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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: VI R 38/02 (1)
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 5 Abs. 3
FGO § 60 Abs. 3 Satz 1
FGO § 123 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die wirksame Übertragung eines Kinderfreibetrags.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine frühere Ehefrau A (die Beigeladene) sind Eltern einer gemeinsamen Tochter. Ende 1992 kam es zu unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den geschiedenen Elternteilen, in deren Verlauf der Rechtsanwalt des Klägers in zwei an die Anwälte der Frau A gerichteten Schreiben vom 25. Januar 1993 und vom 1. Juni 1993 den Verzicht des Klägers auf den ihm zustehenden Kinderfreibetrag für die Tochter in den Raum stellte. Die daraufhin von den Anwälten der Beigeladenen angeforderte Unterschrift unter die Anlage "K" zur Einkommensteuererklärung leistete der Kläger indessen nicht. In der Folge beantragte Frau A unter Vorlage der genannten beiden anwaltlichen Schriftsätze in ihren Einkommensteuererklärungen neben den ihr selbst zustehenden Freibeträgen auch den auf den Kläger entfallenden Kinderfreibetrag, der ihr vom Beklagten und Revisionsbeklagten (dem für sie zuständigen Finanzamt --FA--) bei ihrer Veranlagung für die Streitjahre 1993 bis 1995 jeweils auch zuerkannt wurde.

Später erlangte das FA davon Kenntnis, dass für die gleichen Jahre auch dem Kläger ein Kinderfreibetrag gewährt worden war. Es änderte daraufhin mit Bescheiden vom 7. Oktober 1996 die noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide der Frau A ab und ließ bei ihr den auf den Kläger entfallenden Kinderfreibetrag nunmehr unberücksichtigt.

Gegen diese Änderungen legte Frau A jeweils Einspruch ein. Das FA zog den Kläger zu den Einspruchsverfahren hinzu. Es gelangte sodann zu der Auffassung, der Kläger habe den ihm zustehenden Kinderfreibetrag aufgrund der in den anwaltlichen Schriftsätzen gewählten Formulierungen wirksam auf Frau A übertragen, und half den Einsprüchen ab, indem es die gegen Frau A erlassenen Änderungsbescheide wieder aufhob. Dem Kläger erteilte das FA eine Entscheidung gleichen Inhalts.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) mit dem Antrag, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA bei Frau A für die Streitjahre nur den hälftigen Kinderfreibetrag zu berücksichtigen.

Das FG wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 910 veröffentlichten Gründen ab, ohne Frau A an dem finanzgerichtlichen Verfahren zu beteiligen. Dabei ging das FG davon aus, dass nach Maßgabe der Erwägungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in dessen Beschluss vom 4. Juli 2001 VI B 301/98 (BFHE 195, 50, BStBl II 2001, 729) im Streitfall die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung (§ 60 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht erfüllt seien.

Gegen das Urteil des FG hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA die Einkommensteuerbescheide der Frau A für die Streitjahre dahin gehend zu ändern, dass bei Frau A der auf den Kläger entfallende Kinderfreibetrag nicht berücksichtigt wird.

Das FA tritt der Revision entgegen.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 11. Mai 2005 VI R 38/02 (BFH/NV 2005, 1456, zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, dass Frau A gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO zum Verfahren notwendig beizuladen ist, und die Beiladung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO im Revisionsverfahren nachgeholt.

Die Beigeladene rügt, es sei verfahrensfehlerhaft versäumt worden, sie bereits zur Verhandlung des Rechtsstreits in der ersten Instanz beizuladen. Sie macht geltend, sich noch zu den tatsächlichen Umständen des Streitfalls äußern zu wollen, und beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

II. Das vorinstanzliche Urteil ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 2 FGO).

1. Eine Zurückverweisung hat von Amts wegen zu erfolgen, wenn der erst im Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat. Ein solches Interesse liegt vor, wenn der Beigeladene deutlich macht, dass er eine weitere Sachaufklärung anstrebt, und wenn das Begehren nicht von vornherein abwegig erscheint (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 126 FGO Rz. 58). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Beigeladenen aufgrund der zunächst verfahrensfehlerhaft unterbliebenen Beiladung verwehrt war, sich in der Tatsacheninstanz zu dem Streitgegenstand zu äußern und Einfluss auf die tatrichterlichen Feststellungen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt zu nehmen. An diese Feststellungen wäre der BFH als Revisionsgericht bei der rechtlichen Würdigung des Streitfalls gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), und zwar gegebenenfalls auch zum Nachteil des Beigeladenen, auf den sich die Rechtskraft der zu erlassenden Entscheidung erstreckt (§ 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 57 Nr. 3 FGO).

Das FG hat die Klage erstinstanzlich abgewiesen und den Rechtsstreit damit auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen im Ergebnis im Sinne der Frau A entschieden. Indessen zieht die Revision des Klägers aus dem festgestellten Sachverhalt gerade die gegenteiligen rechtlichen Schlüsse. Frau A hat angeführt, sich dazu noch in tatsächlicher Hinsicht äußern zu wollen. Es kann nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass es auf diesen ergänzenden Sachvortrag bei der Entscheidung über die Revision ankommen wird.

2. Der erkennende Senat verweist den Rechtsstreit wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache an den zuständigen Senat des FG in der sich aus § 5 Abs. 3 FGO ergebenden Besetzung (Vollsenat) zurück (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1996 VI R 98/95, BFHE 180, 509, BStBl II 1996, 478).

Ende der Entscheidung

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