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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: VI R 134/01
Rechtsgebiete: EStG, FELEG
Vorschriften:
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1 | |
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 2 | |
FELEG § 9 | |
FELEG § 15 |
Gründe:
I.
Streitig ist, ob vom Bund getragene Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitgeberanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 15 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit in der im Streitjahr 1998 geltenden Fassung (FELEG) steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Ehegatten im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger bezog im Streitjahr von der Landwirtschaftlichen Alterskasse Berlin Ausgleichsgeld i.S. des § 9 FELEG einschließlich der Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 27 991 DM. Daneben übernahm der Bund die Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 8 741 DM und die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers in Höhe von 1 866 DM bzw. 238 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte das Ausgleichsgeld und die Beitragszahlungen des Bundes in Höhe von insgesamt 38 836 DM im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr als Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Die vom Bund getragenen Beitragszahlungen in Höhe von 10 846 DM ließ das FA zum beschränkten Sonderausgabenabzug zu (§ 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Der Einspruch, der sich gegen die Versteuerung der Beitragszahlungen des Bundes richtete, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 898 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Nr. 27 und § 3 Nr. 62 EStG. Das FA macht im Wesentlichen geltend: Die nach § 15 FELEG vom Bund getragenen Sozialversicherungsbeiträge seien Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Sie seien Ertrag der vom Arbeitnehmer aus der bis zur Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebs erbrachten Dienstleistung, auch wenn die Zahlungen von dritter Seite geleistet würden. Die Steuerpflicht der Leistungen nach § 15 FELEG ergebe sich aus dem Umstand, dass weder § 3 Nr. 27 noch § 3 Nr. 62 EStG insoweit einschlägig seien. § 3 Nr. 62 EStG komme schon deshalb nicht zur Anwendung, weil zwischen dem Leistungsempfänger und dem Bund als Leistenden kein Arbeitsverhältnis bestehe. Eine analoge Anwendung scheide aus, weil nach dem Willen des Gesetzgebers die strittigen Beitragsleistungen nicht steuerfrei sein sollten. Denn der Gesetzgeber habe die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 27 EStG, die im Zusammenhang mit der Einführung des FELEG in den Befreiungskatalog des § 3 EStG eingeführt worden sei, ausschließlich auf das Ausgleichsgeld beschränkt.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG die vom Bund getragenen Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und Arbeitgeberanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt.
1. Die vom Bund übernommenen Beiträge gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Es handelt sich nicht um Leistungen aus einem bestehenden Dienstverhältnis.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird für eine Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst worden ist. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist gegeben, wenn sich die Einnahmen des Arbeitnehmers im weitesten Sinn als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 22. März 1985 VI R 26/82, BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641; vom 25. Mai 1992 VI R 18/90, BFHE 169, 22, BStBl II 1993, 45; vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815). Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind hier schon deshalb nicht gegeben, weil das Dienstverhältnis des Klägers zu seinem (früheren) Arbeitgeber im Streitjahr nicht mehr bestand.
Der Kläger war im Streitjahr als Bezieher von Ausgleichsgeld i.S. von § 9 FELEG nicht mehr in einem landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigt. Voraussetzung für den Bezug von Ausgleichsgeld und der hier strittigen Leistungen zur sozialen Absicherung der Arbeitnehmer ist die Stilllegung des landwirtschaftlichen Unternehmens und, damit verbunden, die Beendigung der Beschäftigung (vgl. § 9 Satz 1 Nr. 1 FELEG). Für die Zeit des Bezugs des Ausgleichsgelds wird für Zwecke der sozialen Absicherung der beschäftigungslos gewordenen Arbeitnehmer eine Beschäftigung lediglich fingiert. So "gilt" nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FELEG die Zeit des Bezugs von Ausgleichsgeld für landwirtschaftliche Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung. Soweit die Arbeitnehmer im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 FELEG in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versichert bleiben, "gilt" auch für diese der Bezug des Ausgleichsgelds als Bezug von Arbeitsentgelt (§ 15 Abs. 3 Satz 2 FELEG).
2. Die Leistungen sind keine Vorteile aus früheren Dienstleistungen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Es besteht kein Veranlassungszusammenhang zum früheren Dienstverhältnis.
Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind auch Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Die Einnahmen müssen dem Arbeitnehmer zwar nicht für eine gegenwärtige Tätigkeit zufließen, sie müssen jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen durch das (frühere) Dienstverhältnis veranlasst sein. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Die Leistungen erweisen sich nicht als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Klägers in dem beendeten Arbeitsverhältnis. Es handelt sich weder um rückständigen Arbeitslohn noch um sonstige Entlohnungen der früher geleisteten Arbeit. Ebenso wie das Ausgleichsgeld dienen die Leistungen vielmehr sozialpolitischen Zwecken. Derartige Subventionen stellen regelmäßig keinen Arbeitslohn dar (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 22, BStBl II 1993, 45). Dies ergibt sich aus der Zielsetzung des FELEG.
Ziel des FELEG ist die Marktentlastung bei Agrarprodukten durch Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit. Da die gewünschte vorzeitige Aufgabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens für die davon betroffenen Arbeitnehmer zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und damit insbesondere bei älteren Arbeitnehmern zu sozialen Härten führen kann, enthält das Gesetz u.a. Maßnahmen zu deren sozialer Absicherung (vgl. BTDrucks 11/2972, 11 und 12). Dies sind neben dem Ausgleichsgeld die Übernahme der Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und der Arbeitgeberanteile an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen durch den Bund. Das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben soll zu keiner Minderung der späteren Altersversorgung und der sonstigen sozialen Absicherung führen. Der tatsächliche Bezug von Ausgleichsgeld begründet den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, für deren Beitragsleistung der Bund ganz oder teilweise aufkommt. Diese Beitragsübernahme ist mit dem Sozialversicherungsschutz für Empfänger von Arbeitslosengeld vergleichbar (§ 3 Satz 1 Nr. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch --SGB VI--; § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V; § 20 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI; vgl. Küttner/Voelske, Personalbuch 2004, Arbeitslosengeld, Rz. 88 f.). Die insoweit von der Bundesagentur für Arbeit getragenen Beiträge stellen ebenfalls keinen Arbeitslohn dar.
3. Im Übrigen handelt es sich bei den strittigen Leistungen nicht um nachträgliche Zahlungen des Arbeitgebers, sondern eines Dritten. Zwar können auch (nachträgliche) Leistungen eines Dritten Arbeitslohn sein. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Zusammenhang zwischen Leistung und (früherem) Dienstverhältnis besteht (vgl. BFH-Urteile vom 21. Februar 2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496; vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323). Ein solcher Zusammenhang ist nicht gegeben, wenn die Zuwendungen auf einer eigenen unmittelbaren rechtlichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Dritten beruhen, die nicht eine zusätzliche Entlohnung bezweckt (BFH-Urteil vom 7. August 1987 VI R 53/84, BFHE 150, 555, BStBl II 1987, 822; Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 19 EStG Anm. 171; Küttner/Thomas, Personalbuch 2004, Arbeitsentgelt, Rz. 71; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 19 Rz. 37). Davon ist hier auszugehen. Mit der Zahlung der Beiträge kommt der Bund der gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 15 FELEG nach. Er handelt weder im Auftrag des ehemaligen Arbeitgebers noch erfüllt er damit eine von diesem begründete Schuld.
Ende der Entscheidung
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