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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: VI R 19/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 | |
EStG § 12 Nr. 1 S. 2 | |
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 | |
EStG § 24 Nr. 2 | |
EStG § 34 Abs. 1 | |
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 4 |
Gründe:
I.
Die Ehefrau des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) erzielte im Streitjahr (2001) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr Arbeitgeber hatte für seine Arbeitnehmer eine Gruppenunfallversicherung ohne Namensangabe abgeschlossen und die Zahlung der jeweiligen Prämien übernommen. Mit der Versicherung sollten die Folgen eines unfallbedingten Eintritts von Invaliditäts- bzw. Todesfällen versichert werden, die nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst werden. Die Rechte aus dem Versicherungsvertrag standen dem Arbeitgeber zu, Bezugsberechtigter im Todesfall war der Kläger als Ehegatte.
Im März 2001 erlitt die Ehefrau des Klägers in ihrer Freizeit einen tödlichen Verkehrsunfall. Die Versicherung zahlte deshalb im August 2001 den vertraglich vereinbarten Betrag von drei Jahresgehältern in Höhe von 73 626 EUR an den Kläger.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung beim Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers, bei der die Lohnsteuerpflicht der Prämienzahlungen verneint wurde, vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Ansicht, die Versicherungsleistung sei steuerpflichtiger Arbeitslohn. Dementsprechend setzte er die Einkommensteuer durch geänderten Bescheid vom 22. März 2004 fest.
Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, zwar gehörten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die nach § 24 Nr. 2 EStG dem Rechtsnachfolger zuzurechnen seien. Indes handele es sich bei den Leistungen aus der Versicherung nicht um Arbeitslohn der verstorbenen Ehefrau des Klägers, denn diese dienten nicht dem Zweck, Einnahmeausfälle der verunglückten Ehefrau des Klägers zu ersetzen. Vielmehr handele es sich um nicht steuerbaren Schadenersatz, der keiner der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG benannten Einkunftsarten zuzuordnen sei.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die an den Kläger gezahlte Versicherungsleistung selbst nicht als Arbeitslohn anzusehen ist. Im zweiten Rechtsgang wird das FG jedoch noch zu prüfen haben, inwieweit die vom Arbeitgeber der verstorbenen Ehefrau des Klägers entrichteten Beiträge zur Gruppenunfallversicherung im Streitfall zu Arbeitslohn geführt haben und als Werbungskostenersatz geleistet worden sind.
1.
Leistungen aus einer vom Arbeitgeber als Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung sind kein Arbeitslohn. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache VI R 9/05 entschieden, dass die aufgrund einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung nicht zu Arbeitslohn führt. Zum Zufluss von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Auszahlung einer Versicherungsleistung an den Arbeitnehmer führen vielmehr die vom Arbeitgeber zur Erlangung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers bis zur Auskehrung der Versicherungsleistung erbrachten Beiträge, der Höhe nach begrenzt auf die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung. Bei dem auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallenden Teil der vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge zu einer Gruppenunfallversicherung handelt es sich um Werbungskostenersatz. Der als Werbungskostenersatz anzusehende Beitragsanteil führt deshalb auch zu --fiktiv anzusetzenden-- Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der entsprechende steuerpflichtige Arbeitslohn saldiert werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe seines zur Veröffentlichung bestimmten Urteils vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05.
2.
Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
a)
Ausgehend von den vorgenannten Rechtsgrundsätzen führt im Streitfall die an den Kläger im Jahr 2001 ausgezahlte Leistung aus der vom Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung in Höhe von 73 626 EUR nicht zu Arbeitslohn. Als Arbeitslohn zu erfassen sind vielmehr die bis zur Auszahlung der streitbefangenen Versicherungsleistung vom Arbeitgeber aufgebrachten, auf den Versicherungsschutz der Ehefrau des Klägers entfallenden Prämienzahlungen, der Höhe nach begrenzt auf die an den Kläger ausgereichte Versicherungssumme. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen sind keine Umstände gegeben, nach denen im Streitfall von einem ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Finanzierung des Unfallversicherungsschutzes auszugehen wäre; der Kläger hat solches auch nicht vorgetragen.
b)
Das FG hat --nach seinem Rechtsstandpunkt zu Recht-- keine Feststellungen zur Höhe der auf den Versicherungsschutz der Ehefrau des Klägers entfallenden, von deren Arbeitgeber bis zur Auszahlung der Versicherungsleistung --hier längstens bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Ehefrau des Klägers-- gezahlten Prämien getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG diese Feststellungen nachzuholen haben; der auf die verstorbene Ehefrau des Klägers entfallende Teil der Prämien wird ggf. auch im Wege der Schätzung (§ 162 Abs. 1 der Abgabenordnung) zu bestimmen sein. Des Weiteren wird das FG zu prüfen haben, inwieweit die entsprechenden Beiträge auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallen und damit als Werbungskostenersatz geleistet worden sind. Sollten sich insoweit keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen treffen lassen, kann auch dieser Anteil im Schätzungswege bestimmt werden, denn § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG findet auf der Einnahmenseite keine Anwendung (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. August 2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30, m.w.N.). Sollte keiner der Beteiligten einen anderen Aufteilungsmaßstab substantiiert vortragen und nachweisen, so bestünden keine Bedenken, von einer hälftigen Aufteilung der durch die Versicherung abgedeckten beruflichen und privaten Risiken und damit einer hälftigen Aufteilung der Beiträge auszugehen.
Im Übrigen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG gemäß § 24 Nr. 2 EStG auch dann zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG gehören, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Indes wird das FG im zweiten Rechtsgang auch noch zu prüfen haben, ob eine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG für außerordentliche Einkünfte in Gestalt von Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) zu gewähren ist.
Ende der Entscheidung
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