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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.05.2002
Aktenzeichen: VI R 31/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 53 Satz 3
Bei der Umrechnung des Kindergeldes in einen Freibetrag gemäß § 53 Satz 3 EStG ist auch in den Fällen, in denen das Kind nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums berücksichtigungsfähig war, nur das dem Steuerpflichtigen tatsächlich zustehende Kindergeld und nicht ein fiktiver Kindergeld-Jahresbetrag zugrunde zu legen.
VI R 30/01 VI R 31/01

Gründe:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie haben zwei Kinder, die im August 1988 und im Oktober 1989 geboren wurden. Bei den Veranlagungen zur Einkommensteuer 1988 und 1989 wurden den Klägern entsprechend der damaligen Gesetzeslage für 1988 ein Kinderfreibetrag in Höhe von 2 484 DM und für 1989 zwei Kinderfreibeträge in Höhe von zusammen 4 968 DM gewährt. Der Grenzsteuersatz der Kläger betrug in beiden Streitjahren lediglich 22 v.H.

Mit ihren Klagen gegen die Einkommensteuerbescheide 1988 und 1989 begehrten die Kläger u.a., höhere Kinderfreibeträge zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) setzte die Verfahren mehrfach aus. Mit Urteilen vom 14. Juni 2000 gab es den Klagen insoweit statt, als den Klägern jeweils ein Abzugsbetrag nach § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes zur Familienförderung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2552) zugesprochen wurde. Im Übrigen wies das FG die Klagen ab.

Die Berücksichtigung von Abzugsbeträgen nach § 53 EStG begründete das FG damit, dass die angesetzten Kinderfreibeträge zuzüglich des den Klägern zustehenden, in fiktive Kinderfreibeträge umgerechneten Kindergeldes hinter dem nach § 53 Satz 1 EStG steuerfrei zu stellenden Existenzminimum der Kinder zurückblieben. Bei der Berechnung setzte das FG jeweils den Jahresbetrag des Existenzminimums je Kind und das den Klägern in den Streitjahren tatsächlich zustehende Kindergeld an.

Mit seinen Revisionen rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Verletzung des § 53 EStG. Bei Kindern, die nicht während des gesamten Veranlagungszeitraumes für das Kindergeld berücksichtigungsfähig waren (z.B. im Jahr der Geburt oder im Jahr des Endes des Ausbildung), habe eine Unterhaltspflicht der Eltern nur während eines Teiles des Veranlagungszeitraumes bestanden. Daher sei es nicht gerechtfertigt, bei der Prüfung der hinreichenden Entlastung der Eltern davon auszugehen, dass ein für das ganze Jahr erforderlicher Betrag des Existenzminimums des Kindes freizustellen sei. Anderenfalls würde z.B. das Existenzminimum eines im Dezember geborenen Kindes für diesen Monat mit dem vollen Jahresbetrag berücksichtigt und betrage damit das Zwölffache des Existenzminimums eines im Januar geborenen Kindes. Um dies zu vermeiden, sei das Kindergeld nicht in Höhe des tatsächlich gezahlten Betrages, sondern in Höhe des fiktiven Jahresbetrages in einen Kinderfreibetrag umzurechnen. Im Streitfall sei bei dieser Berechnung das Existenzminimum der Kinder in den Streitjahren bereits vollständig steuerfrei gestellt, so dass eine zusätzliche Entlastung der Kläger nicht in Betracht komme.

Das FA beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger haben sich nicht geäußert.

Das Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz ist gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Revisionsverfahren beigetreten. Auf die Stellungnahme des Beigetretenen im Schriftsatz vom 7. Mai 2002 wird Bezug genommen.

Die --zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen-- Revisionen sind nicht begründet. Sie waren daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern für die Jahre 1988 und 1989 gemäß § 53 EStG weitere Abzugsbeträge von 952 DM bzw. 446 DM zustehen.

1. § 53 EStG legt fest, in welcher Höhe das Existenzminimum eines Kindes in den Jahren 1983 bis 1995 steuerfrei zu belassen ist. In den Streitjahren 1988 und 1989 sind dies gemäß § 53 Satz 1 EStG 4 572 DM bzw. 4 752 DM für jedes Kind. Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass für die Prüfung, ob die gebotene Steuerfreistellung bereits erfolgt ist, das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum zustehende Kindergeld mit dem auf das bisherige zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen anzuwendenden Grenzsteuersatz in einen Freibetrag umzurechnen ist. Dieser fiktive Kinderfreibetrag ist gemäß § 53 Satz 6 EStG mit dem tatsächlich gewährten Kinderfreibetrag zusammenzurechnen und dem Betrag, der nach § 53 Satz 1 EStG mindestens steuerfrei zu belassen ist, gegenüberzustellen. Danach ist festzustellen, ob weiterer Entlastungsbedarf besteht. Bei mehreren Kindern ist dabei die Umrechnung nicht für jedes Kind gesondert, sondern bezogen auf die Gesamtzahl der Kinder vorzunehmen (Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Schreiben vom 14. März 2000 IV C 4 -S 2282a- 35/00, BStBl I 2000, 413, Tz. 7).

2. Im Falle der Kläger führt die Prüfung zu einer weiteren Steuerfreistellung in den Streitjahren. Nach der von dem FG zutreffend angewandten Berechnungsmethode ist dabei jeweils von dem Jahresbetrag des Existenzminimums eines Kindes auszugehen, wohingegen nur das den Klägern im konkreten Fall zustehende Kindergeld Grundlage einer Umrechnung in einen fiktiven Kinderfreibetrag sein kann.

a) § 53 Satz 1 EStG nennt bestimmte Jahresbeträge, die für jedes berücksichtigungsfähige Kind als Existenzminimum steuerfrei zu belassen sind. Eine Aufteilung für solche Kinder, die nicht während des gesamten Veranlagungszeitraums berücksichtigungsfähig waren, etwa in der Weise, dass für jeden Monat der Berücksichtigungsfähigkeit ein Zwölftel des Betrages anzusetzen sei, ist nicht vorgesehen. Wenn der Gesetzgeber eine Zwölftelung eines Jahresbetrages beabsichtigt, so muss er dies --wie etwa in § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG geschehen-- regeln. Fehlt eine entsprechende Regelung, ist für eine Zwölftelung kein Raum.

b) § 53 Satz 3 EStG bestimmt, dass "das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum zustehende Kindergeld" in einen Freibetrag umzurechnen ist. In Fällen, in denen das Kind nicht während eines ganzen Veranlagungszeitraums berücksichtigungsfähig war, stand den Eltern Kindergeld nicht für das ganze Jahr, sondern nur für die Monate der Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes zu. Nur dieses unterjährige Kindergeld kann nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in einen fiktiven Kinderfreibetrag umgerechnet werden, nicht hingegen ein fiktiver Kindergeld-Jahresbetrag (ebenso Berlebach, Familienleistungsausgleich, Stand August 2001, § 53 EStG Rz. 25; Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 53 Rz. 3). Dem Gesetzgeber musste bewusst sein, dass es bei der Umrechnung zu einer Kollision zwischen dem Jahresprinzip des § 53 Satz 1 EStG (Jahresexistenzminimum) und dem beim Kindergeld geltenden Monatsprinzip kommen würde. Wenn er dennoch das Gesetz eindeutig dahin gehend formuliert hat, dass das dem Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum zustehende Kindergeld in einen Freibetrag umzurechnen sei, bleibt für eine Auslegung i.S. der vom FA geforderten Umrechnung eines (fiktiven) Kindergeld-Jahresbetrages kein Raum (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 413, Tz. 4; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 53 EStG Anm. 30; ders., Finanz-Rundschau 2000, 581, 587 f.; Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 53 EStG Anm. 16; Ross in Deutsche Steuer-Zeitung 2000, 205). Die Ausführungen des Beigetretenen in seiner schriftlichen Stellungnahme bieten dem Senat keinen Anlass, den eindeutigen Gesetzesbefehl zu negieren.

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