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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.12.2008
Aktenzeichen: VI R 3/08
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 2d
EStG § 12 Nr. 1 S. 2
EStG § 34 Abs. 1
EStG § 34 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der alleinstehende, 1965 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als Schuhtechniker bei einer Schuhfabrik (Arbeitgeber) im Inland angestellt. Zur Produktionsüberwachung war er von seinem Arbeitgeber zu dessen Niederlassung nach Ungarn entsandt worden. Auf dem Weg zur dortigen Arbeitsstätte mit dem PKW erlitt er am 9. Oktober 1999 in Ungarn einen Verkehrsunfall. Dabei zog er sich schwere Hirnquetschungen zu und ist seitdem Vollinvalide. Er bezieht eine Sozialversicherungsrente; der Grad seiner Behinderung wurde durch Bescheid vom 14. Oktober 2003 mit 50% festgestellt.

Der Arbeitgeber hatte im Rahmen einer Gruppenunfallversicherung auch für den Kläger eine Versicherung "gegen die wirtschaftlichen Folgen körperlicher Unfälle" abgeschlossen, die "Unfälle in der ganzen Welt" im beruflichen und privaten Bereich umfasste.

Im Jahr 2003 zahlte die Versicherung an den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer wegen des Unfalls einen Betrag von 76 694 EUR. Nach Abzug von Lohnsteuer, Zuschlagsteuern und Sozialabgaben überwies der Arbeitgeber im März 2003 einen Betrag von 51 129 EUR an den Kläger. Weil nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht für den Kläger im Jahr 2003 Ungarn zugestanden habe, erstattete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) dem Kläger die im Jahr 2003 einbehaltene Lohnsteuer einschließlich Zuschlagsteuern. Insoweit wurde der Kläger in Ungarn zur Steuer herangezogen.

Am 20. Dezember des Streitjahres (2006) übergab der Arbeitgeber dem Kläger einen Verrechnungsscheck über 11 605 EUR als Teil der restlichen Versicherungsleistung in Höhe von 25 564 EUR. U.a. wegen des Differenzbetrags erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht. Dort kam es am 25. Januar 2007 zu einem Zwischenvergleich, wonach dem Kläger eine Entgeltbescheinigung für 2006 zur Vorlage beim Finanzamt zu erteilen war. Der Arbeitgeber bescheinigte daraufhin dem Kläger für das Streitjahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 25 564 EUR, den das FA in seinem Einkommensteuerbescheid 2006 vom 21. Juni 2007 berücksichtigte.

Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, dass die Versicherungsleistung keinen Lohnersatz darstelle, sondern Entschädigung für die körperliche Beeinträchtigung sei und den immateriellen Schaden ausgleiche. Im Übrigen hätten wegen des Unfalls gegenüber dem Arbeitgeber sozial- und zivilrechtliche Ansprüche bestanden.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 376 veröffentlichen Gründen statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,

das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zwar hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die im Streitjahr vom Arbeitgeber des Klägers an diesen weitergeleitete Versicherungsleistung selbst nicht als Arbeitslohn anzusehen ist. Im zweiten Rechtsgang wird das FG jedoch noch zu prüfen haben, inwieweit die vom Arbeitgeber entrichteten Beiträge zur Gruppenunfallversicherung im Streitfall zu Arbeitslohn geführt haben und als Werbungskostenersatz geleistet worden sind.

1.

Leistungen aus einer vom Arbeitgeber als Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung sind kein Arbeitslohn. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage in der Sache VI R 9/05 entschieden, dass die aufgrund einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenunfallversicherung an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung nicht zu Arbeitslohn führt. Zum Zufluss von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Auszahlung einer Versicherungsleistung an den Arbeitnehmer führen vielmehr die vom Arbeitgeber zur Erlangung des Versicherungsschutzes des Arbeitnehmers bis zur Auskehrung der Versicherungsleistung erbrachten Beiträge, der Höhe nach begrenzt auf die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung. Bei dem auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallenden Teil der vom Arbeitgeber geleisteten Beiträge zu einer Gruppenunfallversicherung handelt es sich um Werbungskostenersatz. Der als Werbungskostenersatz anzusehende Beitragsanteil führt deshalb auch zu --fiktiv anzusetzenden-- Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der entsprechende steuerpflichtige Arbeitslohn zu saldieren ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe seines zur Veröffentlichung bestimmten Urteils vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05.

2.

Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a)

Ausgehend von den genannten Rechtsgrundsätzen führt im Streitfall die an den Kläger im Jahr 2006 weitergeleitete Leistung aus der Gruppenunfallversicherung --nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des FG nur ein Betrag in Höhe von 11 605 EUR-- nicht zu Arbeitslohn. Als Arbeitslohn zu erfassen sind vielmehr die bis zur Auszahlung dieser Versicherungsleistung vom Arbeitgeber aufgebrachten, auf den Versicherungsschutz des Klägers entfallenden Prämienzahlungen, der Höhe nach begrenzt auf die an den Kläger tatsächlich ausgereichte Versicherungssumme. Allerdings sind die bereits bei einer früheren Auszahlung von Versicherungsleistungen als Arbeitslohn berücksichtigten Prämien bei einer späteren Versicherungsleistung nicht erneut zu erfassen. Da sich der Vorteil der Beitragszuwendung nicht auf einen konkreten Versicherungsfall, sondern ganz allgemein auf das Bestehen von Versicherungsschutz des Arbeitnehmers bezieht, sind jedoch zumindest die seit der vorangegangenen Auszahlung einer Versicherungsleistung entrichteten Beiträge zu berücksichtigen. Die bindenden Feststellungen des FG lassen keine Umstände erkennen, nach denen im Streitfall von einem ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers an der Finanzierung des Unfallversicherungsschutzes auszugehen wäre; der Kläger hat solches auch nicht vorgetragen.

b)

Das FG hat --nach seinem Rechtsstandpunkt zu Recht-- keine Feststellungen zur Höhe der auf den Versicherungsschutz des Klägers entfallenden, von dessen Arbeitgeber bis zur Auszahlung der streitbefangenen Versicherungsleistung gezahlten Prämien getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG diese Feststellungen nachzuholen haben; der auf den Kläger entfallende Teil der Prämien wird ggf. auch im Wege der Schätzung (§ 162 Abs. 1 der Abgabenordnung) zu bestimmen sein. Des Weiteren wird das FG zu prüfen haben, inwieweit die entsprechenden Beiträge auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallen und damit als Werbungskostenersatz geleistet worden sind. Sollten sich insoweit keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen treffen lassen, kann auch dieser Anteil im Schätzungswege bestimmt werden, denn § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) findet auf der Einnahmenseite keine Anwendung (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. August 2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30, m.w.N.). Sollte keiner der Beteiligten einen anderen Aufteilungsmaßstab substantiiert vortragen und nachweisen, so bestünden keine Bedenken, von einer hälftigen Aufteilung der durch die Versicherung abgedeckten beruflichen und privaten Risiken und damit einer hälftigen Aufteilung der Beiträge auszugehen.

Für die Bemessung des im Jahr 2006 in Gestalt der zugewendeten Beiträge zugeflossenen Arbeitslohns ist zwar der auf den Kläger entfallende Anteil der Versicherungsprämien maßgeblich, den der Arbeitgeber des Klägers bis zur Auszahlung der streitbefangenen Versicherungsleistung geleistet hat. Allerdings wird im Streitfall zu berücksichtigen sein, dass nach den Feststellungen des FG eine bereits im Jahr 2003 an den Kläger ausgezahlte Versicherungsleistung als Arbeitslohn behandelt und lohnversteuert worden ist; soweit hierdurch betragsmäßig Prämienzahlungen bereits als Arbeitslohn erfasst worden sind, können diese im Jahr 2006 nicht erneut berücksichtigt werden. Sollte der Arbeitgeber des Klägers seither weitere Prämienzahlungen zugunsten des Klägers geleistet haben, wären jedenfalls diese Beiträge zum Zeitpunkt der Auszahlung der streitbefangenen Versicherungsleistung als Arbeitslohn zu erfassen. Der im Zeitpunkt dieser Versicherungsleistung zugeflossene Arbeitslohn wäre der Höhe nach auf die dem Kläger im Streitjahr ausgekehrte Versicherungssumme zu begrenzen.

Soweit danach der streitbefangene Sachverhalt überhaupt zu Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit führt, wird das FG im zweiten Rechtsgang auch noch zu prüfen haben, ob eine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG für außerordentliche Einkünfte in Gestalt von Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG) zu gewähren ist.

Ende der Entscheidung

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