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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: VI R 30/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5
EStG § 9 Abs. 5
Die Dreimonatsfrist für den Abzug der Verpflegungspauschalen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG) findet auch dann Anwendung, wenn ein Seemann auf einem Hochseeschiff auswärts eingesetzt wird.
Gründe:

Streitig ist, ob (ggf. in welcher Höhe) ein Seemann Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten absetzen kann.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Schiffselektriker bei einer Reederei (Arbeitgeber) beschäftigt. Nach einem Urlaub von rd. 4 Monaten setzte ihn sein Arbeitgeber in der streitbefangenen Zeit vom 20. April bis 19. August 2002 --wie schon Ende des Vorjahres-- auf dem Schiff X ein. Nach einem anschließenden Urlaub war der Kläger vom 1. November bis 18. Dezember 2002 auf einem anderen Schiff auf See. An Bord der X erhielt der Kläger Unterkunft und Verpflegung. Für letztere zahlte er ein Entgelt von bis zu 11,80 € täglich.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, den vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwand für die Dauer des Einsatzes auf der X als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Für die Zeit vom 20. April bis 19. August 2002 seien Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe des Pauschsatzes (24 € täglich) gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten anzuerkennen.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

Die Revision des FA ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass dem Kläger während seines auswärtigen Einsatzes auf dem Schiff X die gesetzlichen Verpflegungspauschalen als Werbungskosten zustehen. Soweit die Vorinstanz aber angeführt hat, die einschlägigen Pauschbeträge stünden dem Kläger für die Zeit vom 20. April bis 19. August 2002, also für vier Monate zu, ist dem nicht beizutreten. Die Pauschbeträge können nur für die ersten drei Monate des Einsatzes in Anspruch genommen werden; dieses hat das FG allerdings rechnerisch zutreffend vollzogen.

1. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 ff. EStG, die für die Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß gelten (§ 9 Abs. 5 EStG), sind Mehraufwendungen für die Verpflegung eines Steuerpflichtigen dann als Werbungskosten abziehbar, wenn dieser vorübergehend von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt entfernt beruflich, d.h. (kurz gesagt) auswärts tätig ist. Hiervon ausgehend war der Kläger während seines rd. vier Monate andauernden Einsatzes auf dem Schiff X beruflich auswärts tätig.

Entgegen der Ansicht des FA stellt das Schiff X während des Einsatzes des Klägers keinen (weiteren) Tätigkeitsmittelpunkt (bzw. keine --weitere-- regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG - vgl. zur Übereinstimmung der Begriffe: z.B. Senatsurteil vom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789) dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist hierunter (nur) der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers zu verstehen; dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers. Wird ein Seemann auf einem Schiff eingesetzt, so stellt dieses keine regelmäßige Arbeitsstätte bzw. keinen Tätigkeitsmittelpunkt dar, weil unter diesem Begriff nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers zu verstehen sind und sich ein Seemann auf einem Schiff auf Auswärtstätigkeit befindet. Im Übrigen wird eine auswärtige Tätigkeitsstätte durch bloßen Zeitablauf von drei Monaten nicht zum Tätigkeitsmittelpunkt bzw. zur regelmäßigen Arbeitsstätte (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., 2005, § 19 Rz. 60, Stichwort: Reisekosten ab VZ 1996, m.w.N.; möglicherweise anderer Ansicht Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 26. Oktober 2005 IV C 5 -S 2353- 211/05, BStBl I 2005, 960, l. Sp. unten - mittelbare Verweisung auf R 37 Abs. 3 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 2005).

2. Verpflegungsmehraufwendungen kann der Kläger jedoch nur für die ersten drei Monate seines Einsatzes steuerlich geltend machen.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG ist der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen wegen Auswärtstätigkeit auf die ersten drei Monate einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt. Mit Urteil vom 27. Juli 2004 VI R 43/03 (BFHE 207, 196, BStBl II 2005, 357) hat der Senat ausführlich dargelegt, dass die Dreimonatsfrist für alle Formen einer Auswärtstätigkeit gilt. Der Senat folgt damit nicht der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung (R 39 Abs. 1 Satz 5 LStR in den seit 1999 geltenden Fassungen); danach soll die Dreimonatsfrist bei einer Fahrtätigkeit oder Einsatzwechseltätigkeit nicht gelten (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 207, 196, BStBl II 2005, 357 unter II. 2., m.w.N.). Nach Ansicht des Senats liegen keine hinreichenden Gründe dafür vor, bei bestimmten Formen von Auswärtstätigkeiten von der typisierenden Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG Ausnahmen zuzulassen. Das vom Gesetzgeber mit der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) verfolgte Ziel, allen Arbeitnehmern mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen, dient der steuerlichen Gleichbehandlung und der Vereinfachung, indem Abgrenzungsprobleme zwischen den einzelnen Formen der Auswärtstätigkeit beseitigt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Mai 2005 VI R 7/02, BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782).

3. Der Ansatz der Verpflegungspauschalen entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger bereits im Vorjahr auf der X eingesetzt worden war. Der Senat tritt dem FA nicht darin bei, es habe sich bei beiden Einsätzen um die nämliche Auswärtstätigkeit gehandelt.

Ungeachtet des Umstands, dass zwischen den beiden in Rede stehenden Einsätzen des Klägers ein Zeitraum von etwa 4 Monaten lag (zur Unterbrechung eines Einsatzes vgl. auch Senatsurteil in BFHE 207, 196, BStBl II 2005, 357 unter II. 3.), findet die gleichbleibende, nämliche Auswärtstätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG bei Reisen auf einem seegehenden Schiff regelmäßig ihr Ende, sobald das Schiff in den Heimathafen zurückkehrt. Läuft das Schiff zu einem späteren Zeitpunkt zu einer neuen Reise aus, beginnt die Dreimonatsfrist zum Abzug der Verpflegungspauschalen von neuem.

4. Mit der Neuregelung des Verpflegungsmehraufwands ab 1996 hat der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen bei Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) einen Rechtsanspruch auf Gewährung der gesetzlichen Pauschbeträge eingeräumt (vgl. auch Senatsurteile in BFHE 209, 502, BStBl II 2005, 782, 784; vom 10. April 2002 VI R 154/00, BFHE 198, 559, BStBl II 2002, 779 unter 2. b cc). Anders als früher und entgegen der Auffassung des FA ist deshalb nicht mehr danach zu fragen, ob der Ansatz der Pauschalen zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde (vgl. von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 158; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Rz. 60, Stichwort: Reisekosten ab VZ 1996).

5. Dem Kläger stehen anlässlich seines auswärtigen Einsatzes auf dem Schiff X die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen (nur) für drei Monate zu. Ob sich die Berechnung der Abwesenheitszeiten des Klägers nach der Grundregel des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG (mit landseitigem Tätigkeitsmittelpunkt) oder nach Satz 3 (ohne landseitigem Tätigkeitsmittelpunkt) richtet, ist im Streitfall nicht von Belang.

Das FG hat in den Gründen seiner Entscheidung zwar angeführt, dem Kläger stünden die Pauschbeträge für vier Monate zu. Rechnerisch hat das FG die Verpflegungspauschalen --wie gesetzlich vorgesehen-- jedoch nur für 91 Tage, d.h. für drei Monate gewährt. Die Entscheidung erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend.

Ende der Entscheidung

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