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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.01.2009
Aktenzeichen: VI R 28/08
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 35a Abs. 2 S. 1 | |
EStG § 35a Abs. 2 S. 3 |
Gründe:
I.
Die nicht pflegebedürftige Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lebt seit dem 15. April 1999 in einem Wohnstift. Sie machte mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2004) zunächst Aufwendungen für die Heimunterbringung in Höhe von 744 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend, die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) in Höhe von 624 EUR berücksichtigt wurden. Daneben beantragte sie die Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2004) geltenden Fassung (EStG) für bestimmte Dienstleistungen im Wohn- und Betreuungsbereich.
Im Veranlagungsverfahren legte sie u.a. ein Schreiben des Wohnstifts vom 9. Februar 2005 vor. Darin heißt es:
"Bescheinigung über Verrichtungen im Haushalt zum Wohnvertrag ... . Das von Ihnen bezahlte monatliche Wohnstiftsentgelt gliedert sich gemäß den Vorgaben des Heimgesetzes in folgende Bestandteile:
In diesen Entgeltsbestandteilen sind die folgenden Verrichtungen im Haushalt des Bewohners enthalten:
Entgeltbestandteil Wohnen:
- wöchentliche Reinigung der Fußböden und sanitären Anlagen des Appartements sowie die vierteljährliche Reinigung der Fenster
- Vorhalten eines Hausmeisters
- die Pflege des zum Wohnstift gehörenden Gartens, der von allen Bewohnern benutzt werden kann
Entgeltbestandteil Verpflegung:
- das tägliche Zubereiten und Servieren eines warmen Mittagsmenüs, alternativ einer Abendmahlzeit oder eines großen Frühstücks/Frühstücksbüffets im hauseigenen Restaurant, alternativ (gegen einen Aufpreis für den Etagenservice) auch im Appartement des/der Bewohners/in
Entgeltbestandteil Betreuung:
- Krankenpflege im Appartement bei vorübergehender Erkrankung
- 24-stündiger Bereitschaftsdienst zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der haustechnischen Einrichtungen
- 24-stündige Notfallbereitschaft des hauseigenen Ambulanten Pflegedienstes."
In der im Klageverfahren von der Klägerin vorgelegten Kostenaufstellung des Wohnstifts vom 12. Juli 2007 heißt es zu den monatlichen, prozentual aufgegliederten Entgeltbestandteilen u.a.:
"Entgeltbestandteil Wohnen"
- für "Haustechnik (Hausmeister, Gartenpflege, kleinere Reparaturen) gemäß unserer Kostenkalkulation circa 4,3%"
- für "Empfang (24-Stunden-Besetzung am Eingang des Wohnstiftes) ... circa 4,0%"
- für "Reinigung der Gemeinschaftsflächen (Flure, Treppenhäuser, Gemeinschaftsräume) ... circa 2,4%"
- für "Reinigung des Appartements (wöchentliche Reinigung der Wohnung, monatliches Fensterputzen) ... circa 3,4%"
- für "Renovierungsarbeiten am Gebäude (Fassade, Dach, usw.)
-Pauschale durch den Vermieter- ... circa 6,1%"
- für "Wartungsverträge (Telefon, Schrankenanlage, usw. durch externe Handwerksbetriebe) ... circa 0,3%"
- für "Instandsetzungen (größere Reparaturen im Wohnstift durch externe Handwerksbetriebe) ... circa 1,5%"
"Entgeltbestandteil Betreuung"
- für "Vorhalten einer hauseigenen Betreuungseinrichtung für demenzerkrankte Bewohner ... circa 7,9%"
- für "Vorhalten eines betreuerischen Nachtdienstes für kleinere pflegerische Hilfeleistungen sowie ggf. Einleitung von ambulanten Pflegeleistungen ... circa 5,7%"
- für "Vorhalten eines betreuerischen Bereitschaftsdienstes sowie die kostenlose Betreuung bei kurzfristiger Erkrankung ... circa 3,5%"
- für "Vorhalten von Haus- und Etagendamen zur Erbringung kleinerer Betreuungsleistungen, Besuche, Begleitungen ... circa 7,0%".
Die Prozentzahlen werden als Mindestbeträge, die "Summe im Entgeltbestandteil Wohnen (Jahresbetrag)" wird mit 32 715,96 EUR, die "Summe im Entgeltbestandteil Betreuung (Jahresbetrag)" mit 5 583,36 EUR und die Gesamtsumme mit 38 299,32 EUR angegeben.
Das FA lehnte die Berücksichtigung einer Steuerermäßigung nach § 35a EStG ab, der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und ermäßigte die tarifliche Einkommensteuer um 600 EUR (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1888). Die von der Klägerin in Anspruch genommenen Dienstleistungen seien "haushaltsnah" i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG. Sie habe auch die von ihr übernommenen Kosten nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung durch Vorlage einer Rechnung nachgewiesen. Der Betrag, den die Klägerin für die einzelnen Dienstleistungen aufgewendet habe, bezogen auf den prozentualen Anteil an den Gesamtkosten, habe sich aus den von ihr vorgelegten Belegen entnehmen lassen. Auch der Empfänger der Zahlungen ergebe sich daraus. Die Vorlage eines Originalbelegs sei nicht erforderlich, es genüge, wenn der Erbringer der Dienstleistung auf der Grundlage seiner Buchführung die Leistungen nachträglich bestätige. Da das FA Aufwendungen der Klägerin in Höhe von 624 EUR schon als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt habe, sei für die Gewährung der Steuerbegünstigung des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG noch ein Betrag in Höhe von 3 584,80 EUR (4 208,80 EUR abzüglich 624 EUR) zu Grunde zu legen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 35a Abs. 2 Sätze 1 und 3 EStG).
Es beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG vorlagen und die Klägerin die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung nachgewiesen hat.
1.
Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20%, höchstens 600 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Aufwendungen für eine geringfügige Beschäftigung i.S. des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch darstellen und soweit sie nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden sind.
Der Begriff "haushaltsnah", der in § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG ebenfalls Verwendung findet, ist gesetzlich nicht näher bestimmt.
a)
Nach der Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen vom 1. Februar 2007 VI R 77/05 (BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760) und VI R 74/05 (BFH/NV 2007, 900) ist unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Zubereitung von Mahlzeiten, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen (Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 35a Rz 5; Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 35a Rz 6, unter Hinweis auf die Verordnung über die Berufsausbildung zum Hauswirtschafter/zur Hauswirtschafterin vom 14. August 1979, BGBl. I 1979, 1435). Ein solcher Haushalt kann grundsätzlich auch von dem Bewohner eines Wohnstifts geführt werden (so mittlerweile auch Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 26. Oktober 2007 IV C 4-S 2296- b/07/0003 2007/0484038, BStBl I 2007, 783, Rz 12).
b)
"Haushaltsnahe" Leistungen sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit im Zusammenhang stehen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760; in BFH/NV 2007, 900; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 35a Rz 6). Dazu gehören Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Insofern sind die Begriffe "haushaltsnah" und "hauswirtschaftlich" (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a.F.) sinnverwandt. Zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehören regelmäßig auch handwerkliche Tätigkeiten in der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung bzw. dem Haus des Steuerpflichtigen, wenn es sich um Schönheitsreparaturen oder kleine Ausbesserungsarbeiten handelt (so auch Urteil des FG München vom 30. Juli 2005 5 K 2262/04, EFG 2005, 1612; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 2. September 2004 4 K 2030/04, EFG 2004, 1769; Blümich/Erhard, § 35a EStG Rz 42). Handwerkerleistungen, die im Regelfall nur von Fachkräften durchgeführt werden können, fallen dagegen nicht unter den Begriff der haushaltsnahen Dienstleistung; dieser auch im BMF-Schreiben vom 1. November 2004 IV C 8-S 2296 b-16/04 (BStBl I 2004, 958 Rz 5) vertretenen Auffassung hat sich der erkennende Senat in seinen Urteilen in BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760, und in BFH/NV 2007, 900, angeschlossen. Nach § 52 Abs. 50b Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl. I 2006, 1091, BStBl I 2006, 350) gilt die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 35a EStG auf Handwerkerleistungen --soweit sie nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen anzusehen sind-- erst ab 2006.
2.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG aufgrund seiner --für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindenden-- Feststellungen zu Recht haushaltsnahe Dienstleistungen angenommen. Die im Zusammenhang mit dem zunächst genannten Begriff der Haustechnik angefallenen Hausmeister-, Gartenpflege- und kleinen Reparaturarbeiten zählen typischerweise zu den Tätigkeiten, die als Ausbesserungs- und Erhaltungsmaßnahmen zu den haushaltsnahen Dienstleistungen gehören. Gleiches gilt für die Reinigung des Appartements sowie der Gemeinschaftsflächen, denn es handelt sich dabei um Leistungen, die regelmäßig durch Haushaltsangehörige erbracht werden. Auch das Vorhalten von Haus- und Etagendamen, deren Aufgabe neben der Betreuung des Bewohners noch zusätzlich in der Begleitung des Steuerpflichtigen, dem Empfang von Besuchen und der Erledigung kleiner Botengänge besteht, ist den haushaltsnahen Dienstleistungen zuzurechnen. Denn die Erbringung von Betreuungsleistungen gehört zu den Tätigkeiten, die im Allgemeinen auch durch Familienmitglieder bzw. Angehörige erbracht werden.
3.
Die Klägerin hat die von ihr getragenen Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen durch Vorlage einer Rechnung entsprechend § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG nachgewiesen.
a)
§ 35a Abs. 2 Satz 3 EStG verlangt für die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG u.a., dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung nachweist.
Anders als das Umsatzsteuergesetz --UStG-- (§ 14 UStG) enthalten § 35a EStG und das Einkommensteuergesetz insgesamt keine eigenständige Definition des Rechnungsbegriffs. Der Regelungszweck des § 35a EStG, Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu fördern und die Schwarzarbeit zu bekämpfen (BTDrucks 15/91, 19 ff.), und der herkömmliche Begriff "Rechnung" erfordern indessen, dass sich aus der Rechnung i.S. des § 35a EStG jedenfalls die wesentlichen Grundlagen der steuerlich geförderten Leistungsbeziehung entnehmen lassen. Daher müssen sich aus der Rechnung der Erbringer der haushaltsnahen Dienstleistung als Rechnungsaussteller, der Empfänger dieser Dienstleistung, die Art, der Zeitpunkt und der Inhalt der Dienstleistung sowie die dafür vom Steuerpflichtigen jeweils geschuldeten Entgelte ergeben.
b)
Gemessen daran hat das FG zutreffend die Voraussetzungen einer Rechnung als erfüllt angesehen. Aus der Aufstellung vom 9. Februar 2005 ergaben sich das monatliche Gesamtentgelt, Leistungserbringer und Leistungsempfänger der Dienstleistungen und auch Art, Zeitpunkt und Inhalt der im Haushalt der Klägerin erbrachten Dienstleistungen. Aus der dem Schreiben vom 12. Juli 2007 beigefügten Kostenaufstellung mit prozentualen Mindestanteilen ergaben sich schließlich die Entgeltanteile der Klägerin an den dort im Einzelnen aufgeführten Dienstleistungen.
Ende der Entscheidung
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