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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.04.2001
Aktenzeichen: VI R 209/98
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 66 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) reichte am 20. September 1996 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter) mit Zustimmung ihres Ehemannes einen Antrag auf Kindergeld für ihren am 13. August 1994 geborenen Sohn ein. In einem weiteren Schreiben, das beim Beklagten am 19. September 1996 einging, wies sie ferner darauf hin, dass der Kindergeldantrag hiermit zum zweiten Mal eingereicht werde. Die Klägerin bat hierin um Überprüfung, ob der erste Antrag vom 21. März 1994 beim Beklagten eingegangen sei. Da sie momentan nicht berufstätig sei, bitte sie um schnellstmögliche Bearbeitung, da sie auf das Geld angewiesen sei.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 1996 entsprach der Beklagte dem Antrag rückwirkend ab März 1996. Für die weiter zurückliegende Zeit könne wegen der 6-monatigen Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kein Kindergeld gezahlt werden. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Unter Wiederholung ihrer außergerichtlichen Einwendungen brachte die Klägerin im Klageverfahren im Wesentlichen vor, ihr stehe Kindergeld bereits ab August 1994 zu. Sie habe, vertreten durch ihren Ehemann, bereits damals beim Beklagten einen Antrag auf Kindergeld gestellt. Ihr Ehemann habe die erforderlichen Formalitäten erledigt. Eine vom Beklagten angeforderte Geburtsurkunde des Sohnes habe --wegen berufsbedingter Abwesenheit des Ehemannes-- ihre Schwiegermutter per Einschreiben an den Beklagten übersandt. Aus nicht erklärbaren Gründen sei der damalige Kindergeldantrag beim Beklagten nicht bearbeitet worden. Deshalb habe sie im September 1996 an die Bescheidung des Erstantrags erinnert und --hilfsweise-- zum zweiten Mal einen Kindergeldantrag gestellt. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens beantragte die Klägerin zum Nachweis dafür, dass sie bereits im August 1994 einen Antrag gestellt habe, die Vernehmung ihres Ehemannes und ihrer Schwiegermutter.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der Kindergeld ab 1. Januar 1996 beantragt wurde, ohne Beweisaufnahme ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen an, es bestünden keine Zweifel daran, dass die Klägerin nicht --wie behauptet-- im August 1994 einen Kindergeldantrag gestellt habe. Die Sachverhaltsangaben der Klägerin seien widersprüchlich. Es widerspreche der Lebenserfahrung, zwei Jahre lang der Nichtbearbeitung eines Antrags tatenlos zuzusehen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen Rechts. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt, insbesondere den Ehemann und die Schwiegermutter trotz Beweisantritts nicht als Zeugen dazu vernommen, dass der Erstantrag bereits im August 1994 gestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG ist der ihm obliegenden Ermittlungspflicht (§ 76 FGO) nicht in vollem Umfang nachgekommen. Ausgehend von seiner Auffassung, die Klägerin habe im August 1994 keinen Kindergeldantrag gestellt, waren die Beweisanträge der Klägerin entscheidungserheblich.

Das FG darf eine Beweiserhebung in solchen Fällen nur unterlassen, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 2000 V R 38/99, BFH/NV 2001, 181, BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 V B 57/98, BFH/NV 1999, 1494, Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 76 Anm. 24, m.w.N.). Keiner der genannten Gründe lag im Streitfall vor.

Das FG durfte auf die beantragte Vernehmung auch nicht deshalb verzichten, weil nach seiner Ansicht kein Zweifel daran bestand, dass die Klägerin im August 1994 keinen Kindergeldantrag gestellt hat. Hierin liegt eine unzulässige vorweggenommene Würdigung der von der Klägerin angebotenen Beweise für ihre Sachverhaltsdarstellung (vgl. zum Verbot einer vorweggenommenen Beweiswürdigung: z.B. BFH-Urteile vom 7. Juli 1999 X R 52/96, BFH/NV 2000, 174; vom 27. November 1997 V R 48/97, BFH/NV 1998, 711; Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Anm. 26).



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