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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.07.2000
Aktenzeichen: VI R 153/99
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
BUNDESFINANZHOF

1. Der Begriff der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG. Er ist nicht als "zu versteuerndes Einkommen" i.S. des § 2 Abs. 5 EStG oder als "Einkommen" i.S. des § 2 Abs. 4 EStG (Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen) zu verstehen.

2. Für den Veranlagungszeitraum 1997 entspricht der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit Einkünften und Bezügen von 12 000 DM sowohl nach der Art der gewählten Bemessungsgrundlage, als auch nach deren Höhe, verfassungsrechtlichen Anforderungen.

EStG § 32 Abs. 4 Satz 2

Urteil vom 21. Juli 2000 - VI R 153/99 -

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1999, 1137)


Gründe

I.

Das Arbeitsamt -Familienkasse- (Beklagter und Revisionskläger --Beklagter--) zahlte an die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die Sozialhilfe bezieht, für das Streitjahr 1997 zunächst --wie für das Vorjahr-- Kindergeld für ihren im April 1978 geborenen Sohn S, der sich während des gesamten Jahres 1997 in Berufsausbildung befand. Am 18. November 1997 legte die Klägerin dem Beklagten eine aktuelle Ausbildungsbescheinigung für S vor. Aus dieser ergab sich die Ausbildungsvergütung des S für die Monate Januar bis März 1997 mit monatlich 952 DM, für die Monate April bis Juli mit monatlich 976 DM und für die Monate ab August mit je 1 022 DM sowie das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld in Höhe von zusammen 2 242 DM. Der Beklagte ermittelte hieraus unter Berücksichtigung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags in Höhe von 2 000 DM Einkünfte des S in Höhe von 12 112 DM. Wegen Überschreitung des Grenzbetrages von 12 000 DM (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) hob er die Kindergeldfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf und forderte das für 1997 in Höhe von 2 640 DM gezahlte Kindergeld zurück.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, der Rückforderung des erhaltenen Kindergeldes stünden Gründe des Vertrauensschutzes entgegen. Sie habe regelmäßig Verdienstnachweise ihres Sohnes beim Beklagten eingereicht. Dieser hätte erkennen können, dass die Einkünfte des S im Jahre 1997 den Grenzbetrag von 12 000 DM überschreiten würden. Das für S gezahlte Kindergeld habe sie für dessen Lebensunterhalt verwendet. Von einer rückwirkenden Aufhebung des Kindergeldbescheides sei in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) abzusehen, da sie, die Klägerin, durch die Rückforderung im Nachhinein vermehrt sozialhilfebedürftig werde. Im Übrigen sei es ihr aufgrund ihrer eingeschränkten finanziellen Verhältnisse nicht möglich, das Kindergeld zurückzuzahlen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1137 veröffentlichten Gründen statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die streitige "Einkommensgrenze" von 12 000 DM sei nicht überschritten. Zwar spreche die gesetzliche Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur von "Einkünften und Bezügen", das Gericht sei aber der Auffassung, dass die Einkommensgrenze im Wege der teleologischen Analogie über den Wortlaut hinaus auf das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 32a Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 EStG zu beziehen sei. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung bleibe in Bezug auf die Bestimmung der Einkommensgrenze eindeutig hinter dem erklärten Gesetzeszweck zurück. Aus den Gesetzesmaterialien (Erste Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Jahressteuergesetz --JStG-- 1996, BTDrucks 13/1558, 139, 140) sei zu entnehmen, dass sich der Grenzbetrag von 12 000 DM in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG am einkommensteuerfreien Existenzminimum orientiere.

Der gesetzgeberische Plan, Kindergeld nur dann für volljährige Kinder zahlen zu wollen, wenn diese bedürftig seien, und die Kindergeld-Bedürfnisgrenze typisierend am einkommensteuerfreien Existenzminimum zu orientieren, sei unter Berücksichtigung der Vorgaben in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Familienexistenzminimum aus den Jahren 1990 und 1992 (Beschlüsse vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; vom 12. Juni 1990 1 BvL 72/86, BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664; vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413) sachgerecht (Hinweis auf BVerfG, Beschlüsse vom 10. November 1998 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 264, BStBl II 1999, 174, 180, und 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216, 233, BStBl II 1999, 182, 188). Der Gesetzeszweck sei auch insoweit durch den Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG umgesetzt worden, als der dort genannte Grenzbetrag in Höhe von 12 000 DM für 1996 und 1997 bis auf wenige DM dem Betrag des einkommensteuerfreien Existenzminimums, dem Grundfreibetrag für die Jahre 1996 und 1997, entspreche. Dies gelte auch für die Folgejahre 1998 bis 2002.

Dagegen bleibe der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hinter dem Gesetzeszweck insoweit zurück, als der Gesetzgeber statt von "zu versteuerndem Einkommen" nur von "Einkünften", also von einer rechnerischen Zwischengröße spreche. Da sich Gesetzesplan und umgesetzter Wortlaut nicht voll umfänglich deckten, bestehe eine gesetzgeberische Planwidrigkeit, eine Gesetzeslücke, die es zu schließen gelte. Unter Berücksichtigung des subjektiven Nettoprinzips (Abzug der existenznotwendigen Privatausgaben: Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) spiegele allein die Nettogröße "Einkommen" die wirtschaftliche Bedürftigkeit bzw. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wieder. Hingegen umfasse der Begriff "Einkünfte" zwar alle steuerlich relevanten Einnahmen, die die Leistungsfähigkeit erhöhten, nicht jedoch alle Ausgaben, die die Leistungsfähigkeit minderten. Die gesetzgeberische Typisierung dürfe nicht ganze Ausgaben-Einheiten, die im Kern Kosten der Existenzsicherung für die Zukunft und Mehrbedarf für die gegenwärtige Existenz darstellten, ausgrenzen. Zwar sei die Erweiterung der Bemessungsgrundlage um "Bezüge" sinnvoll, weil viele Kinder in Ausbildung staatliche Zuschüsse erhielten, die ihre Bedürftigkeit zum Teil oder ganz entfallen ließen. Die Erweiterung der Bemessungsgrundlage durch "Bezüge" erfordere jedoch die vollständige Berücksichtigung aller existenznotwendigen Ausgaben.

Im Wege der --zulässigen-- Gesetzesanalogie sei der Begriff "Einkünfte" im Sinne von "zu versteuerndem Einkommen" zu verstehen. Eines Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an das BVerfG bedürfe es nicht.

Im Streitfall sei von den Einkünften und Bezügen des S deshalb der Sonderausgaben-Pauschbetrag in Höhe von 108 DM (§ 10c Abs. 1 EStG) zusätzlich abzuziehen. Daneben seien weitere Sonderausgaben als Vorsorgepauschale nach § 10c Abs. 2 EStG in Höhe von 20 % des von S erzielten Arbeitslohns zu berücksichtigen. Diesen Betrag habe das Gericht mit 2 700 DM ermittelt. Von dem bisher vom Beklagten errechneten Betrag von 12 112 DM seien zusätzlich Sonderausgaben in Höhe von 2 818 DM abzuziehen. Damit ergebe sich ein eigenes Einkommen des S in Höhe von 9 294 DM, so dass der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht überschritten und folglich der Rückforderungsbescheid antragsgemäß aufzuheben sei.

Ob die von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und des bestimmungsgemäßen Verbrauchs des Kindergelds für die Entscheidung des Streitfalls von Bedeutung sein könnten, brauche nicht entschieden zu werden. Dahinstehen könne auch die Frage, ob eine Milderungsregelung dergestalt erforderlich sei, dass nur der Betrag, der die kindergeldschädliche Grenze überschreite, vom vollen Kindergeldbetrag abzuziehen sei, so dass ein gleitender Übergang geschaffen werde (kritisch zur starren Grenzziehung: Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 32 EStG Anm. 130, mit Hinweis auf BVerfGE 87, 153, 177, BStBl II 1993, 413; Paus, Finanz-Rundschau --FR-- 1996, 337, 339 f.; Kulmsee, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1998, 14, 23).

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Das angefochtene Urteil stehe --soweit der Begriff der Einkünfte in Rede stehe-- nicht im Einklang mit der zu dem gleichlautenden Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 2 Nr. 2 EStG 1965 und in § 33a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 EStG ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (BFH-Urteile vom 8. November 1972 VI R 257/71 BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143; vom 8. Mai 1992 III R 66/90, BFHE 167, 534, BStBl II 1992, 900; vom 6. April 1990 III R 131/85, BFHE 160, 490, BStBl II 1990, 885; vom 2. August 1974 VI R 148/71, BFHE 114, 37, BStBl II 1975, 139; vom 17. Oktober 1980 VI R 98/77 BFHE 132, 34, BStBl II 1981, 158, und vom 23. September 1980 VI R 53/79, BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92). Ein derartiger Grundbegriff des Einkommensteuerrechts dürfe in demselben Gesetz nicht in anderer Weise ausgelegt werden, wenn nicht zwingende Gründe eine andere Auslegung unausweichlich machten. Bei der Ermittlung der Einkünfte dürften weder Sonderausgaben noch außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Entgegen der vom FG vertretenen Auffassung enthalte § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG keine Regelungslücke, sondern sei klar und verbal eindeutig formuliert. Der Begriff der Einkünfte sei in § 2 Abs. 2 EStG definiert. Diese Anknüpfung an die Legaldefinition stehe im Einklang mit dem Gesetzesplan, dass steuerbare und nicht steuerbare zur Existenzdeckung geeignete oder bestimmte Zuflüsse an das Kind nach typisierender Bereinigung um Aufwendungen des Kindes zur Schaffung und Erhaltung des Zuflusses (Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben) erfasst werden sollten, um die Notwendigkeit eines Familienleistungsausgleichs bei den Eltern zu beurteilen. Für eine Gesetzesanalogie mit dem Ergebnis eines "Begriffsaustausches" sei kein Raum.

Im Kindergeld- bzw. Kinderfreibetragsrecht gehe es nicht um die direkte einkommensteuerliche Beurteilung der Kinder nach dem Grundsatz der steuerlichen Leistungsfähigkeit, sondern darum, ob die Kinder mangels eigenständiger Deckung ihres existentiellen Mindestbedarfs ihre Eltern unterhaltsmäßig belasteten und deshalb bei diesen ein Leistungsausgleich angebracht sei. Die Einkommensgrenze bei volljährigen Kindern sei deshalb als Ausschlusstatbestand nur hinsichtlich deren Berücksichtigungsfähigkeit und damit nur mittelbar für den Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag von Bedeutung. Im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Gestaltungsfreiheit habe dem Gesetzgeber deshalb bei der Bemessung und Ausgestaltung des Grenzbetrags ein größerer Spielraum zur Verfügung gestanden. Diesen habe er durch das Anknüpfen an den Begriff "Einkünfte" ausgenutzt, was sachgerecht und angemessen sei.

Das BVerfG habe in seinen Entscheidungen zum Kindergeld und Kinderfreibetrag keine konkreten Vorgaben gemacht, unter welchen Voraussetzungen volljährige Kinder nicht mehr bei ihren Eltern zu berücksichtigen seien. Ebenso wenig habe das BVerfG bestimmt, wann das Existenzminimum des Kindes durch eigene Einnahmen gedeckt und die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern deshalb nicht mehr beeinträchtigt sei. Die Vorgaben seien lediglich dahin gegangen, bei den Eltern die Bruttoeinnahmen in Höhe eines näher definierten Existenzminimums des Kindes von der Besteuerung zu verschonen. Der Gesetzgeber habe daher die Einkommensgrenze für volljährige Kinder durch den Begriff "Einkünfte" mit den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG enthaltenen weiteren Modalitäten in typisierender und verwaltungsvereinfachender Weise festlegen dürfen. Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben reduzierten die positiven Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten; dagegen gehörten Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen zu den Ausgaben privater Art, die nicht unbedingt existentiell notwendig seien. Im Rahmen der gebotenen Typisierung bei einer Massenverwaltung wie dem Kindergeldrecht müssten solche --auch stark gestaltungsfähigen-- Aufwendungen folglich außer Betracht bleiben.

Für das bis Ende 1995 geltende sozialrechtliche Kindergeld habe die Einkommensgrenze des § 2 Abs. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) noch auf reine Bruttoeinnahmen aus dem Ausbildungsverhältnis oder einer Erwerbstätigkeit abgestellt und keinerlei "Bereinigung um irgendwelche Aufwendungen des Kindes" vorgesehen. Mit der ab Januar 1996 geltenden Einkommensgrenze habe der Gesetzgeber eine sachgerechtere und verfassungsrechtlich stimmigere Regelung gegenüber der früheren Regelung des BKGG getroffen.

Die Vorinstanz habe mit dem angefochtenen Urteil gegen das Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen. Die Judikative sei an den eindeutigen Gesetzeswortlaut gebunden und nicht befugt, andersgeartete rechtspolitische Vorstellungen durch einen Austausch von Begriffen zu verwirklichen. Das FG hätte deshalb, wenn es von der Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überzeugt sei, einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss an das BVerfG erlassen müssen. Wäre dem vom FG vorgenommenen "Begriffstausch" zu folgen, stünde zudem zu erwarten, dass sich die über 18 Jahre alten Kinder und ihre Eltern umgehend "gestalterisch" betätigten, um die Einkommensgrenze zu unterlaufen und das Kindergeld, den Restnutzen aus dem Kinderfreibetrag und die Annex-Vergünstigungen zu erhalten. Dadurch würde eine enorme finanzielle Mehrbelastung von Bund, Ländern und Gemeinden eintreten.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Begriff der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 EStG. Er ist nicht als "zu versteuerndes Einkommen" i.S. des § 2 Abs. 5 EStG oder als "Einkommen" i.S. des § 2 Abs. 4 EStG (Gesamtbetrag der Einkünfte, vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen) zu verstehen.

a) Unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird für ein über 18 Jahre altes in Berufsausbildung befindliches Kind der Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 EStG) oder das Kindergeld (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG) gewährt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr hat. Diese Regelung entspricht, soweit der Grenzbetrag auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes abstellt, dem § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965. Danach war Voraussetzung für die Gewährung des Kinderfreibetrages, dass die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, im Veranlagungszeitraum nicht mehr als 7 200 DM betragen. Dazu hat der BFH im Urteil in BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143, 144 ausgeführt, bei der Auslegung des § 32 Abs. 2 Nr. 2 letzter Satz EStG 1965 sei der Begriff der Einkünfte mit dem in § 2 Abs. 4 EStG (jetzt § 2 Abs. 2 EStG) verwendeten Begriff gleichbedeutend. Ein derartiger Grundbegriff des Einkommensteuerrechts, der noch dazu in den §§ 4 bis 9 sowie 13 bis 24 EStG umfassend ausdrücklich im Gesetz selbst umschrieben werde, dürfe in demselben Gesetz nicht in anderer Weise ausgelegt werden, wenn nicht zwingende Gründe eine andere Auslegung unausweichlich machten. Daran ist auch für den Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 1996 festzuhalten.

b) Zudem entspricht diese Auslegung des Begriffs der "Einkünfte" in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der der "Einkünfte" i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG. Hierzu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, es handele sich dabei um die Einkünfte nach § 2 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 534, BStBl II 1992, 900; in BFHE 160, 490, BStBl II 1990, 885; in BFHE 114, 37, BStBl II 1975, 139; in BFHE 132, 34, BStBl II 1981, 158, und in BFHE 131, 486, BStBl II 1981, 92).

c) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien nicht der gesetzgeberische Wille entnehmen, dass bei der Bemessung des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG an das Einkommen i.S. des § 2 Abs. 4 EStG oder gar an das zu versteuernde Einkommen i.S. des § 2 Abs. 5 EStG anzuknüpfen sei.

aa) Die erste Beschlussempfehlung und der erste Bericht des federführenden Bundestags-Finanzausschusses ergeben kein einheitliches Bild. Die Einzelbegründung zu § 32 EStG weist lediglich darauf hin, dass Abs. 4 Sätze 2 bis 5 die neu eingeführte Grenze für eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes betreffe, bei deren Überschreitung der Kinderfreibetrag entfalle (BTDrucks 13/1558, 155). Konkretere Aussagen enthält der eigentliche Berichtsteil:

"Ab eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes von 12 000 DM sollen für über 18 Jahre alte Kinder sowohl der Kinderfreibetrag als auch das Kindergeld entfallen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass dieser Betrag in etwa dem steuerfreien Existenzminimum des Steuerpflichtigen im Rahmen des Einkommensteuertarifs entspricht. Der Ausschuss macht damit deutlich, dass der Betrag für die Unschädlichkeit der eigenen Einkünfte und Bezüge beim Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag bei künftigen Anpassungen des steuerfreien Existenzminimums entsprechend zu verändern ist" (BTDrucks 13/1558, 139 f.).

Die Aussage, der Grenzbetrag entspreche in etwa dem steuerfreien Existenzminimum des Steuerpflichtigen, könnte --bei isolierter Betrachtung-- die Auffassung der Vorinstanz stützen, zumal der Deutsche Bundestag zusätzlich folgenden Beschluss gefasst hat:

"Wird der Grundfreibetrag angehoben, wird die Grenze für eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes, bei deren Überschreitung das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag wegfallen, entsprechend erhöht" (s. BTDrucks 13/1558, 13).

bb) Entsprechend dem Wortlaut der BTDrucks 13/1558, 13, 139 f. erscheint es jedoch nahe liegender, dass der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG lediglich der Höhe nach mit dem Betrag des steuerfreien Existenzminimums eines alleinstehenden Erwachsenen übereinstimmen und in der Folge entsprechend angepasst werden sollte.

Diese Auffassung wird bestätigt durch die Einzelbegründung zu § 2 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 BKGG n.F. (BTDrucks 13/1558, 164):

"§ 2 Abs. 2 Satz 2 bis 5 regelt die Anrechnung eigenen Kindeseinkommens. Im Rahmen der dem Familienleistungsausgleich zugrunde liegenden Optionsmöglichkeit zwischen Kindergeld oder Kinderfreibetrag und der dadurch bedingten Rechtsharmonisierung gelten --in beiden Fällen-- die Einkünfte und Bezüge i.S. der §§ 2 Abs. 2 und 33a EStG als eigenes Kindeseinkommen. ...

Kinder, die über ein eigenes monatliches oder auf den Monat bezogenes Einkommen von 1 000 DM verfügen, belasten ihre Eltern wirtschaftlich nicht mehr in der Weise, dass diese daneben noch im Wege des Familienleistungsausgleichs entlastet zu werden brauchen. Der Einkommensgrenzbetrag orientiert sich an dem Betrag des einem erwachsenen Alleinstehenden steuerlich zu belassenden Existenzminimums, dessen Entwicklung auch im Kindergeldrecht nachzuvollziehen ist. ...

Die Einkommensgrenze wird auf monatliche Einkünfte und Bezüge von 1 000 DM angehoben. Im Verhältnis zur bisherigen Regelung steigt die Bruttogrenze von 760 DM auf rd. 1 166 DM und die Nettogrenze von 610 DM auf 1 000 DM." (Hervorhebungen durch den erkennenden Senat)

Unter Bruttobezügen i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG a.F. sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus dem Ausbildungsverhältnis oder der Erwerbstätigkeit zu verstehen, d.h. Arbeitsentgelt, während unter Nettobezügen Lohnersatzleistungen oder Ausbildungshilfen in Form von Zuschüssen zu verstehen sind; der Unterschied im Hinblick auf die Höhe (750 DM bzw. 610 DM) resultiert daraus, dass es sich in Satz 2 um einen Nettowert handelt, der dem Bruttowert des Satzes 1 entsprechen soll (I.E. Wickenhagen/Krebs, § 2 BKGG Rz. 192 und 212). Die in der Gesetzesbegründung zum Vergleich herangezogenen "Nettobezüge" dürften damit dem steuerlichen Begriff der Einkünfte und Bezüge in etwa entsprechen.

cc) Für eine Auslegung des Begriffs der Einkünfte i.S. des § 32 Abs 4 Satz 2 EStG entgegen der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 2 EStG ergeben sich somit bei vollständiger Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien keine hinreichenden Anhaltspunkte. Für die von der Vorinstanz vorgenommene "teleologische Analogie" ist kein Raum. Eine analoge Gesetzesanwendung setzt das Bestehen einer Regelungslücke voraus. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bemisst den Grenzbetrag jedoch nach den Einkünften und Bezügen des Kindes, so dass insoweit keine Regelungslücke besteht.

2. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist in dieser Auslegung des Begriffs der Einkünfte verfassungsgemäß. Für den Veranlagungszeitraum 1997 entspricht der Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit Einkünften und Bezügen von 12 000 DM sowohl nach der Art der gewählten Bemessungsgrundlage, als auch nach deren Höhe, verfassungsrechtlichen Anforderungen.

a) Art. 6 Abs. 1 GG gebietet, bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen. Dabei bildet das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über- aber nicht unterschritten werden darf. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muss er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen. Bei der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung der existenznotwendigen Mindestaufwendungen für den Kindesunterhalt sind aber keine einzelfallbedingten Besonderheiten tatbestandlich aufzunehmen und ggf. zu typisieren; vielmehr ist ein für alle gleicher Bedarf in den einkommensteuerlichen Bedarfstatbeständen aufzunehmen. Eine altersspezifische und gebietsspezifische Staffelung des Kinderfreibetrages ist nicht zwingend (vgl. Beschluss des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, 115, BStBl II 1994, 909, 915). Der Einkommensteuertarif findet in seinem gesetzlich bestimmten progressiven Verlauf Anwendung nur auf das besteuerbare Einkommen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die Bemessungsgrundlage muss um das steuerliche Existenzminimum gemindert werden und steht deshalb für eine einkommensteuerliche Belastung in der jeweils gesetzlich bestimmten Höhe --sei es zum Eingangs-, sei es zum Spitzensteuersatz-- nicht zur Verfügung (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 99, 246, 264, BStBl II 1999, 174, 180).

b) Zweck der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist die Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern und nicht die des Kindes. Der Grenzbetrag ist Maßstab für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kindes nur insoweit, als er diejenigen Eltern von der Gewährung des Kinderfreibetrags und des Kindergeldes ausschließt, deren Kind über Einkünfte und Bezüge in einer den Grenzbetrag übersteigenden Höhe verfügt. Das ist Ausdruck der horizontalen Besteuerungsgleichheit. Übersteigen die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag, sind die Eltern durch das Kind nicht (mehr) belastet und deshalb in gleicher Weise wie ein kinderloses Ehepaar steuerlich leistungsfähig.

c) Die Berücksichtigung eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes im Rahmen des § 32 Abs. 4 EStG stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG dar. Derartige Einkünfte und Bezüge des Kindes führen zu einer Minderung oder einem Wegfall der Bedürftigkeit i.S. des § 1602 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), so dass der Unterhaltspflichtige eine Herabsetzung der Unterhaltshöhe verlangen kann oder eine Unterhaltspflicht überhaupt entfällt (vgl. Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 33a, Rdnr. B 39 unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 23. Juli 1963 1 BvR 277/63, Der Betrieb --DB-- 1964, 279).

d) Anhaltspunkte dafür, welchen Bedarf des Kindes der Grenzbetrag abdecken muss, ergeben sich aus der Rechtsprechung des BVerfG zu der Bemessung des Kinder- und des Ausbildungsfreibetrags.

aa) Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zum Familienleistungsausgleich (BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; BVerfGE 82, 198, BStBl II 1990, 664; BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174; Beschlüsse vom 10. November 1998 2 BvR 1220/93, BVerfGE 99, 268, BStBl II 1999, 193, und 2 BvR 1852, 1853/97, BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194) im Einzelnen dargelegt, dass bei der Besteuerung der Familie mindestens das nach sozialhilferechtlichen Kriterien zu ermittelnde Existenzminimum des Kindes steuerfrei zu stellen ist. Die diesbezüglich angestellten Berechnungen bezogen sich indes auf das nach sozialrechtlichen Maßstäben ermittelte Existenzminimum von Kindern im Alter von bis zu 18 Jahren. Der durchschnittliche Regelsatz für ein Kind ist als gewichteter Durchschnitt der nach Alter gestaffelten Regelsätze für Kinder errechnet worden; d.h. es wurde ein Durchschnitt gebildet aus dem Bedarf von Kindern, die je einem Jahrgang von unter 1 Jahr bis unter 18 Jahren angehören (vgl. dazu auch die Berechnungsmethode in den Berichten der Bundesregierung (BReg) über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 1996 und das Jahr 1999, BTDrucks 13/381 und 13/9561, jeweils S. 2).

Das BVerfG hat bezüglich der Höhe des Kinderfreibetrags nicht danach differenziert, ob das Kind das 18. Lebensjahr überschritten hat, sondern insoweit den nach dem Bedarf für Kinder unter 18 Jahren ermittelten Kinderfreibetrag zugrunde gelegt (vgl. Beschluss in BVerfGE 91, 93, 97, BStBl II 1994, 909, 910, 914, unter A. III. 1. und C. II. 1. c).

bb) Unter Anwendung dieser Berechnungsmethode ist die Höhe des Kinderfreibetrags, der sich für das Streitjahr 1997 auf 6 912 DM (und für das Jahr 1996 auf 6264 DM) belief, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der sozialhilferechtliche Mindestbedarf als Minimalgrenze auch für das steuerliche Existenzminimum errechnet sich für 1999 bzw. für 1996 (Werte für 1996 jeweils in Klammern) aus dem Sozialhilferegelsatz für Kinder unter 18 Jahren in Höhe von 4 284 DM (4 108 DM), einmaligen Leistungen in Höhe von 852 DM (781 DM), einem Mietmehrbedarf in Höhe von 1 296 DM (1 169 DM) sowie Heizkosten in Höhe von 264 DM (233 DM) für jedes Kind. Hieraus resultiert ein Monatsbedarf in Höhe von 558 DM (524 DM) --vgl. dazu BTDrucks 13/9561, 4 sowie BTDrucks 13/381, 4--. Der Kinderfreibetrag in Höhe von 576 DM monatlich für den Veranlagungszeitraum 1997 ist danach insoweit ausreichend, als er das sächliche Existenzminimum des Kindes abdeckt (vgl. Jachmann in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 32 Rdnr. A 56; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 19. Aufl., § 32 Rz. 3).

e) Die Kinder, auf deren Einkünfte und Bezüge der Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Anwendung findet, sind jedoch über 18 Jahre alt und befinden sich --abgesehen von den arbeitslosen Kindern nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG-- ganz überwiegend in Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG). Eine beträchtliche Anzahl der in Berufsausbildung befindlichen über 18 Jahre alten Kinder ist auswärtig untergebracht, sodass es an der gemeinsamen Wirtschaftsführung mit den Eltern fehlt (vgl. Beschluss des BVerfG vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346, 356, BStBl II 1994, 307, 311).

Da der Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht danach differenziert, ob das Kind auswärtig untergebracht ist oder nicht, muss bei der Bemessung des Grenzbetrags auch der existenznotwendige Bedarf der auswärtig untergebrachten Kinder hinreichende Berücksichtigung finden. Daraus folgt, dass --in Bezug auf den Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG-- für den Bedarf der über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen, gegebenenfalls auswärtig untergebrachten Kinder nicht nur das sächliche Kinderexistenzminimum des § 32 Abs. 6 EStG angesetzt werden kann. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der den Eltern durch die Berufsausbildung ihrer über 18 Jahre alten Kinder bei auswärtiger Unterbringung entstehende Mehraufwand durch den Ausbildungsfreibetrag des § 33a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt wird. Der Ausbildungsfreibetrag steht den Eltern nach § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG nur dann zu, wenn sie für ihr Kind den Kinderfreibetrag erhalten. Überschreiten jedoch die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, hat dies zur Folge, dass den Eltern bereits der Kinderfreibetrag oder das Kindergeld nicht zusteht und demzufolge auch nicht der Ausbildungsfreibetrag.

f) Allerdings ist es --in Bezug auf die Bemessung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG-- von Verfassungs wegen auch nicht geboten, das Existenzminimum eines alleinstehenden Erwachsenen anzusetzen, das dem Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG entspricht. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG mit dem darin enthaltenen Grenzbetrag regelt die Besteuerung der Eltern und nicht die des Kindes.

aa) Ausgangspunkt der Ermittlung des existenznotwendigen Bedarfs eines über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen und auswärtig untergebrachten Kindes sind jedoch die sozialhilferechtlichen Regelsätze, die für Alleinstehende gelten. In seinem die Höhe des Ausbildungsfreibetrags betreffenden Beschluss in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307 hat das BVerfG ausgeführt, bei der Berechnung des existenznotwendigen Bedarfs eines in Ausbildung befindlichen über 18 Jahre alten auswärtig untergebrachten Kindes sei der Eckregelsatz eines Alleinstehenden zuzüglich der Einmalbeihilfen und der Wohnungskosten in Höhe der untersten Grenze des § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines Heizungszuschlags in Höhe von 20 % anzusetzen. Dagegen könnten die Regelsätze des Sozialhilferechts bei der Bemessung der Wohnungskosten nicht herangezogen werden, weil § 3 Abs. 1 der Regelsatzverordnung davon ausgehe, dass die Kosten der Unterkunft grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen übernommen werden müssten. Da es jedoch um die unerlässlichen Ausgaben gehe und weil junge Menschen, die sich in Ausbildung befänden, ihre Wohnungskosten durch das Eingehen von Untermietverhältnissen oder die Bildung von Wohngemeinschaften geringer halten könnten, sei die unterste Grenze nach § 8 WoGG anzunehmen.

bb) Auf der Grundlage des Berichts der BReg über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien vom Jahr 1996 (BTDrucks 13/381) errechnet sich ein --im Rahmen des Grenzbetrags zu berücksichtigender-- existenznotwendiger Bedarf der betreffenden Kinder in Höhe von 872,40 DM im Monat und 10 468,80 DM im Jahr.

Dieser Bedarf ergibt sich anhand der folgenden, für das Jahr 1996 vorgenommenen, auf das Streitjahr 1997 zu übertragenden Berechnung:

Eckregelsatz für Alleinstehende im Bundesdurchschnitt monatlich

529,00 DM (für 1996)

Zuschlag für Einmalbeihilfen Einmalbeihilfen jährlich 953 DM

79,40 DM monatlich

Wohnungskosten monatlich (unterste Grenze nach § 8 WoGG)

220,00 DM monatlich

Heizungszuschlag (daraus 20 %)

44,00 DM monatlich

insgesamt:

872,40 DM monatlich

10 468,80 DM jährlich

Der Unterschiedsbetrag zwischen den 10 468 DM und dem für 1996 für ein Kind steuerfrei gestellten Kinderfreibetrag in Höhe von 6 264 DM beläuft sich mithin auf 4 204 DM und entspricht damit dem Ausbildungs-Freibetrag des § 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG .

g) Ob im Rahmen der Bemessung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der --über das sächliche Existenzminimum des minderjährigen zum Haushalt der Eltern gehörenden Kindes-- hinausgehende Mehrbedarf des über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen auswärtig untergebrachten Kindes in voller Höhe oder nur hälftig anzusetzen ist, erscheint allerdings nach der Rechtsprechung des BVerfG noch nicht abschließend geklärt.

aa) Der Zweite Senat des BVerfG, der nach dem Beschluss des Plenums des BVerfG gemäß § 14 Abs. 4 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) vom 15. November 1993 (BGBl I, 2492) mit Wirkung vom 1. Januar 1994 für neu anhängig werdende Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerden aus dem Rechtsbereich des Einkommensteuerrechts allein zuständig ist, hat in seiner Entscheidung zum Kinderfreibetrag für 1987 (BVerfGE 99, 246, 263, BStBl II 1999, 174, 180) hervorgehoben, dass bei der Besteuerung der Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder in vollem Umfang steuerfrei zu belassen sei. Daraus könnte zu folgern sein, dass bei der Bemessung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der gesamte Bedarf eines über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen Kindes unter Berücksichtigung der bei auswärtiger Unterbringung anfallenden unerlässlichen Wohnungs- und Heizungskosten anzusetzen ist.

bb) Dagegen hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Beschluss zur Höhe des Ausbildungsfreibetrags in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307 die Auffassung vertreten, im Steuerrecht müssten Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern, insbesondere für deren auswärtige Unterbringung, von Verfassungs wegen nicht genauso behandelt werden wie Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums. Wähle der Gesetzgeber den Weg der einkommensteuerlichen Absetzbarkeit solcher Aufwendungen, so liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls noch nicht vor, wenn er die Absetzbarkeit der üblicherweise anfallenden Kosten auf die Hälfte begrenze. Ausgaben dieser Art unterschieden sich von solchen Unterhaltsleistungen, die der Sicherung des Existenzminimums des Kindes dienten, dadurch, dass sie nicht mit der gleichen Zwangsläufigkeit entstünden. Sie seien für die Familie auch nicht "verloren", sondern stellten --zumindest auf längere Sicht-- Investitionen der Eltern in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunft ihrer Kinder dar. Der Beitrag der Eltern zur beruflichen Ausbildung ihrer Kinder komme der Familie als ganzer zu Gute und könne deshalb nicht als "verlorener" Zuschuss betrachtet werden. Diese Ausführungen könnten dafür sprechen, dass der über das sächliche Existenzminimum hinausgehende Mehrbedarf des über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen auswärtig untergebrachten Kindes von Verfassungs wegen nicht in voller Höhe (4 200 DM), sondern nur zur Hälfte (2 100 DM) in die Bemessung des Grenzbetrags einzustellen ist. Dies ergäbe für den Veranlagungszeitraum 1997 einen Betrag in Höhe von 9 012 DM (Kinderfreibetrag 1997 6 912 DM zuzüglich 2 100 DM).

Ob der Betrag von 9 012 DM oder der in Höhe von 10 468 DM bei der Bemessung des Grenzbetrags zugrunde zu legen ist, kann jedoch --wie im Folgenden ausgeführt-- dahinstehen.

h) In Bezug auf beide Beträge ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie entsprechende Finanzmittel erfordern, die dem Kind von seinen Einkünften verbleiben.

aa) Stellt der Gesetzgeber --wie in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG-- hinsichtlich des Grenzbetrags auf die Einkünfte und Bezüge des Kindes ab, muss dieser Grenzbetrag so bemessen sein, dass dem Kind nach Abzug der nicht vermeidbaren Sonderausgaben in dem von der Verfassung vorgegebenen Umfang noch ausreichende Mittel verbleiben, um seinen existenznotwendigen Bedarf zu decken. Ein Kind, das sich in einem Ausbildungsverhältnis befindet, kann sich den Beitragszahlungen zur gesetzlichen Sozialversicherung nicht entziehen, so dass ihm diese Mittel nicht für die Bestreitung seines existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung stehen. Bei der Gruppe der Auszubildenden, die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zahlen, handelt es sich im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht um eine derartig geringe Anzahl von Betroffenen, dass sie bei typisierender Betrachtung vernachlässigt werden könnte. Die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung) belaufen sich bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 14 000 DM, die unter Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags in Höhe von 2 000 DM zu Einkünften in Höhe des Grenzbetrags von 12 000 DM führen, entsprechend der Vorsorgepauschale des § 10c Abs. 2 EStG auf 2 800 DM (20 % von 14 000 DM).

bb) Von Verfassungs wegen ist es dagegen nicht geboten, den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG unter pauschalierender Berücksichtigung sämtlicher Sonderausgaben nach § 10 EStG zu bemessen. Andere Sonderausgaben als die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung entstehen dem Kind nicht mit derselben Zwangsläufigkeit. Sie eröffnen dem Kind und seinen Eltern zudem Gestaltungsspielräume. Durch vertragliche Gestaltungen (z.B. den Abschluss von Lebensversicherungsverträgen) könnten sie Sonderausgaben in einer Höhe entstehen lassen, aufgrund derer der Grenzbetrag unterschritten wäre. Dies würde zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen.

cc) Bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtung im Rahmen der Bemessung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind außergewöhnliche Belastungen des Kindes ebenfalls außer Acht zu lassen. Der Gesetzgeber kann sich am Regelfall orientieren (vgl. BVerfGE 99, 246, 264, BStBl II 1999, 174, 180; Beschlüsse vom 30. Mai 1990 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126, 151, und vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, 6) und muss diese --bereits der Bezeichnung nach-- außergewöhnlichen Umstände nicht durch einen für alle Kinder geltenden Zuschlag bei der Bemessung des Grenzbetrags berücksichtigen.

i) Zieht man aus der Rechtsprechung des Ersten Senats des BVerfG die Folgerung, dass der über den Kinderfreibetrag von 6 912 DM hinausgehende Mehrbedarf des über 18 Jahre alten in Ausbildung befindlichen auswärtig untergebrachten Kindes nur zur Hälfte (2 100 DM) bei der Bemessung des Grenzbetrags zu berücksichtigen sei, reicht dieser aus, selbst wenn man typisierend Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung in Höhe der Vorsorgepauschale --ausgehend von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von 14 000 DM-- in vollem Umfang (2 800 DM) ansetzen würde. Insgesamt ergäbe sich dann ein Betrag in Höhe von 11 812 DM (6 912 DM + 2 100 DM + 2 800 DM), der den Grenzbetrag von 12 000 DM nicht überschreitet. Legt man dagegen bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des Grenzbetrags als existenznotwendigen Bedarf des über 18 Jahre alten in Berufsausbildung befindlichen auswärtig untergebrachten Kindes den anhand der Daten für 1996 ermittelten Betrag von 10 468 DM zugrunde, wäre der Grenzbetrag von 12 000 DM überschritten, falls typisierend Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung in voller Höhe mit 2 800 DM anzusetzen wären. Dies ist jedoch von Verfassungs wegen nicht geboten.

j) Darüber, ob und wenn ja, in welcher Höhe Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung bei der Bemessung des die Besteuerung der Eltern regelnden Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusetzen sind, enthält die Rechtsprechung des BVerfG --soweit ersichtlich-- keine Aussage.

aa) Der Rechtsprechung des Zweiten Senats des BVerfG zur Höhe der Kinderfreibeträge ist nicht zu entnehmen, dass bei der Ermittlung des steuerlichen Existenzminimums des Kindes nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sogenannte kindbedingte Vorsorgeaufwendungen (vgl. dazu die Ausführungen im Beschluss des BFH vom 16. Juli 1993 III R 206/90, BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755 unter B. II. 3.) bei den Eltern zu berücksichtigen sind. Nähere Aussagen dazu sind allerdings in dem auf die Vorlage des III. Senats des BFH ergangenen Beschluss des BVerfG in BVerfGE 99, 246, BStBl II 1999, 174 nicht enthalten.

bb) Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass bei den in Ausbildung befindlichen über 18 Jahre alten Kindern Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in einem der Vorsorgepauschale entsprechenden Umfang nur bei Auszubildenden, nicht aber bei Studenten anfallen, für die gesetzliche Beitragspflichten nicht in gleichem Umfang bestehen. Erzielt das in Ausbildung befindliche Kind schließlich (auch) Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte, fallen Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung insoweit überhaupt nicht an. Bei der Gruppe der Auszubildenden belaufen sich die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung schließlich nur bei Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 14 000 DM entsprechend der Vorsorgepauschale auf 2 800 DM (20 % von 14 000 DM). Bei geringeren Einnahmen sind auch die Beiträge entsprechend geringer. Da es sich bei der Gruppe der Auszubildenden im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG jedoch um eine große Gruppe handelt, erscheint es fraglich, ob nach den vom BVerfG konkretisierten Grundsätzen über eine verfassungsrechtlich zulässige Pauschalierung und Typisierung (vgl. BVerfGE 96, 1, 6; BVerfGE 99, 246, 264; Beschluss vom 15. Juli 1998 1 BvR 1654/89, 963, 964/94, BVerfGE 98, 365, 385; Urteil vom 28. April 1999 1 BvL 11/94, 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, 138, 175) ein alle Gruppen von in Berufsausbildung befindlichen Kindern berücksichtigender Durchschnittswert angesetzt werden darf.

cc) Die in dem Beschluss des Ersten Senats des BVerfG zum Ausbildungsfreibetrag in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307 enthaltenen Ausführungen, Aufwendungen der Eltern für die Berufsausbildung ihrer Kinder kämen der Familie als solcher zu Gute, so dass der Gesetzgeber sie nur zur Hälfte zum Steuerabzug zulassen könne, könnten darauf hindeuten, dass --bei der Bemessung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG-- Gleiches auch für die Beiträge des Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung anzunehmen ist. Zumindest die Beiträge zur Renten-, Kranken- und zur Pflegeversicherung kommen nicht allein dem Kind zu Gute, das entsprechende Rentenansprüche und einen Versicherungsschutz in der Kranken- und in der Pflegeversicherung erwirbt, sondern auch der Familie insgesamt. Die Beiträge zur Rentenversicherung sind auch Ausdruck des sogenannten Generationenvertrags, wonach die heutigen Beitragszahler für die Rentenansprüche der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen ehemaligen Beitragszahler aufzukommen haben. Ähnliches gilt für die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung. Diese dienen zwar in erster Linie der Absicherung des Kindes gegen die finanziellen Folgen einer Erkrankung, bzw. gegen das Pflegerisiko. Darüber hinaus kommen sie jedoch der Gemeinschaft der Versicherten in dem Sinne zu Gute, dass daraus auch die Versicherungsleistungen für die Familien gezahlt werden, deren Beitragslast sich --unabhängig von der Zahl der Familienmitglieder-- allein nach der Höhe der sozialversicherungspflichtigen Einkünfte der Eltern richtet. Aufgrund dessen erscheint es von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der Bemessung des Grenzbetrags Beiträge des in Berufsausbildung befindlichen Kindes zur gesetzlichen Sozialversicherung zu mehr als der Hälfte zu berücksichtigen. Ausgehend von einer im Wege der Pauschalierung anzusetzenden Vorsorgepauschale in Höhe von 2 800 DM ergibt sich damit ein Betrag von 1 400 DM. Wird dieser zu dem Betrag von 10 468,80 DM hinzugerechnet, so ergibt sich ein Betrag in Höhe von 11 868 DM, so dass der Grenzbetrag von 12 000 DM ebenfalls nicht überschritten ist.

dd) Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese Berechnungen auf den Daten für 1996 beruhen, im Streitfall jedoch das Jahr 1997 betroffen ist. Zwar ist der Kinderfreibetrag in Höhe von 6 264 DM für 1996 auf 6 912 DM für 1997 und damit um 648 DM erhöht worden, das nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen ermittelte sächliche Kinderexistenzminimum ist jedoch von monatlich 524 DM für 1996 lediglich um 34 DM auf monatlich 558 DM für 1999 angestiegen (vgl. die Daten in den Berichten der BReg über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für die Jahre 1996 und 1999, BTDrucks 13/381 und 13/9561). Der Grundfreibetrag in Höhe von 12 095 DM für 1996 ist ebenfalls nur auf 12 365 DM für 1997 und damit um 270 DM erhöht worden, so dass der Betrag von 11 868 DM, hochgerechnet auf das Jahr 1997, jedenfalls in etwa dem Grenzbetrag von 12 000 DM i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht.

k) Dahingestellt bleiben kann schließlich die Frage, ob bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG im Streitfall deshalb ein weniger strenger verfassungsrechtlicher Maßstab anzulegen ist, weil die Klägerin Sozialhilfe bezieht. Da sie dementsprechend keine Einkommensteuer zahlt, ist das Kindergeld bei ihr nicht, auch nicht zum Teil, zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bzw. der Familie erforderlich, sondern dient durch die Gewährung einer Steuervergütung (§ 31 Satz 2 EStG) in voller Höhe der Förderung der Familie. Dass das Kindergeld bei denjenigen Eltern, die Einkünfte erzielen, der Freistellung des Existenzminimums des Kindes dient, dürfte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht von Belang sein. Selbst bei der Anwendung eines strengeren Maßstabes erweist sich die Bemessung des Grenzbetrags nach der vom Gesetzgeber gewählten Bemessungsgrundlage und deren Höhe als verfassungsgemäß.

3. Dass der Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Freigrenze und nicht als Freibetrag ausgestaltet ist, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Die Ausgestaltung des Grenzbetrags i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Freigrenze hat zwar zur Folge, dass Eltern, deren Kind mit seinen Einkünften und Bezügen den Grenzbetrag um 1 DM überschreitet, kein Kindergeld erhalten und ihnen auch nicht der Kinderfreibetrag zusteht. Dagegen erhalten Eltern, deren Kind über 1 DM geringere Einkünfte und Bezüge verfügt, den vollen Kindergeldbetrag von 2 640 DM im Jahre 1997 bzw. den vollen Kinderfreibetrag in Höhe von 6 912 DM. Entgegen der Auffassung von Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach (a.a.O., § 32 EStG Anm. 130) ist darin jedoch kein gleichheitswidriger Progressionssprung zu sehen, der dem Prinzip des gleichmäßigen Belastungsanstiegs (vgl. dazu Beschluss des BVerfG in BVerfGE 87, 153, 170, BStBl II 1993, 413, 420) widerspricht.

b) Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes wird nach § 31 Satz 1 EStG durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt. Soweit das Kindergeld für die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG). Angesichts dessen hätte ein gleitender Übergang bei der Berücksichtigung eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes bereits wesentlich unter dem gesetzlich aufgestellten Grenzbetrag beginnen und mit Erreichen dieser Grenze auslaufen können (vgl. Blümich/Stäuber, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 32 EStG Rz. 51 d). Verfügt das Kind über Einkünfte und Bezüge in Höhe des Grenzbetrags von 12 000 DM, ist das Kindergeld und auch der Kinderfreibetrag zur Freistellung des existenznotwendigen Bedarfs des Kindes bei den Eltern nicht erforderlich. Das Kind verfügt in diesem Fall über ausreichende eigene Mittel, durch die es seinen Bedarf in einem den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Umfang decken kann; das Kindergeld und der Kinderfreibetrag dienen in vollem Umfang der Förderung der Familie. Daraus folgt, dass in Bezug auf den als Freigrenze ausgestalteten Grenzbetrag i.S. des § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen über einen gleichmäßigen Belastungsanstieg und die Vermeidung gleichheitswidriger Progressionssprünge Anwendung finden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG als Freigrenze auszugestalten und Eltern, deren Kind mit seinen Einkünften und Bezügen den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreitet, nicht mehr zu fördern, erscheint im Hinblick auf den damit verfolgten Typisierungs- und Vereinfachungszweck weder unverhältnismäßig, noch offensichtlich fehlsam (vgl. Beschluss des BVerfG vom 2. August 1990 1 BvR 1431/86, Sozialrecht --SozR-- 3 - 5870 § 2 Nr. 9 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG a.F.).

Bei einer gleitenden Übergangsregelung durch einen Freibetrag ergäbe sich ein erheblicher Verwaltungsmehraufwand, da bei Einkünften und Bezügen des Kindes über dem Grenzbetrag jeweils deren genaue Höhe festgestellt und bei der Berechnung des verbleibenden Kindergeldanspruchs der Eltern mit deren individuellen Steuersatz umgerechnet werden müsste.

4. Da die Einkünfte des S sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz auf 12 112 DM belaufen, ist der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung überschritten. Der Beklagte war auch befugt, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben und das für 1997 an die Klägerin gezahlte Kindergeld in Höhe von 2 640 DM zurückzufordern. Erst aufgrund der Ausbildungsbescheinigung vom 13. November 1997 konnte der Beklagte die Überschreitung des Grenzbetrags feststellen. Die von der Klägerin gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung geltend gemachten Gründe des Vertrauensschutzes greifen nicht durch. Die Anwendung des § 48 SGB X auf das einkommensteuerliche Kindergeld scheidet aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231; vom 14. Juli 1999 VI B 89/99, BFH/NV 1999, 1597).

Ende der Entscheidung

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