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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: VI R 3/02
Rechtsgebiete: EStG, AFG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 10 Abs. 1 Satz 5
AFG § 44
AFG § 45
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Streitig ist, ob im Rahmen der gesonderten Feststellung des am Schluss des Veranlagungszeitraums 1994 verbleibenden Verlustabzugs Umschulungskosten als vorab entstandene Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Jahr 1991 als Biologielaborant Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 1992 schied er aus dem Beschäftigungsverhältnis aus und begann eine Berufsausbildung zum Steuerfachgehilfen mit dem Ziel, sich als Buchführungshelfer selbständig zu machen. Ab April 1995 war er als Angestellter in einer Steuerberaterpraxis tätig.

Wegen Nichtabgabe der Steuererklärung schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen u.a. für das Jahr 1994. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch und reichte zur Begründung die Steuererklärung ein. Hierin gab er an, Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt erhalten zu haben. Außerdem machte er einen Verlust in Höhe von 12 348 DM aus der angestrebten Tätigkeit als Buchführungshelfer mit der Begründung geltend, dass er sich nach bestandener Abschlussprüfung zum Steuerfachgehilfen im Streitjahr 1995 selbständig machen und steuerpflichtige Einnahmen erzielen werde. Der Verlust setzte sich überwiegend aus Reisekosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Aufwendungen für Literatur und Büromaterial (abzüglich der vom Arbeitsamt gezahlten Kostenerstattungen) zusammen.

Das FA folgte zunächst den Angaben des Klägers und setzte die Einkommensteuer für 1994 auf 0 DM fest. Außerdem stellte es den am Schluss des Veranlagungszeitraums 1994 verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer in Höhe von 12 348 DM gesondert fest.

Im Jahr 2000 sah das FA die im Zusammenhang mit der Umschulung geltend gemachten Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese --unter Streichung des Verlusts aus Gewerbebetrieb-- nur noch als Sonderausgaben in Höhe von 900 DM zum Abzug zu. Ferner stellte das FA fest, dass eine gesonderte Feststellung zum Ende des Veranlagungszeitraums 1994 nicht durchzuführen sei, weil kein verbleibender Verlustabzug mehr bestehe (Änderung nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG). Gegen diesen geänderten Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, welcher ohne Erfolg blieb.

Mit der hiergegen gerichteten Klage führte der Kläger aus, die im Zusammenhang mit der Umschulung zum Steuerfachgehilfen angefallenen Aufwendungen stellten vorab entstandene Betriebsausgaben dar. Er --der Kläger-- habe schon 1992 den Entschluss gefasst, den Schritt in die Selbständigkeit zu gehen, da er gute Chancen gesehen habe, als selbständiger Buchführungshelfer und später als Steuerberater Gewinne zu tätigen. Bereits ab 1994 habe er seine ersten eigenen Mandanten betreut. Im Rahmen seines Entschlusses, sich als Buchführungshelfer selbständig zu machen, seien die Kurs- und Seminarkosten entstanden. Damit sei ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit der geplanten Tätigkeit feststellbar. Die Anfangsverluste seien anzuerkennen und führten im Streitjahr zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte, der am Ende dieses Jahres als verbleibender Verlustabzug gesondert festzustellen sei.

Die Klage blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klage sei begründet, soweit ein verbleibender Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1994 in Höhe von 2 700 DM gesondert festzustellen sei. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Verlust aus der Tätigkeit des Klägers als Buchführungshelfer sei im Wege der Schätzung mit 2 700 DM anzusetzen. Die restlichen Aufwendungen seien weder als vorab entstandene Betriebsausgaben im Hinblick auf die Tätigkeit als Buchführungshelfer noch als vorab entstandene Werbungskosten im Hinblick auf die nach Abschluss der Umschulung ab April 1995 ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit zu qualifizieren. Wegen des Berufswechsels handele es sich vielmehr um Berufsausbildungskosten, die nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbar seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 973 zur Rechtssache VI R 2/02 veröffentlichten Gründe Bezug genommen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das angefochtene Urteil widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach seien bereits dann vorab entstandenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen, wenn ein hinreichend klarer Zusammenhang der Aufwendungen mit einer späteren betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit bestehe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1994 dahin gehend zu ändern, dass der verbleibende Verlust mit 12 348 DM (6 332,30 €) festgestellt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die Änderung des Verlustfeststellungsbescheides zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1994 nach § 10 Abs. 1 Satz 5 EStG nur insoweit rechtswidrig ist, als ein Verlust aus der Tätigkeit als Buchführungshelfer zu berücksichtigen und damit ein verbleibender Verlustabzug in Höhe von 2 700 DM gesondert festzustellen ist. Vorliegend kommt ein weiterer verbleibender Verlustabzug in Betracht.

Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten oder Betriebsausgaben sein. Liegt ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vor, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein erstmaliger oder ein anderer Beruf ausgeübt werden soll. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile des Senats vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFHE 202, 314, BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Hiernach können Umschulungskosten auch dann als Erwerbsaufwendungen anzuerkennen sein, wenn die Umschulungsmaßnahme einen Berufswechsel vorbereitet. Entscheidend ist, ob die Bildungsaufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist aber nicht spruchreif und an das FG zurückzuverweisen, weil dieses zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat. Im zweiten Rechtszug wird es die erforderlichen Feststellungen u.a. zur beruflichen Veranlassung der Aufwendungen einschließlich der Zuordnung zu einer Einkunftsart nachzuholen haben. Außerdem wird es die Grundsätze der Urteile vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFHE 202, 299, BStBl II 2003, 749) und vom 22. Juli 2003 VI R 137/99 (BFHE 202, 561, BFH/NV 2003, 1380) zu beachten haben. Insbesondere wird zu klären sein, ob die Ausbildungsstätte als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzusehen ist. Das FG wird ebenfalls zu prüfen haben, ob die Fahrtkosten --wie vom Kläger auch so geltend gemacht-- um die Kostenerstattungen des Arbeitsamts i.S. des § 45 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu kürzen sind. Das Unterhaltsgeld i.S. des § 44 AFG ist dabei nicht zusätzlich anzurechnen (Urteil vom 13. Oktober 2003 VI R 71/02, BFH/NV 2004, 134; Bestätigung der Rechtsprechung im Urteil vom 4. März 1977 VI R 213/75, BFHE 122, 265, BStBl II 1977, 507).

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