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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.05.2000
Aktenzeichen: VI R 182/99
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 79b Abs. 3 der
FGO § 79b Abs. 2
FGO § 79b
FGO § 155
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzgericht (FG) einen Beweisantrag auf der Grundlage von § 79b Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückweisen durfte.

Da die Kläger und Revisionskläger (Kläger) für das Streitjahr 1994 keine Steuererklärung abgegeben hatten, wurden die Besteuerungsgrundlagen vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) geschätzt. Das FA setzte die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit, die dieser als Geschäftsführer einer GmbH erzielte, mit 62 370 DM und die der Klägerin mit 10 506 DM an. Außerdem wurde jeweils der Arbeitnehmer-Pauschbetrag berücksichtigt.

Der nicht weiter begründete Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der Klage beantragten die Kläger zunächst lediglich die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 1994 und des auf dieser Grundlage ergangenen Vorauszahlungsbescheides für 1996. Nachdem die Kläger ihr Klagebegehren auf Verlangen des Gerichts betragsmäßig konkretisiert hatten, forderte der Berichterstatter die Kläger gemäß § 79b Abs. 2 FGO auf, "innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieser Verfügung die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr dem Gericht vorzulegen". Die Verfügung enthielt auch einen Hinweis auf Folgen eines Fristversäumnisses und wurde dem Prozessbevollmächtigten am 30. Juli 1997 zugestellt.

Am 3. September 1997 reichte der Prozessbevollmächtigte die Einkommensteuererklärung der Kläger für 1994 beim FA ein. Die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit betrugen lt. Lohnsteuerkarte 59 400 DM, die der Klägerin 10 356 DM. Als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 4 363 DM für Dienstreisen geltend. Zum Nachweis war --wie in den Vorjahren-- nur eine entsprechende Aufstellung ohne Belege beigefügt, die die Anzahl der Tage, die Dauer der jeweiligen Abwesenheit und die Höhe der Verpflegungspauschale auswies. Die Anlage KSO wies --ohne Nachweis-- einbehaltene Kapitalertrag- bzw. Zinsabschlagsteuer in Höhe von 153 DM aus. Mit Schreiben vom 8. September 1997 beantragten die Kläger die Vernehmung des Mitgeschäftsführers S als Zeugen bezüglich der Dienstreisen.

Zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 1997 erschien für die Kläger niemand. Das FG gab der Klage insoweit statt, als es die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit lt. Lohnsteuerkarten übernahm und bei den Werbungskosten die für Fachliteratur und Arbeitsmittel geltend gemachten Pauschalbeträge von jeweils 200 DM sowie die Aufwendungen für Fahrten der Klägerin zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannte. Auch das Kind der Kläger und die geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen wurden berücksichtigt. Die nicht nachgewiesenen Reisekosten erkannte das FG jedoch mit der Begründung nicht an, die insoweit erforderliche Beweiserhebung würde zu einer Verzögerung des Verfahrens führen (§ 79b Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die verspätete Vorlage der Steuererklärung sei auch nicht entschuldigt worden (§ 79b Abs. 3 Nr. 2 FGO). Aus den gleichen Erwägungen komme eine Anrechnung der erklärten Kapitalertrag- bzw. Zinsabschlagsteuer nicht in Betracht. Im Übrigen sei die beantragte Vernehmung des S ein untaugliches Beweismittel, da dieser die Höhe der nicht nachgewiesenen Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich der Dienstreisen nicht bezeugen könne.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, die beantragte Vernehmung des S als Zeugen sei geeignet, die geltend gemachten Dienstreisen zu beweisen. Auch in den Vorjahren seien die Reisekosten vor dem gleichen Berichterstatter durch Vernehmung dieses Zeugen nachgewiesen worden. Die Zurückweisung des angebotenen Zeugenbeweises sei unzulässig gewesen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA hat keinen Antrag gestellt.

Die Revision ist begründet. Das FG war nicht berechtigt, die Klage unter Berufung auf § 79b Abs. 3 FGO ohne weitere Sachaufklärung abzuweisen und hat deshalb den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt.

1. Nach § 79b Abs. 2 FGO kann der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen sowie Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist. Eine Aufforderung zur Vorlage von Steuererklärungen ist dadurch allerdings nicht gedeckt. Eine Steuererklärung ist mehr als bloßer Tatsachenvortrag zu "bestimmten Vorgängen" (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. März 1986 I R 301/82, BFH/NV 1986, 754). Sie ist eine Verfahrenshandlung, die eine Wissenserklärung über die in der Steuererklärung aufgeführten Tatsachen und zugleich rechtliche Schlussfolgerungen des Steuerpflichtigen enthält (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Vor § 149 AO Rz. 3, m.w.N.). Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesbegründung bestätigt, nach der die Anforderung von Steuererklärungen nicht Sache des Gerichts ist (BTDrucks 11/2386, S. 17).

2. Die Anwendung der Präklusionsvorschriften ist wegen der mit ihnen verbundenen Begrenzung des rechtlichen Gehörs auf die gesetzlich vorgesehenen Fallgestaltungen zu beschränken. Eine darüber hinausgehende Verfügung stellt keine wirksame Fristsetzung i.S. des § 79b Abs. 2 FGO dar und ist deshalb auch dann nicht geeignet, die Präklusionsfolgen des § 79b Abs. 3 FGO zu begründen, wenn die formellen Anforderungen im Übrigen erfüllt sind (BFH-Urteil vom 25. April 1995 IX R 6/94, BFHE 177, 233, BStBl II 1995, 545).

3. Im Streitfall war danach die Fristsetzung vom 29. Juli 1997, in der der Berichterstatter zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1994 aufforderte, nicht von § 79b Abs. 2 FGO gedeckt; das FG durfte mithin nicht unter Berufung auf § 79b Abs. 3 FGO von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der streitigen Reisekosten absehen. Mangels wirksamer Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO kann auch dahinstehen, ob die Voraussetzungen einer Zurückweisung nach § 79b Abs. 3 FGO --insbesondere die Gefahr einer Verzögerung des Rechtsstreits-- vorlagen.

Das FG durfte die beantragte Beweiserhebung auch nicht mit der Begründung ablehnen, der Zeuge S sei als Beweismittel ungeeignet. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, auf Grund welcher Tatsachen das FG zu dieser Auffassung gelangt ist. Der Kläger hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, er habe auch in den Vorjahren entsprechende Reisekosten geltend gemacht und mit einer diesbezüglichen Klage auf Grund der Vernehmung des S vor demselben Senat des FG Erfolg gehabt.

4. Die Kläger haben das Recht, die fehlerhafte Anwendung des § 79b FGO zu rügen, auch nicht nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung verloren. Denn sie haben an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen. Der Verfahrensverstoß war für sie erst aus den Gründen des angefochtenen Urteils ersichtlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 177, 233, BStBl II 1995, 545).

5. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Die geltend gemachten Dienstreisen sind bislang nicht hinreichend nachgewiesen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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