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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: VI R 20/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für das Studium eines Studenten, der in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen sind. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der 1968 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss im September 1992 ein Maschinenbaustudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ... mit dem Grad eines Diplom-Ingenieurs (FH) erfolgreich ab. Im Wintersemester 1992/1993 begann er ein Maschinenbaustudium an der Technischen Universität ..., das er im Jahr 1995 mit Erfolg beendete. Bei dem Universitätsstudium handelte es sich um ein Zweitstudium in Form eines Aufbaustudiengangs.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 machte der ledige Kläger bei Einnahmen aus einer studienbegleitenden Nebentätigkeit in Höhe von 5 880 DM Aufwendungen für das Universitätsstudium in Höhe von 15 861 DM (vornehmlich Kosten für eine doppelte Haushaltsführung) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den Werbungskostenabzug in der beantragten Höhe und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1994, mit dem die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt wurde, die Aufwendungen nur als Sonderausgaben in Höhe von 1 200 DM. Ferner lehnte das FA die gesonderte Feststellung eines am Schluss des Veranlagungszeitraums 1994 verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer ab und wies den hiergegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 220 veröffentlichten Gründen statt.

Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22. Juli 2003 VI R 50/02 (BFHE 202, 563, BStBl II 2004, 889) das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG wies anschließend die Klage ab. Dem Kläger seien keine Werbungskosten in einer Höhe entstanden, die seine Einnahmen überstiegen. Insbesondere seien Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung nicht anzuerkennen. Der Kläger habe in seinem Heimatort B während der Studienzeit im Haus seiner Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten. § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) komme nicht zur Anwendung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil, den Bescheid vom 4. Februar 1997 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1994 in Höhe von 16 406 DM gesondert festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG können auch bei Arbeitnehmern ohne eigenen Hausstand notwendige Aufwendungen, die durch die vorübergehende Tätigkeit am auswärtigen Beschäftigungsort entstehen, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen im Einzelnen und der Höhe der geltend gemachten Aufwendungen sind noch Feststellungen zu treffen.

1. Zutreffend hat das FG die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG abgelehnt, da der Kläger keinen eigenen Haushalt führt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Haushalt unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Bei einem nicht verheirateten Arbeitnehmer hat der Senat einen Hausstand dann als eigenen im Sinne der Vorschrift angesehen, wenn er ihn aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzt; der Hausstand muss vom Arbeitnehmer unterhalten oder mitunterhalten werden. Sofern der Arbeitnehmer nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter des Hausstandes ist, muss an Hand der Umstände des Falles untersucht werden, ob der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Der Arbeitnehmer hat keinen eigenen Hausstand, wenn er lediglich in einen fremden Hausstand eingegliedert ist, z.B. bei den Eltern (BFH-Urteil vom 4. November 2003 VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16). Nach diesen Grundsätzen ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger in B keinen eigenen Hausstand unterhalten hat, sondern dort im elterlichen Haushalt lebte.

Der BFH darf Tatsachen, die im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen werden, nicht berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 FGO). Daher kann der Kläger mit dem Vortrag, er habe im Streitjahr nach der Geburt seines Sohnes zusammen mit der Mutter einen eigenen Haushalt in B geführt, nicht gehört werden. Das FG ist bei seiner Entscheidung offensichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger in Streitjahren im Wesentlichen allein im elterlichen Haus wohnte. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, da der Kläger insoweit keine Verfahrensrügen erhoben hat.

2. Erfüllt, wie im Streitfall, ein lediger Arbeitnehmer nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, so können die notwendigen Aufwendungen, die durch die Tätigkeit am auswärtigen Beschäftigungsort entstehen, nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, wenn er einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachgeht, den Mittelpunkt seiner Lebensführung am bisherigen Wohnort beibehält, dort seine Wohnung aufrechterhält, nach Beendigung der auswärtigen Beschäftigung voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückgekehrt und ihm deshalb die Aufgabe seiner bisherigen Wohnung nicht zumutbar ist (sog. zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung; vgl. BFH-Urteile vom 10. Oktober 1991 VI R 44/90, BFHE 166, 68, BStBl II 1992, 237, m.w.N.; vom 6. Oktober 1994 VI R 39/93, BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186). Ein den Zeitraum von zwei Jahren umfassendes Studium ist in diesem Sinn ein Zeitraum von verhältnismäßig kurzer Dauer (BFH-Urteil vom 22. Juni 1984 VI R 36/81, nicht veröffentlicht). An dieser Rechtsprechung hält der Senat ungeachtet der im Urteil vom 13. März 1996 VI R 103/95 (BFHE 180, 139, BStBl II 1996, 375) geäußerten Zweifel zumindest für den streitigen Zeitraum fest. Dazu sieht sich der Senat auch deshalb veranlasst, weil die Finanzverwaltung die bisherige Rechtsprechung des BFH weiterhin angewendet hat (vgl. zuletzt R 43 Abs. 5 der Lohnsteuer-Richtlinien 2004; Niermann/Plenker, Der Betrieb 2004, 2118; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juni 2004 IV C 5 -S 2352- 49/04, BStBl I 2004, 582). Im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen ist die Beachtung der Richtlinienregelung in den Veranlagungszeiträumen bis 2003 geboten. Der Senat muss deshalb auch nicht entscheiden, ob durch die Neufassung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) eine Rechtsänderung eingetreten ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 8/04, BFHE 209, 73, BStBl II 2005, 475 zu Betriebsausgaben).

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen nach den genannten Grundsätzen der sog. zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung vorliegen, hat das FG bisher offen gelassen. Die Sache geht daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Der Kläger erhält dadurch auch Gelegenheit zur Frage, ob er im Streitjahr in B einen eigenen Hausstand unterhalten hat, umfassend vorzutragen (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 126 Rz. 20).

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