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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: VI R 16/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3b
EStG § 38 Abs. 3 S. 1
EStG § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Bäckerei. Gebacken wird ausschließlich in den Nachtstunden. Die regelmäßige Arbeitszeit der beiden neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer beschäftigten Arbeitnehmer betrug in den Streitjahren (2002 bis 2004) 38,5 Stunden. Zu arbeiten war dienstags bis freitags von 0:30 Uhr bis 8:30 Uhr bzw. 6:30 Uhr (freitags) und in der Nacht vom Freitag zum Samstag von 22:00 Uhr bis 6:30 Uhr. Die Klägerin zahlte den Arbeitnehmern monatlich neben dem Bruttoarbeitslohn Nachtarbeitszuschläge in Höhe von 251 EUR bzw. 217 EUR. Auf den Gehaltsabrechnungen waren diese separat ausgewiesen.

Die Klägerin hat für die Nachtarbeitszuschläge keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorlagen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung hingegen von der Steuerpflicht der Zuschläge aus und nahm die Klägerin deshalb in Haftung.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1012 veröffentlichten Gründen statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht die Steuerfreiheit der gezahlten Zuschläge gemäß § 3b EStG bejaht.

1.

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Die Nachtarbeitszuschläge führten nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn. Deshalb war die Klägerin nicht verpflichtet, insoweit Lohnsteuer einzubehalten.

2.

Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht; er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Nachtarbeit ist die Arbeit in der Zeit von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr (§ 3b Abs. 2 Satz 2 EStG). Durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen gewährt werden, die mit dieser Arbeit verbunden sind (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Mai 2009 VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730, m.w.N.).

a)

Die Steuerbefreiung tritt nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für --was hier nur in Frage kommt-- tatsächlich geleistete Nachtarbeit gezahlt worden sind. Sie setzt deshalb nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden zur Nachtzeit voraus. Dadurch soll von vornherein gewährleistet sein, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen.

b)

Pauschale Zuschläge, die dem Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Nachtarbeit gezahlt werden, sind nur dann und insoweit steuerfrei, als sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Stunden zu diesen Zeiten entsprechen; die Zuschläge sind jeweils vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis zu errechnen. Dabei ist für die Ermittlung der im Einzelnen nachzuweisenden Zuschläge auf das Kalenderjahr oder, im Fall des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, auf den Zeitraum vom Beginn des Kalenderjahres bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis abzustellen. Stimmt die Summe der Pauschalzahlungen mit der Summe der für den in Betracht kommenden Zeitraum ermittelten steuerfreien Zuschläge nicht überein und hat der Arbeitnehmer weniger zuschlagspflichtige Stunden geleistet, als durch die Pauschalzahlungen abgegolten sind, so ist die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteile vom 28. November 1990 VI R 90/87, BFHE 163, 73, BStBl II 1991, 293; vom 25. März 1988 VI R 20/84, BFH/NV 1988, 496; vom 23. Oktober 1992 VI R 55/91, BFHE 169, 515, BStBl II 1993, 314; s. auch BFH-Urteil vom 25. Mai 2005 IX R 72/02, BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725).

3.

Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze hat die Klägerin die Zuschläge für Nachtarbeit zu Recht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen und das FG ohne Rechtsverstoß die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für gegeben erachtet.

Nach den Feststellungen des FG, die vom FA nicht angegriffen wurden und an die der Senat daher gebunden ist, sind die Zuschläge neben dem Grundlohn bezogen worden. Diese waren danach nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch nachts geleistete Tätigkeit (s. dazu Moritz in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 3b EStG Rz 21).

Das FG hat ferner bindend festgestellt, dass die Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit gezahlt worden sind. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen, dass die lediglich pauschal gezahlten Zuschläge vereinbarungsgemäß als Abschlagszahlungen geleistet wurden.

Die Klägerin hat zwar keine Einzelabrechnung bis zum jährlichen Abschluss des Lohnkontos vorgenommen, obwohl eine solche Abrechnung grundsätzlich unverzichtbar ist (BFH-Entscheidungen in BFHE 169, 515, BStBl II 1993, 314; in BFHE 210, 113, BStBl II 2005, 725; vom 18. Mai 2005 IX B 178/04, BFH/NV 2005, 1553; vom 18. November 2003 VI B 123/03, BFH/NV 2004, 335). Unter den besonderen Umständen des Streitfalles bedurfte es jedoch der grundsätzlich zu fordernden Aufzeichnung über tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden zur Nachtzeit und einer jährlichen Abrechnung gemäß § 41b Abs. 1 Satz 1 EStG nicht. Denn zum einen waren die Arbeitsleistungen fast ausschließlich zur Nachtzeit (§ 3b Abs. 2 Satz 2 EStG) zu erbringen, was die Anforderungen an die Nachweispflicht mindert (BFH-Urteil vom 24. November 1989 VI R 92/88, BFHE 159, 157, BStBl II 1990, 315). Zum anderen waren die Zuschläge nach den Feststellungen des FG vereinbarungsgemäß so bemessen, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten --aufs Jahr bezogen-- die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllten. Lediglich außergewöhnliche, längere Fehlzeiten konnten dazu führen, dass die Zuschläge nicht in vollem Umfang "für" die Nachtarbeit gezahlt wurden; in derartigen Fällen kann auch weiterhin eine Abrechnung spätestens zum Abschluss des Lohnkontos erforderlich sein. Im Streitfall hat die Klägerin jedoch nachgewiesen, dass die von den beiden Arbeitnehmern tatsächlich geleisteten Nachtarbeitsstunden den Gesamtbetrag der Zuschläge in den Streitjahren jeweils rechtfertigten.



Ende der Entscheidung

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