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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: VI R 40/02
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 105 Abs. 5
EStG § 3c
EStG § 3 Nr. 12
EStG § 3 Nr. 12 Satz 1
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihr gemeinsamer Familienwohnort ist X. Der Kläger war aktiver Soldat und wurde vom Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) für die Zeit vom 18. Dezember 1991 bis zum 30. September 1993 als Referent an das Innenministerium Thüringen kommandiert. Für diese Zeit wurde ihm nach den Richtlinien des BMVg vom 23. Mai 1991 --VR I3-- Az.: 19-02-10/25 eine nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreie Aufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 2 500 DM gewährt. Nach den Richtlinien, die den Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 20. März 1991 berücksichtigen und auf dem Beschluss der Bundesregierung vom 17. April 1991 beruhen, sollte die Entschädigung dem Ausgleich der mit dem dienstlich begründeten Aufenthalt im Beitrittsgebiet verbundenen besonderen Aufwendungen dienen.

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung der Kläger für das Streitjahr 1992 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 19 612 DM, für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 5 400 DM sowie für Fahrten mit dem eigenen PKW zwischen der Unterkunft und der Arbeitsstätte in Höhe von 3 087,50 DM und zum Studiumzentrum Z (neue Bundesländer) in Höhe von 1 300 DM (insgesamt: 29 399,50 DM) geltend. Darüber hinaus beantragte der Kläger die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten (Beiträge an den Bundeswehrverband, Kosten für Literatur und Reinigung der Uniform, Gebühren für die Fernuniversität Hagen und Portokosten) in Höhe von insgesamt 1 672 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Gruppe der Aufwendungen mit dem Gesamtbetrag von 29 399,50 DM nicht zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers zu und gewährte lediglich den Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 2 000 DM (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG). Dementsprechend setzte das FA durch Bescheid vom 3. Januar 1994 die Einkommensteuer für 1992 auf 17 398 DM fest. Dagegen haben die Kläger Einspruch erhoben. Sie waren der Auffassung, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Beitrittsgebiet als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen seien und eine Verrechnung mit der steuerfreien Aufwandsentschädigung außer Betracht bleiben müsse. Das FA wies den Einspruch durch Bescheid vom 4. Februar 1994 zurück. Zur Begründung hat es angeführt, die nach § 3 Nr. 12 EStG gezahlten Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit im Beitrittsgebiet seien auf alle Werbungskosten im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit anzurechnen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 1994 dargestellten Gründen ab. Es sah gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend wies das FG darauf hin, § 3c EStG verbiete den Werbungskostenabzug von beruflich veranlassten Aufwendungen, soweit die Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden. Im Streitfall bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Aufwendungen und der gezahlten Aufwandsentschädigung, die trotz des Verstoßes der ihr zugrunde liegenden Vorschriften gegen das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgende Gebot der Steuergerechtigkeit unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nach § 3 Nr. 12 EStG für das Streitjahr als steuerfrei zu behandeln sei (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BStBl II 1999, 502). Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang bestehe darin, dass die Aufwandsentschädigung nach ihrer Zweckbestimmung dem Ausgleich der durch den dienstlich begründeten Aufenthalt im Beitrittsgebiet verursachten besonderen Aufwendungen dienen sollte und die in Rede stehenden Aufwendungen ausnahmslos durch die Tätigkeit des Klägers im Beitrittsgebiet veranlasst worden seien. Da die Aufwendungen von insgesamt 29 399,50 DM die erhaltene Aufwandsentschädigung von 30 000 DM nicht überstiegen, sei der Werbungskostenabzug insoweit zu verwehren.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 3c EStG. Das FA habe zur Begründung der Nichtberücksichtigung der weiteren Werbungskosten alleine darauf abgestellt, dass die geltend gemachten Ausgaben des Klägers mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden und daher gemäß § 3c EStG nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden dürften. Die Aufwandsentschädigung sei dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch steuerfrei belassen worden, obgleich die Regelung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG zwischenzeitlich durch das BVerfG für unvereinbar mit dem GG erklärt worden sei (BVerfG-Beschluss in BStBl II 1999, 502). § 3c EStG sei nicht anwendbar.

Selbst wenn man § 3c EStG für anwendbar halte, bestehe entgegen der durch den Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 26. März 2002 VI R 26/00 (BFH/NV 2002, 1085) geäußerten Auffassung kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Ausgaben und den steuerfreien Einnahmen. Gerade das Erfordernis eines wirtschaftlichen Zusammenhangs bedeute, dass die steuerfreie Einnahme wirtschaftlich gerade ein Ausgleich für die getätigte Ausgabe darstellen solle. Ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang sei hier aber nicht zu erkennen. Der BFH sehe die steuerfreie Einnahme selbst zumindest überwiegend, wenn nicht gar ausschließlich als Stellenzulage an. Wenn aber auf der einen Seite durch die geltend gemachten Werbungskosten finanzielle Mehraufwendungen als steuerlich absetzbar geltend gemacht würden, auf der anderen Seite eine "Aufwandspauschale" in erster Linie als "Arbeitsanreiz" steuerfrei belassen werde, so bestehe die Gefahr doppelter steuerlicher Begünstigung nicht, da völlig verschiedene Aufwendungen bzw. Belastungen ausgeglichen werden sollten.

Soweit der BFH seine im vorbezeichneten Urteil vertretene Rechtsauffassung aufrechterhalten sollte, könne das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Denn dann wäre ein erheblicher Teil der Werbungskosten abzugsfähig. Der nichtabziehbare Teil der Werbungskosten wäre dann nach dem Verhältnis zu bemessen, in dem die steuerfreien Einnahmen zu den betreffenden Gesamteinnahmen stünden.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 4. Februar 1994 den Einkommensteuerbescheid vom 3. Januar 1994 dahin gehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 1992 unter Berücksichtigung von Werbungskosten in Höhe von insgesamt 31 072 DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anderweitig festgesetzt wird.

Das FA tritt der Revision entgegen.

Aufgrund der neuesten Entscheidung des BFH in BFH/NV 2002, 1085 seien die Werbungskosten in einen abziehbaren und einen nach § 3c EStG nichtabziehbaren Teil nach dem Verhältnis aufzuteilen, in dem die steuerfreien Einnahmen zu den Gesamteinnahmen stünden.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Wie der Senat nach Ergehen des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind zwar Aufwendungen aus Anlass einer doppelten Haushaltsführung nur abzüglich hierfür steuerfrei gewährter Trennungsgelder zu berücksichtigen, jedoch sind solche und andere Werbungskosten nicht generell mit der Zulage-Ost zu verrechnen. Vielmehr sind die Werbungskosten gemäß § 3c EStG lediglich zu dem Teil nicht abziehbar, der dem Verhältnis der steuerfrei gewährten Zulage-Ost zu den in dem Zeitraum der Tätigkeit im Beitrittsgebiet erzielten Gesamteinnahmen entspricht. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil des Senats in BFH/NV 2002, 1085 verwiesen.

Danach wird das FG zunächst festzustellen haben, welcher Betrag nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG abziehbar war und nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei zugewendet werden konnte. Dabei ist zu beachten, dass bei einer doppelten Haushaltsführung auch im Beitrittsgebiet nicht Dienstreiseregeln fingiert werden konnten (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1999 VI B 157/99, BFH/NV 2000, 433, sowie den Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 6. Juli 2000 2 BvR 159/00, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2000, 843). Sonach wird das FG festzustellen haben, welcher Teil der berücksichtigungsfähigen Werbungskosten nach den obigen Grundsätzen gemäß § 3c EStG vom Abzug ausgeschlossen ist.

Ende der Entscheidung

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