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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: VI R 25/08
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 | |
EStG § 9 Abs. 2 S. 1 | |
EStG § 9 Abs. 2 S. 2 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr (2003) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie benutzte für die Wege von ihrer Wohnung in W zur 28 km entfernten Arbeitsstätte in H täglich sowohl den eigenen PKW als auch öffentliche Verkehrsmittel. Sie legte die ersten 25 km jeweils mit dem PKW zurück; für die restliche Strecke benutzte sie die Straßenbahn. Für die Benutzung der Straßenbahn entstanden ihr im Streitjahr tatsächliche Kosten in Höhe von 528 EUR.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ermittelte die abziehbaren Werbungskosten der Klägerin für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei deren Einkommensteuerveranlagung unter Anwendung der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der im Streitjahr geltenden Fassung) unter Berücksichtigung des vom Arbeitgeber geleisteten Fahrtkostenersatzes (372 EUR) mit insgesamt 1 983 EUR, nämlich mit 2 093 EUR für die Wege mit dem eigenen PKW (218 Arbeitstage x 10 km x 0,36 EUR und 218 Arbeitstage x 15 km x 0,40 EUR) und mit 262 EUR für die Wege mit der Straßenbahn (218 Arbeitstage x 3 km x 0,40 EUR). Die erklärten tatsächlichen Fahrtkosten für die Benutzung der Straßenbahn ließ das FA unberücksichtigt. Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage, mit der sie für die Wege zur Arbeit den Ansatz von Werbungskosten von insgesamt 2 249 EUR begehrte (2 093 EUR für die Wege mit dem eigenen PKW und 528 EUR für die Wege mit der Straßenbahn abzüglich der Fahrtkostenerstattung).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG.
Das FA beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen für die Wege der Klägerin zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zutreffend ermittelt. Es hat dabei zu Recht die die Entfernungspauschale übersteigenden tatsächlichen Kosten für die tägliche Benutzung der Straßenbahn miteinbezogen.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach Satz 2 Halbsatz 1 der Vorschrift für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von (im Streitjahr) 0,36 EUR für die ersten zehn Kilometer und 0,40 EUR für jeden weiteren Kilometer anzusetzen, höchstens jedoch 5 112 EUR. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte veranlasst sind. Indes können Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Ob die für den Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln tatsächlich aufgewendeten Fahrtkosten höher sind als der als Entfernungspauschale berechnete Betrag, ist nicht auf das gesamte Kalenderjahr, sondern auf den einzelnen Arbeitstag bezogen zu ermitteln (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Mai 2005 VI R 40/04, BFHE 209, 532, BStBl II 2005, 712). Darüber hinaus ist der Steuerpflichtige, der die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurücklegt ("park-and-ride"), nicht verpflichtet, sein Wahlrecht --Entfernungspauschale oder tatsächliche Kosten-- für beide zurückgelegten Teilstrecken nur einheitlich auszuüben. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften.
Legt ein Arbeitnehmer die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit verschiedenen Verkehrsmitteln zurück, ist die insgesamt anzusetzende Entfernungspauschale i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG teilstreckenbezogen zu ermitteln. Sie ist für die Teilstrecke, die der Arbeitnehmer mit seinem eigenen PKW zurücklegt, und für die Strecke, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird, getrennt zu ermitteln (s. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 11. Dezember 2001, BStBl I 2001, 994, Tz. 1.6; ebenso BMF-Schreiben vom 1. Dezember 2006, BStBl I 2006, 778, Tz. 1.6). § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG bezeichnet als Vergleichsgröße zu den Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel den "als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag". Durch den Gebrauch des Wortes "Entfernungspauschale" im Singular gibt das Gesetz zu erkennen, dass der hierfür ermittelte Betrag auf die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegte Teilstrecke bezogen ist. Übersteigen, wie im Streitfall, die tatsächlichen Kosten die für die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegte Teilstrecke anzusetzende Entfernungspauschale, können sie an deren Stelle angesetzt werden.
Für die gegenteilige Betrachtungsweise des FA besteht kein Anlass. Es gibt im Gesetz keinen Hinweis darauf, dass der Ansatz der tatsächlichen Kosten nur in Frage kommt, wenn der Arbeitnehmer öffentliche Verkehrsmittel für die gesamte maßgebliche Entfernung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Der Arbeitnehmer, der die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit verschiedenen Verkehrsmitteln bewältigt, hat nach Gesetzeslage vielmehr die Möglichkeit, die Wegekosten teilstreckenbezogen unterschiedlich in Abzug zu bringen.
Ende der Entscheidung
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