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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.05.1999
Aktenzeichen: VI R 218/98
Rechtsgebiete: FGO, GKG, ZPO
Vorschriften:
FGO § 76 Abs. 2 | |
FGO § 62 Abs. 3 | |
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2 | |
FGO § 155 | |
FGO § 143 Abs. 2 | |
GKG § 8 | |
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 87 Abs. 1 |
Gründe
Nach erfolglosem Einspruch erhob Steuerberater X namens der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Klage wegen Einkommensteuer 1994. Er beantragte, einen Kinderfreibetrag von 4 300 DM zu berücksichtigen und bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einen Freibetrag von 200 DM anzusetzen. Der Klageschrift war eine undatierte, von den Klägern unterschriebene und X als Bevollmächtigten ausweisende Vollmacht beigefügt, deren Überschrift durch einen Stempelaufdruck mit handschriftlichem Zusatz "für Einkommensteuer, Lohnsteuer-Jahresausgleich, Solidaritätszuschlag 1983 bis 1996" ergänzt ist. Nach dem formularmäßig verfaßten Text wird X u.a. dazu bevollmächtigt, die Unterzeichner in ihren Steuerangelegenheiten vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden zu vertreten, gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen, sonstige verbindliche Erklärungen abzugeben und rechtsverbindliche Unterschrift zu leisten.
Das Finanzgericht (FG) forderte X auf, eine neue, eindeutig auf das vorliegende Klageverfahren bezogene und mit einem zeitnahen Datum versehene Vollmacht vorzulegen. Auf diese und eine weitere sowie eine dritte, mit einer Ausschlußfrist verbundene Aufforderung zur Vorlage einer Prozeßvollmacht für das Klageverfahren reagierte X nicht. Die an X gerichteten Schreiben erhielten die Kläger zur Kenntnis. Darüber hinaus wies das FG mit Verfügung vom 25. September 1998 die Kläger persönlich auf Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vollmacht hin. Diese sei lediglich allgemein gehalten und undatiert. X lasse seit Monaten alle Anfragen des Gerichts unbeantwortet. In zahlreichen Verfahren hätten Kläger erklärt, daß X ohne Auftrag und zum Teil gegen ihren Willen Klage erhoben habe. Vor diesem Hintergrund würden die Kläger nunmehr aufgefordert, dem Gericht mitzuteilen, ob sie X bevollmächtigt hätten, diesen Rechtsstreit in ihrem Namen zu führen. Ihr Schweigen auf diese Verfügung werde als fehlende Zustimmung zu der Prozeßführung durch X ausgelegt. Die Kläger äußerten sich hierauf nicht.
Das FG (der Einzelrichter) wies die Klage als unzulässig ab, weil die vorgelegte Vollmachtsurkunde die Vertretungsmacht des X nicht zweifelsfrei belege. Im Streitfall handele es sich offensichtlich nicht um ein auf die Belange und den Willen der Kläger abgestimmtes Verfahren, sondern um eine Klage, wie sie von X auch für andere Steuerpflichtige erhoben werde. Da in den gleichgelagerten Verfahren in beträchtlicher Anzahl die Kläger gegenüber dem Gericht erklärt hätten, daß X die entsprechende Formularvollmacht mißbraucht habe, bestünden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht. Diese Zweifel seien nicht ausgeräumt worden. Die Beiheftung der Vollmachtsurkunde an einen Schriftsatz sei bei der gegebenen Sachlage allein nicht geeignet, die Wirksamkeit der Vollmacht herbeizuführen. Angesichts der Hinweise und Belehrungen durch das Gericht könne die fehlende Rückäußerung der Kläger auch nicht als stillschweigende Genehmigung der Prozeßführung ausgelegt werden. Die Kosten des Verfahrens legte das Gericht X als vollmachtlosem Vertreter auf.
Mit der Revision rügen die Kläger eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie der §§ 76 Abs. 2 und 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Sie regen an, die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) der Staatskasse aufzuerlegen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) hat sich nicht geäußert.
1. Die Revision ist zulässig. X hat zwar für das Revisionsverfahren keine besondere Vollmacht vorgelegt. Nach der im Klageverfahren eingereichten Vollmacht ist er jedoch sowohl zur Durchführung des Klageverfahrens als auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung des FG bevollmächtigt.
2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Vorinstanz hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.
Der Senat hat mit Urteil vom 27. Februar 1998 VI R 88/97 (BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445) in einem vergleichbaren Fall entschieden, daß die im Klageverfahren vorgelegte Vollmachtsurkunde den Anforderungen des § 62 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO (Nachweis der Bevollmächtigung) genügt. An dieser Rechtsauffassung, wegen deren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf das vorbezeichnete Urteil verwiesen wird, hält der Senat auch für den Streitfall fest. Im übrigen kann aus dem Schweigen der Kläger auf die Anfrage des FG vom 25. September 1998 nicht auf einen Widerruf der einmal erteilten Vollmacht geschlossen werden. Eine Prozeßpartei kann zwar einen Vollmachtsvertrag jederzeit kündigen und die Vollmacht widerrufen (§ 87 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO). Mit dem Zugang des Widerrufs beim FG ist diesem gegenüber eine möglicherweise vorher bestehende Prozeßvollmacht erloschen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. März 1990 IX B 256/89, BFH/NV 1990, 788; vom 5. Mai 1997 V B 7/97, BFH/NV 1997, 864). Der Widerruf der Vollmacht muß aber dem Gericht angezeigt werden (BFH-Urteil vom 20. September 1991 III R 118/89, BFH/NV 1992, 521). Dies ist hier nicht geschehen.
3. Da das FG die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung fehlerhaft beurteilt hat, war der angefochtene Gerichtsbescheid aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung der Gerichtskosten für das Revisionsverfahren kann nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG abgesehen werden. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur vor, wenn das Gericht gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hat und der Verstoß offen zutage tritt. Dies ist hier nicht der Fall.
Ende der Entscheidung
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