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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: VI R 175/00
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 3
EStG § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2
EStG § 8 Abs. 3 Satz 2
FGO § 100 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Tochterunternehmen der X-Verlagsgruppe und betreibt eine Druckerei, in der sie für die Muttergesellschaft, die Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH, eine Tageszeitung druckt. Im Jahre 1994 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum Januar 1990 bis September 1994 statt. Im Rahmen der Außenprüfung wurde u.a. festgestellt, dass die Zeitung an die Mitarbeiter der X-Verlagsgruppe regelmäßig unentgeltlich geliefert wurde. Die Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte zu der Auffassung, dass diese unentgeltliche Lieferung für die Beschäftigten der Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH im Rahmen der Rabattregelung des § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ohne steuerliche Auswirkungen sei. Für die Mitarbeiter der Tochtergesellschaften, wie der Klägerin, stelle der Bezug der Zeitung demgegenüber einen steuerlich relevanten Sachbezug dar. Für die Arbeitnehmer der Klägerin handele es sich bei der unentgeltlichen Lieferung der Zeitung um eine Zuwendung durch Dritte, bezüglich derer die Voraussetzungen für die Gewährung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 EStG nicht gegeben seien. Nach den Berechnungen des Prüfers ergab sich eine Lohnsteuer-Nachforderung von ... DM zuzüglich evangelischer und römisch-katholischer Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag, insgesamt ... DM. Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 23. August 1995 einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruchsverfahren ab.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung von § 8 Abs. 3 EStG rügt. In dem Unternehmen der Klägerin, einem Konzernunternehmen der X-Verlagsgruppe, werde die Tageszeitung gedruckt. Andere Druckerzeugnisse würden von der Klägerin nicht erstellt, da die drucktechnischen Anlagen lediglich den Druck der Zeitungen im A-Format zuließen. Der redaktionelle Teil der Erstellung der Zeitung sei hingegen seit dem Ende der 70er Jahre bei der Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH angesiedelt. Ende der 70er Jahre sei es zu einer Aufteilung dieser beiden Teile auf die Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH und die Klägerin gekommen. Maschinen und Grundstück der Druckerei befänden sich im Eigentum der Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH und seien an die Klägerin verpachtet. Die Klägerin sei als Verlagsdruckerei direkt über Redaktions- und Textsysteme an insgesamt 29 Lokalredaktionen angeschlossen. In den Jahren 1990 bis 1994 habe die Klägerin an ihre Arbeitnehmer die Tageszeitung unentgeltlich geliefert und hierfür den Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 EStG geltend gemacht. Bei der Festsetzung der Nachforderungsbeträge durch das FA sei offensichtlich ein Fehler unterlaufen. Die Summe der evangelischen und römisch-katholischen Kirchensteuer nachgeforderten Beträge belaufe sich auf jeweils ... DM und nicht, wie in dem Nachforderungsbescheid vom 23. August 1995 festgesetzt, auf ... DM.

Sie, die Klägerin, sei der Auffassung, dass die von ihr erbrachten Leistungen nicht als bloße Nebenleistungen, sondern als Teil der Gesamtleistung "Herstellung einer Zeitung" anzusehen seien. Da der drucktechnische Teil gleichwertig neben dem redaktionellen Teil stehe, das Produkt Zeitung weder ohne den einen noch ohne den anderen Teil denkbar sei, sei das an die Arbeitnehmer überlassene Endprodukt nicht nur der Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH, sondern auch der Klägerin selbst zuzurechnen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 3 EStG seien im Streitfall sämtlich erfüllt. Die an die Arbeitnehmer überlassene Tageszeitung sei zumindestens auch von der Klägerin hergestellt.

Der Inanspruchnahme des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 EStG durch die Klägerin könne auch nicht mit dem Argument begegnet werden, Rabattgewährungen im Konzern seien ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall liege ein Fall des überbetrieblichen Belegschaftshandels gerade nicht vor. Eine Überlassung von Waren eines Konzernunternehmens an Mitarbeiter eines anderen Konzernunternehmens sei daher nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer, Arbeitnehmer-Sparzulagen, Berlin-Zulagen, Bergmanns-Prämien vom 23. August 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. September 1996 dahin zu ändern, dass die Lohnsteuer von ... DM um ... DM auf ... DM, die evangelische und römisch-katholische Kirchensteuer jeweils von ... DM um ... DM auf ... DM und der Solidaritätszuschlag von ... DM um ... DM auf ... DM herabgesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus: Die Klägerin biete die Tageszeitung nicht im allgemeinen Geschäftsverkehr an. Sie sei lediglich mit dem Drucken der Zeitung beauftragt. Anbieterin der Tageszeitung im allgemeinen Geschäftsverkehr sei die Y-Druckerei und Verlagsgesellschaft mbH.

Die Revision ist begründet. Unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung und unter Abänderung des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheides ist die Lohnsteuer-Nachforderung nach Maßgabe der folgenden Gründe unter Berücksichtigung des Rabattfreibetrages nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG durch das FA neu festzusetzen.

1. Entgegen der Auffassung des FG findet im Streitfall die Regelung über den Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG) Anwendung. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern die von ihr hergestellte Tageszeitung unentgeltlich überlassen. Wie der Senat im Urteil vom selben Tage VI R 88/99 ausgeführt hat, ist Hersteller einer Ware i.S. des § 8 Abs. 3 EStG sowohl der Arbeitgeber, der den Gegenstand selbst produziert als auch derjenige, der eine Ware auf eigene Kosten nach seinen Vorgaben und Plänen von einem anderen produzieren lässt; denn auch diesem ist der Herstellungsprozess zuzurechnen. Als Hersteller i.S. des § 8 Abs. 3 EStG kann aber auch derjenige anzusehen sein, der die Ware nach den Vorgaben und Plänen seines Auftraggebers produziert. Ist der Arbeitgeber in einem solchen Fall als Hersteller der an seine Arbeitnehmer abgegebenen Waren anzusehen, so wird der gesamte geldwerte Vorteil vom Rabattfreibetrag erfasst. Die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG beschränkt sich nicht lediglich auf den Teil des Endpreises, der dem Anteil der auf den Arbeitgeber entfallenden Herstellungskosten an den Gesamtherstellungskosten des Endproduktes entspricht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen --wie auch im Streitfall-- mehrere Arbeitgeber als Hersteller des Endproduktes anzusehen sind. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das o.a. Senatsurteil VI R 88/99 verwiesen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im Streitfall die Zuwendung der Freiexemplare der Tageszeitung an die Arbeitnehmer der Klägerin nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG steuerfrei. Dieser geldwerte Vorteil unterliegt somit bei der Klägerin nicht dem Lohnsteuerabzug. Die Klägerin ist Herstellerin der Tageszeitung. Sie hat die Freiexemplare der Tageszeitung auch ihren Arbeitnehmern überlassen. Im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, die die Tageszeitung unentgeltlich erhalten, erscheint --wie im Senatsurteil VI R 88/99-- allein die Klägerin als Zuwendende. Die Anwendung des Rabattfreibetrages umfasst den gesamten, den Arbeitnehmern entstehenden, nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zu ermittelnden geldwerten Vorteil. Die Höhe der Druckkosten an den Gesamtherstellungskosten der Tageszeitung ist dagegen wie ausgeführt ohne Belang.

2. Die Übertragung der Berechnung des verbleibenden Nachforderungsbetrages auf das FA beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ende der Entscheidung

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