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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.06.1999
Aktenzeichen: VI R 168/98
Rechtsgebiete: FGO, GKG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 2
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 126 Abs. 1 Sätze 1 und 3
GKG § 8
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Mit Schriftsätzen vom 5. Juli und vom 11. Juli 1990 erhob Steuerberater X namens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) Klagen wegen Einkommensteuer 1987 und 1988. Der Klageschrift vom 11. Juli 1990 in der Einkommensteuersache 1987 war eine undatierte, von der Klägerin unterschriebene und X als Bevollmächtigten ausweisende Vollmacht beigefügt. Nach dem formularmäßig verfaßten Text wird X u.a. dazu bevollmächtigt, die Unterzeichnerin in ihren Steuerangelegenheiten vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden zu vertreten, gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen, sonstige verbindliche Erklärungen abzugeben und rechtsverbindliche Unterschrift zu leisten. In der Eingangsverfügung wies der Vorsitzende des Senats des Finanzgerichts (FG) X darauf hin, daß die vorgelegte Prozeßvollmacht nicht den Anforderungen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 9. Februar 1988 III R 180/82 (BFH/NV 1988, 509) entspreche.

Mit Beschluß vom 12. Februar 1997 nahm das FG die zwischenzeitlich ausgesetzten Klageverfahren wieder auf und bat X --vergeblich-- um Vorlage einer neuen, von der Klägerseite selbst auf das konkrete Klageverfahren bezogenen Prozeßvollmacht. Der Beschluß wurde der Klägerin persönlich zur Kenntnis gegeben; eine Äußerung dazu gab sie nicht ab. In einer weiteren Verfügung wies das FG darauf hin, es bestünden Zweifel, ob X zur Erhebung der vorliegenden Klage tatsächlich bevollmächtigt sei, da Kläger dem Gericht wiederholt mitgeteilt hätten, X habe ohne ihre Befugnis Klage erhoben. Auf die Aufforderung, eine vom FG vorbereitete Erklärung über das Einverständnis mit der Klageerhebung und das Fortbestehen der Bevollmächtigung von der Klägerin unterschreiben zu lassen und innerhalb einer Ausschlußfrist dem FG vorzulegen, reagierte X nicht.

Das FG (der Einzelrichter) wies die Klagen als unzulässig ab, weil mit der vorgelegten Vollmachtsurkunde die Bevollmächtigung des X zur Führung des Klageverfahrens nicht nachgewiesen werde. Dies gelte auch unter dem Gesichtspunkt, daß die Vollmacht einem Schriftsatz an das FG angeheftet war, der auf das konkrete Klageverfahren Bezug nehme. Inhalt und Geltungsumfang der Vollmachtsurkunde sowie die gerichtsbekannte Tatsache, daß X in anderen Verfahren als vollmachtloser Vertreter aufgetreten sei, bewirkten Zweifel an der internen Ermächtigung des X, das vorliegende Verfahren durchzuführen. Das Gericht sei insoweit zur Aufklärung berechtigt gewesen. X habe seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen, die Klägerin selbst habe sein Auftreten nicht ausdrücklich genehmigt. Die Verfahrenskosten legte das FG dem X auf.

Mit der Revision rügt die Klägerin jeweils eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie der §§ 76 Abs. 2 und 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Vorentscheidungen seien auch deshalb fehlerhaft, weil sie durch einen Einzelrichter ergangen seien.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Sie regt an, die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) der Staatskasse aufzuerlegen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

1. Die --zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen-- Revisionen sind zulässig. X hat zwar für die Revisionsverfahren keine besondere Vollmacht vorgelegt. Nach der im Klageverfahren betreffend Einkommensteuer 1987 eingereichten Vollmacht ist er jedoch sowohl zur Durchführung von Klageverfahren auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Urteile des FG bevollmächtigt.

2. Die Revisionen sind auch begründet. Sie führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Vorinstanz hat die Klagen zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

a) Der Senat hat mit Urteil vom 27. Februar 1998 VI R 88/97 (BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445) in einem vergleichbaren Fall entschieden, daß die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde den Anforderungen des § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO (Nachweis der Bevollmächtigung) genügt. An dieser Rechtsauffassung, wegen deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf das vorbezeichnete Urteil verwiesen wird, hält der Senat auch für den Streitfall fest.

b) Eine den Formerfordernissen genügende Prozeßvollmacht kann wegen berechtigter Zweifel zurückzuweisen sein, wenn die Umstände den Schluß zulassen, daß eine einmal erteilte Vollmacht nicht mehr durch eine Innenvollmacht gedeckt ist. Hierzu reichen die vom FG angeführten Gründe indessen nicht aus. Anhaltspunkte dafür, daß X im Innenverhältnis zu der Klägerin nicht bzw. nicht mehr befugt war, von der ihm erteilten Vollmacht Gebrauch zu machen, sind nicht ersichtlich. Zwar enthält die vorgelegte Vollmachtsurkunde keinen Hinweis auf das konkrete gerichtliche Verfahren. Der notwendige Bezug ist aber durch die entsprechenden Angaben in dem gleichzeitig eingereichten Schriftsatz hergestellt. Daß X nach Kenntnis des Gerichts in anderen Verfahren als vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist, kann zwar grundsätzlich weitere Aufklärungsmaßnahmen des FG rechtfertigen. Im Streitfall bestanden aber deshalb keine berechtigten Zweifel an einer wirksamen Innenvollmacht, weil die Klägerin trotz des ihr übermittelten Beschlusses vom 12. Februar 1997 dem Gericht nicht wie die Kläger in anderen Verfahren mitgeteilt hatte, daß X ohne ihren Willen Klage erhoben habe.

3. Da das FG die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung fehlerhaft beurteilt hat, waren die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung der Gerichtskosten für die Revisionsverfahren kann nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen werden. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und der Verstoß offen zutage tritt. Dies ist hier nicht der Fall.

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