließen. Obwohl die Rechtsvorgängerin der Klägerin das Fehlen des Pauschalierungsantrags zunächst nicht gerügt habe und ein Rückgriff bei ihren Arbeitnehmern praktisch ausgeschlossen gewesen sei, sei in dem genannten Schreiben kein Pauschalierungsantrag zu sehen.

Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es die Verletzung der §§ 19, 8, 40 EStG sowie des § 44 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rügt. Zur Begründung trägt das FA vor: Das FG habe überzogene Anforderungen an einen Antrag nach § 40 Abs. 1 EStG gestellt. Das Schreiben vom 22. August 1997 beinhalte eine Wiederholung des bereits zuvor telefonisch gestellten Pauschalierungsantrags. Für andere Zwecke, als den Erlass eines Pauschalierungsbescheids gegenüber dem Arbeitgeber, seien Nettosteuersätze nicht verwendbar. Die Übermittlung von Nettosteuersätzen enthalte deshalb einen konkludenten Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung. Aufgrund der ihm erteilten Handlungsvollmacht habe der Steuerreferatsleiter E mit Vertretungsmacht für die Rechtsvorgängerin der Klägerin gehandelt, als er den Pauschalierungsantrag gestellt habe. Gemäß § 54 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) erstrecke sich eine Handlungsvollmacht in einem Handelsgewerbe auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, deren Vornahme derartige Geschäfte gewöhnlich mit sich brächten. Herr E sei als Referatsleiter für Unternehmenssteuern in der Steuerabteilung der Klägerin tätig gewesen, er sei zudem dem Außenprüfer als alleinige Auskunftsperson benannt worden und habe als solche fungiert. Die Eintragung im Handelsregister, wonach die Klägerin durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen oder durch zwei Prokuristen vertreten werde, schränke die dem Steuerreferatsleiter E erteilte Handlungsvollmacht nicht ein. Zudem sei das Schreiben vom 22. August 1997 von zwei Personen unterzeichnet worden. Wollte man allerdings --wie das FG-- annehmen, die Klägerin werde nur durch Vorstände bzw. Prokuristen vertreten, fehle es bereits an einem wirksamen Einspruch, da das Einspruchsschreiben --nur-- ein Prokurist und ein Handlungsbevollmächtigter unterzeichnet hätten. Eine nach Ablauf der Einspruchsfrist erfolgte Genehmigung heile den Mangel der Vertretungsvollmacht in diesem Fall nicht. Hinsichtlich des Streitjahres 1992 fehle es zudem an einem wirksamen Vorverfahren. Das FA habe die Einspruchsentscheidung mit einem auf § 129 AO 1977 gestützten, den Lohnzahlungszeitraum 1992 betreffenden Berichtigungsbescheid zusammengefasst. Dabei handele es sich um zwei nacheinander erlassene Bescheide. Der den Lohnzahlungszeitraum 1992 betreffende Berichtigungsbescheid habe den Nachforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung insoweit vollinhaltlich in sich aufgenommen. Über den von der Klägerin gegen den Berichtigungsbescheid erhobenen Einspruch habe das FA jedoch noch nicht entschieden.

Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die ihren Mitarbeitern von den Konzernunternehmen beim Abschluss von Versicherungsverträgen gewährten Rabatte stellten keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1, § 8 Abs. 1, Abs. 2 EStG dar. Der übliche Endpreis am Abgabeort i.S. des § 8 Abs. 2 EStG sei in Bezug auf die in Rede stehenden Versicherungsverträge der Preis, den ein Direktversicherer bzw. ein sog. Billiganbieter anbiete. Nach den zutreffenden Ausführungen im vorinstanzlichen Urteil fehle es zudem an dem erforderlichen Pauschalierungsantrag. Die gesetzlich vorgeschriebene Schlussbesprechung habe nicht stattgefunden, obwohl darauf nicht verzichtet worden sei. Üblicherweise werde jedoch der Pauschalierungsantrag erst während der Schlussbesprechung vom Arbeitgeber bzw. dessen Vertreter auf dem in der Praxis gebräuchlichen Abschlussbogen gestellt. Das Schreiben vom 22. August 1997 enthalte keinen Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung, sondern lediglich eine Anregung. Die Klägerin sei nicht mehr dazu gekommen, die Zahlen für den erforderlichen Drittvergleich zu ermitteln. Der Steuerreferatsleiter E habe zu der Zeit, als er das Schreiben mit der Anregung an den Prüfer versandt habe, nicht gewusst, was das Ergebnis der Lohnsteuer-Außenprüfung sein werde. Ein etwaiges Ergebnis sei auch nicht mit dem FA vorbesprochen gewesen. Die lohnsteuerliche Behandlung der Konzernrabatte sei seit Jahren zwischen der gesamten Versicherungswirtschaft und der Finanzverwaltung ein äußerst kontrovers behandeltes Thema. Bei einer derartigen Sachlage könne der Anregung des Steuerreferatsleiters E kein Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung entnommen werden. Im Übrigen habe Herr E keine ausreichende Handlungsvollmacht für einen solchen Pauschalierungsantrag gehabt. Das Schreiben vom 22. August 1997 habe Herr E in Vertretung zusammen mit dem Kollegen V unterzeichnet. Herr E habe seine Handlungsvollmacht jedoch nur zusammen mit einem Vorstandsmitglied oder einem Prokuristen ausüben dürfen. Herr V sei kein Prokurist der Klägerin gewesen. Deshalb habe Herr E weder allein, noch zusammen mit Herrn V einen die Klägerin bindenden Pauschalierungsantrag gestellt. Eine Duldungsvollmacht des Herrn E habe nicht bestanden. Wie dem FA bekannt gewesen sei, habe in der Steuerabteilung der Klägerin lediglich Herr Rechtsanwalt Dr. S als deren Leiter über Prokura verfügt. Für derart streitige Themen wie die lohnsteuerliche Handhabung der Konzernrabatte sei zudem entsprechend der Handhabung in den vergangenen Jahren allein Herr Dr. S zusammen mit einem Vorstandsmitglied oder u.U. mit einem Handlungsbevollmächtigten zuständig gewesen. Da sich die Lohnsteuernachforderung bezüglich der Konzernrabatte auf insgesamt rd. ..... DM belaufen habe, habe das FA nicht davon ausgehen können, die Herren E und V seien dazu bevollmächtigt gewesen, einen darauf gerichteten Pauschalierungsantrag zu stellen. Selbst wenn gegen den Nachforderungsbescheid zunächst nicht wirksam Einspruch eingelegt worden sein sollte, so habe die Klägerin diesen doch später durch ihre Vorstände wirksam genehmigt. Entgegen der Auffassung des FA sei ein Vorverfahren auch durchgeführt worden, soweit dies den Nachforderungsbescheid für das Streitjahr 1992 betreffe. Der nach § 129 AO 1977 ergangene Berichtigungsbescheid habe mit dem Klageverfahren nichts zu tun.

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das vorinstanzliche Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Der Nachforderungsbescheid ist entgegen der Auffassung des FA nicht bestandskräftig. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war bei der Einlegung des Einspruchs am 10. November 1997 wirksam vertreten. Das Einspruchsschreiben hatten der Prokurist und Steuerabteilungsleiter Dr. S sowie der Steuerreferatsleiter und Handlungsbevollmächtigte E unterzeichnet. Der Umfang ihrer Vertretungsbefugnis für die Klägerin ergibt sich aus den §§ 48 ff. bzw. §§ 54 ff. HGB. Soweit das FG auf die Eintragung im Handelsregister abhebt, wonach die Klägerin jeweils durch zwei Personen --Vorstände und/oder Prokuristen-- vertreten wird, handelt es sich hingegen um die organschaftliche Vertretung gemäß § 78 des Aktiengesetzes (AktG). Daneben kann eine Aktiengesellschaft jedoch Vollmachten erteilen und sich --wie im Streitfall-- durch Prokuristen und/oder Handlungsbevollmächtigte vertreten lassen (Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 78 Rn. 3, 10). Auf die im Verlaufe des finanzgerichtlichen Verfahrens durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen vorsorglich erfolgte Genehmigung des am 10. November 1997 erhobenen Einspruchs kommt es somit nicht an.

2. Die Klägerin hat ihre Klage --auch soweit der Nachforderungsbescheid den Lohnzahlungszeitraum 1992 betrifft-- nach Durchführung des nach § 44 Abs. 1 FGO erforderlichen Vorverfahrens erhoben. Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens (§ 44 Abs. 2 FGO) ist der Nachforderungsbescheid vom 10. Oktober 1997 in der durch die Einspruchsentscheidung vom 3. April 1998 zugleich nach § 129 AO 1977 berichtigten Fassung. Zwar hat das FA zeitgleich mit der Einspruchsentscheidung einen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen --gesonderten-- Berichtigungsbescheid nach § 129 AO 1977 erlassen. Ein auf § 129 AO 1977 gestützter Berichtigungsbescheid nimmt jedoch --anders als ein Änderungsbescheid-- weder den Inhalt einer Einspruchsentscheidung in sich auf noch suspendiert er diese zunächst in ihrer Wirksamkeit. Eine Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO 1977 führt nicht zu einer Änderung oder Ersetzung i.S. von § 68 FGO a.F., da eine Berichtigung dieser Art den Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts nicht berührt (von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. § 68 Anm. 19). Die Berichtigung kann --sofern sie im Verlaufe des finanzgerichtlichen Verfahrens erfolgt-- vom FG unmittelbar ohne einen Antrag nach § 68 FGO a.F. geprüft werden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 1984 II R 30/81, BFHE 142, 357, BStBl II 1985, 218; Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 68 FGO Rz. 13). Entsprechendes gilt auch dann, wenn wie im Streitfall die Berichtigung nicht erst nach Rechtshängigkeit der Klage erfolgt ist, sondern zusammen mit der Einspruchsentscheidung vorgenommen wird.

3. Das FG hat zu Unrecht angenommen, das Schreiben vom 22. August 1997 beinhalte keinen Pauschalierungsantrag i.S. von § 40 EStG.

a) Der Antrag als Willenserklärung ist Verfahrensvoraussetzung für die Pauschalierung (BFH-Urteile vom 21. September 1990 VI R 97/86, BFHE 161, 557, BStBl II 1991, 262; vom 7. Februar 2002 VI R 80/00, BFHE 197, 554, BStBl II 2002, 438). Die Auslegung von Willenserklärungen gehört zwar grundsätzlich zu der dem FG obliegenden Feststellung der Tatsachen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz. 136, 125). Der BFH ist als Revisionsinstanz aber nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), die Denkgesetze und die gesetzlichen Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 1. Juli 1992 I R 78/91, BFHE 168, 293, BStBl II 1992, 975; vom 3. Dezember 1996 I R 67/95, BFHE 182, 258, BStBl II 1997, 474).

Im Streitfall hat das FG gegen § 133 BGB verstoßen. Danach ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger --im Streitfall das FA-- nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen musste (Empfängerhorizont).

Nach seinem objektiven Erklärungsgehalt beinhaltet das Schreiben vom 22. August 1997 aus der Sicht des FA als Erklärungsempfänger einen Pauschalierungsantrag. Der Satz: "Wir regen an, die Nachversteuerungen sowohl bei unserer Hauptverwaltung als auch bei unserer Bereichsverwaltung auf der Basis dieser Steuersätze vorzunehmen", enthält zusammen mit den im Schreiben mitgeteilten --aufgrund einer Gehaltsauswertung für die in Rede stehenden Lohnzahlungszeiträume ermittelten-- Nettosteuersätzen seinem objektiven Erklärungsinhalt nach die Zustimmung zum Ergehen eines Pauschalierungsbescheids. Das Schreiben ist von dem Steuerreferatsleiter Unternehmenssteuern verfasst, so dass über das Rechtsinstitut der Lohnsteuer-Pauschalierung keine Unklarheit besteht. In der Anregung, einen Nachforderungsbescheid zu erlassen, sowie der Mitteilung der dazu erforderlichen Nettosteuersätze ist aus der Sicht des FA als Erklärungsempfänger ein Pauschalierungsantrag zu sehen. Dafür spricht u.a., dass nach § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG der Arbeitgeber einem Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung eine Berechnung der durchschnittlichen Nettosteuersätze (§ 40 Abs. 1 Satz 3 EStG) für die betreffenden Lohnzahlungszeiträume beizufügen hat. Beim Ergehen eines Haftungsbescheids hätte es dagegen nicht der Mitteilung der Nettosteuersätze, sondern der Bruttosteuersätze bedurft.

Zwar hat die Klägerin auch geltend gemacht, auf die ihren Mitarbeitern von den Konzerngesellschaften gewährten Rabatte sei der Rabattfreibetrag des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG anzuwenden. Die Anwendung des Rabattfreibetrags hat u.a. zur Voraussetzung, dass keine Pauschalierung erfolgt ist. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist jedoch erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren erfolgt, so dass es bei der Auslegung der im Schreiben vom 22. August 1997 enthaltenen Willenserklärung nicht zu berücksichtigen ist.

Die Auffassung der Klägerin, in Bezug auf die ihren Mitarbeitern von Konzerngesellschaften gewährten Rabatte sei keine Lohnsteuer nachzuerheben, steht der Auslegung der in Rede stehenden Willenserklärung als Pauschalierungsantrag ebenso wenig entgegen wie die Höhe der vom FA geltend gemachten Nachforderung von insgesamt ...... DM. Mit dem Pauschalierungsantrag ist zwar als Rechtsfolge (§ 40 Abs. 3 Satz 1 EStG) die Übernahme der sich aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung ergebenden Steuerschuld durch den Arbeitgeber verbunden. Die Klägerin war durch die beantragte Lohnsteuer-Pauschalierung aber nicht daran gehindert, im Einspruchsverfahren und in einem daran anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren ihre abweichende Rechtsauffassung weiter zu verfolgen, ihren Mitarbeitern sei durch die gewährten Konzernrabatte kein geldwerter Vorteil entstanden. Der Antrag auf Lohnsteuer-Pauschalierung hinderte die Klägerin des Weiteren nicht an der von ihr angestrebten einvernehmlichen Erledigung in Bezug auf die --bei der Besteuerung der Konzernrabatte zugrunde zu legenden-- Endpreise am Abgabeort i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Annahme des FG, der Steuerreferatsleiter E habe die Nettosteuersätze lediglich zur Vorbereitung eines vom FA zu erlassenden Pauschalierungsbescheids mitgeteilt, einen solchen Bescheid jedoch nicht beantragt, findet deshalb unter Berücksichtigung aller dem FA als Erklärungsempfänger erkennbaren Umstände im Wortlaut des Schreibens keine Stütze.

b) Sofern sich die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten E nicht bereits aus der ihm erteilten Handlungsvollmacht ergibt, ist die Klägerin jedenfalls nach den Grundsätzen über die Anscheinsvollmacht an den von Steuerreferatsleiter E zusammen mit einem Mitarbeiter unterzeichneten Pauschalierungsantrag gebunden. Auch in Bezug auf die Vertretung des Arbeitgebers gegenüber dem FA im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung können die herkömmlichen Rechtsscheinsgrundsätze eingreifen. Danach gilt als Bevollmächtigter auch derjenige, der ohne Vollmacht gegenüber den Finanzbehörden wie ein Bevollmächtigter auftritt, wenn der von ihm durch sein Auftreten erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung dem Vertretenen zurechenbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Februar 1997 X B 146/96, BFH/NV 1997, 542; BFH-Urteil vom 28. Januar 1976 IV R 168/73, BFHE 118, 49, 54, BStBl II 1976, 344). Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln eines angeblichen Vertreters nicht bzw. nicht nachgewiesenermaßen kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn ferner der "Geschäftsgegner" nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Vertretene billige das Handeln seines Vertreters (BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B. IV. 1.).

Im Streitfall hatte der im Rahmen der Außenprüfung aufgetretene Steuerreferatsleiter E zudem nach den Feststellungen des FG bei einer vorausgegangenen Lohnsteuer-Außenprüfung alleine eine "Notiz" unterzeichnet, in der den seinerzeit tätigen Prüfern mitgeteilt wurde, betreffend Sachgeschenken aus Anlass von Mitarbeiterjubiläen werde die X-Lebensversicherung und die X-Sachversicherung die auf den steuerpflichtigen Teil der Sachgeschenke entfallenden Steuern übernehmen. Ferner hat nicht die Klägerin, sondern erst das FG die Frage nach dem Pauschalierungsantrag sowie die nach der Vertretungsmacht des Steuerreferatsleiters E aufgeworfen. Wäre die Klägerin nicht mit einem Lohnsteuer-Pauschalierungsverfahren einverstanden gewesen und/oder hätte der Steuerreferatsleiter E nicht über die erforderliche Vertretungsmacht verfügt, wäre es nicht verständlich, weshalb die Klägerin dann nicht bereits im Einspruchsverfahren, mit dem u.a. der Leiter der Steuerabteilung und Prokurist der Klägerin Dr. S befasst war, entsprechende Einwendungen erhoben hat. Im Übrigen war nach den Ausführungen des FG in Bezug auf die Konzernrabatte ein Rückgriff der Klägerin bei ihren Arbeitnehmern praktisch ausgeschlossen, was ebenfalls für eine Steuernachforderung im Wege des Pauschalierungsverfahrens und eine Billigung der Antragstellung durch die Klägerin spricht.

4. Da das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, das Schreiben vom 22. August 1997 beinhalte keinen wirksamen Pauschalierungsantrag, war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben. Im zweiten Rechtsgang wird das FG nach Maßgabe der Ausführungen des erkennenden Senats im Urteil vom 30. Mai 2001 VI R 123/00 (BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230, 232), die im Streitfall entsprechend gelten, weitere Feststellungen zu treffen haben.

Ende der Entscheidung

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