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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: VI R 18/02
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3
GG Art. 3
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit 1986 als Professor an einer Fachhochschule in A tätig; seine Ehefrau ist seit 1974 Richterin an einem Landgericht in B. Der gemeinsame Wohnsitz befindet sich in einem Nachbarort des Landgerichts. Während der Arbeitswoche wohnt der Kläger in seiner Eigentumswohnung am Ort der Fachhochschule.

In der Einkommensteuererklärung für 1996 machte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für die Eigentumswohnung in Höhe von 15 799 DM sowie Fahrtkosten in Höhe von 21 941 DM als Kosten der doppelten Haushaltsführung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte nur die Fahrtkosten als Werbungskosten an. Einen weiter gehenden Abzug lehnte es ab, weil durch das Jahressteuergesetz 1996 die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung auf höchstens zwei Jahre begrenzt und diese Zeitspanne zu Lasten des Klägers im Streitjahr 1996 bereits überschritten sei.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Er war der Ansicht, die seit dem 1. Januar 1996 geltende Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne nicht pauschal auf alle Fälle angewandt werden. Es müsse eine Ausnahme für Altfälle gemacht werden, wenn feststehe, dass die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung auch nach mehr als zwei Jahren nicht --wie vom Gesetzgeber unterstellt-- privat veranlasst sei, und zudem keine Möglichkeit bestehe, die doppelte Haushaltsführung zu beenden, weil ein Wechsel des einen oder anderen Ehegatten nach anderweitiger gesetzlicher Regelung ausgeschlossen sei. Dies treffe auch auf ihn zu. Seine Ehefrau könne nicht mehr in den Staatsdienst des anderen Bundeslandes A wechseln, weil sie die dort bestehende Altersgrenze überschritten habe. Ihm --dem Kläger-- sei ein Wechsel ebenfalls aus Altersgründen verwehrt. Im Jahr 1986 habe er eine doppelte Haushaltsführung nur deswegen begründet, weil diese wegen der damals schon seit langem geltenden steuerlichen Regelung wirtschaftlich vertretbar gewesen sei. Hätte er damals mit einer Änderung dieser Regelung rechnen können, dann hätte er sich um eine Tätigkeit bemüht, die er mit täglichen Fahrten von zu Hause aus hätte ausüben können. Die Neuregelung stelle daher eine Verletzung des Vertrauensschutzes dar, die nicht durch den gesetzgeberischen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum gedeckt sei. Sie verletze Art. 3 und 6 des Grundgesetzes (GG).

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte dazu aus, das FA habe zu Recht keine Aufwendungen des Klägers wegen doppelter Haushaltsführung berücksichtigt, weil die doppelte Haushaltsführung schon zu Beginn des Veranlagungszeitraums 1996 mehr als zwei Jahre am selben Ort bestanden habe. Der Senat halte die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Dezember 1997 VI R 94/96 (BFHE 185, 8, BStBl II 1998, 211) für verfassungsgemäß. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die veröffentlichten Gründe in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 969 verwiesen.

Mit der vom BFH zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Gleichstellung seiner besonderen Situation mit Fallgestaltungen, in denen nach Ablauf von zwei Jahren ein privater Anlass gegeben sei, stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Der Entscheidung des BFH in BFHE 185, 8, BStBl II 1998, 211 habe ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde gelegen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die vorinstanzliche Entscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 25. Mai 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 1998 dahin gehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 15 799 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 2 BvR 1735/00 (BStBl II 2003, 534) u.a. entschieden, dass bei beiderseits berufstätigen Ehegatten, von denen einer am Ort des Familienwohnsitzes und der andere an einem auswärtigen Arbeitsort ortsgebunden beschäftigt ist, Aufwendungen für eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch über einen Zwei-Jahres-Zeitraum hinaus grundsätzlich als Minderung finanzieller Leistungsfähigkeit steuerlich zu berücksichtigen sind. Die zeitliche Begrenzung des Abzugs der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG ist insoweit mit Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, rückwirkend eine verfassungskonforme Rechtslage herzustellen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Juni 2003 IV D 2 -S 0338- 40/03, Deutsches Steuerrecht 2003, 1120).

Angesichts dieser Entscheidung des BVerfG kann der Kläger dem Grunde nach für das Streitjahr (1996) Aufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung geltend machen.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif. Das FG hat keine tatsächlichen Feststellungen zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen --die weiterhin streitig sind-- getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird es die erforderlichen Feststellungen nachzuholen und dabei die gesetzliche Neuregelung zu beachten haben.

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