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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: VI R 137/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 | |
EStG § 12 Nr. 1 |
Gründe:
I. Streitig ist, ob bei der Zusammenveranlagung der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zur Einkommensteuer 1995 Aufwendungen der Klägerin als vorab entstandene Werbungskosten zu beurteilen sind. Die Kläger sind Lehrer. Im Streitjahr befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub zur Betreuung ihres im September 1993 geborenen Kindes. Im August 1997 nahm sie ihre Berufstätigkeit wieder auf. Die Kläger machten bei Einnahmen der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 591 DM zuletzt Aufwendungen für Fachliteratur (475 DM), Kontoführung (30 DM), Besorgungsfahrten (50 DM) und ein häusliches Arbeitszimmer (4 465 DM) als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Aufwendungen als Kosten für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese mit dem Höchstbetrag von 900 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu.
Mit der nach erfolglosem Einspruch hiergegen erhobenen Klage trugen die Kläger vor, Steuerpflichtige müssten sich auch in Zeiten der Nichtbeschäftigung in ihrem erlernten und bisher ausgeübten Beruf weiterbilden. Sie --die Klägerin-- bereite sich auf ihren beruflichen Wiedereinstieg nach dem Erziehungsurlaub vor. Hierfür habe sie ein eigenes Arbeitszimmer benötigt. Neben ihrem Arbeitszimmer und dem des Klägers stehe noch ein Gästezimmer zur Verfügung. Da ihr Kleinkind in den ersten zwei Jahren --wie in vielen Familien üblich-- im Schlafzimmer geschlafen habe, sei das Gästezimmer nicht als Kinderzimmer benötigt worden. 1996 sei das Gästezimmer als Arbeitszimmer und ein bisher als Arbeitszimmer genutzter Raum als Kinderzimmer genutzt worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 939 veröffentlichten Gründen statt. Es führte im Wesentlichen aus, die streitbefangenen Aufwendungen stellten vorab entstandene Werbungskosten dar. Diese stünden in einem hinreichend klaren Zusammenhang mit der von der Klägerin nach Beendigung ihres Erziehungsurlaubs angestrebten und auch tatsächlich im August 1997 wieder begonnenen Tätigkeit als Lehrerin. Sie dienten dazu, das Wissen der Klägerin in ihrem erlernten und vor sowie nach dem Erziehungsurlaub ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu halten und sich auf ihren beruflichen Wiedereinstieg nach dem Erziehungsurlaub vorzubereiten. Auch der Höhe nach seien die geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang zu berücksichtigen. Zum einen sei das häusliche Arbeitszimmer anzuerkennen, weil die Kläger auch nach Abzug der beiden Arbeitszimmer nicht nur über eine ausreichende Wohnfläche (118 qm), sondern auch über einen als Kinderzimmer benutzbaren, zusätzlichen Raum verfügt hätten. Zum anderen seien auch die restlichen Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar. Sie seien vom FA, dem die Belege vorgelegen hätten, nicht substantiiert in Frage gestellt worden.
Mit der Revision rügt das FA einen Verstoß gegen § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend ermittelt und gewürdigt worden. Das FG habe die berufliche und private Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers nicht geprüft. Da sich die Klägerin im Erziehungsurlaub befunden habe, sei es wahrscheinlich, dass sie ihr Arbeitszimmer nur in geringem Umfang beruflich genutzt habe. Die möglicherweise erheblichen Zeiten, in denen ein Raum ungenutzt bleibe, sprächen zwar weder für noch gegen eine berufliche Nutzung. Jedoch falle eine private Mitbenutzung umso eher ins Gewicht, je geringer die berufliche Nutzung sei. Darüber hinaus stelle das angefochtene Urteil nicht auf den konkreten zeitlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer künftigen Einnahmeerzielung ab. Das FG sehe einen ausreichenden zeitlichen Zusammenhang bereits durch das Fortbestehen des Beamtenverhältnisses als gegeben an, obwohl noch nicht absehbar gewesen sei, wann der Erziehungsurlaub enden würde.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger treten der Revision entgegen.
II. Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Aufwendungen einer Steuerpflichtigen, die sich im Erziehungsurlaub befindet, können vorab entstandene Werbungskosten sein, sofern die Aufwendungen beruflich veranlasst sind. Sie müssen in einem hinreichend konkreten und objektiv feststellbaren Zusammenhang mit erwarteten steuerbaren Einnahmen stehen. Liegt ein solcher Veranlassungszusammenhang vor, hat der Werbungskostenabzug Vorrang vor dem Abzug als Sonderausgaben. Dies gilt auch im Fall der Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 2. Alternative EStG (vgl. zum Verhältnis der § 9 Abs. 1 EStG und § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFH/NV 2003, 1119, unter II. 1. d).
Für die Annahme vorab entstandener Werbungskosten reicht allerdings nicht die bloße Behauptung, dass bestimmte Aufwendungen aus beruflichem Anlass entstanden seien. Anders als bei Umschulungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen, bei denen sich regelmäßig bereits aus den Umständen der berufliche Zusammenhang plausibel ergibt, ist in Fällen wie dem vorliegenden erforderlich, dass der Steuerpflichtige die von ihm durchgeführten Tätigkeiten im Einzelnen konkretisiert, damit ein beruflicher Zusammenhang beurteilt werden kann.
2. Im Streitfall fehlen Tatsachenfeststellungen zu den einzelnen von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen. Eine abschließende Prüfung der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ein hinreichend konkreter Zusammenhang dieser Ausgaben mit künftigen Einnahmen besteht, ist vorliegend nicht möglich.
Angaben zu Art und Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers durch die Klägerin fehlen ebenso wie Feststellungen darüber, wie Arbeitsmittel (z.B. Fachliteratur) zu beruflichen Zwecken verwendet wurden. Dem FG ist auch nicht darin zu folgen, dass der Charakter als Arbeitsmittel zu unterstellen sei, weil das FA diesen nicht substantiiert in Frage gestellt habe, obwohl ihm im Verwaltungsverfahren Belege vorgelegen hätten. Vielmehr obliegt es dem FG, anhand vorgelegter Unterlagen eine eigene Überzeugung von der beruflichen Nutzung zu gewinnen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welchen beruflichen Bezug die geltend gemachten Kontoführungskosten und sog. Besorgungsfahrten gehabt haben. Die Sache ist nicht spruchreif; das Urteil war deshalb aufzuheben. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zur beruflichen Veranlassung der Aufwendungen im Einzelnen nachzuholen haben.
Ende der Entscheidung
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