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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.08.2004
Aktenzeichen: VI R 40/03
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 |
2. Der Heimatflughafen ist regelmäßige Arbeitsstätte einer Flugbegleiterin. Für ihre dortige Tätigkeit --z.B. für Fortbildungsveranstaltungen-- sind Verpflegungsmehraufwendungen daher nicht zu berücksichtigen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob eine Flugbegleiterin Verpflegungsmehraufwendungen und Kosten für gelegentliche Hotelübernachtungen anlässlich von Fortbildungsveranstaltungen an ihrem Einsatzflughafen als Werbungskosten abziehen kann.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Flugbegleiterin; sie ist verheiratet und wohnt im Ausland. Ihr Einsatzflughafen ist Frankfurt. Gemäß Tarifvertrag verbringt sie dort vor jedem Flug 1,25 Stunden und danach eine weitere halbe Stunde. Auf die Tätigkeit am Flughafen Frankfurt entfällt ein Anteil von 4 % bis 10 % ihrer Arbeitszeit.
Abhängig von Beginn oder Ende ihres Dienstes übernachtete die Klägerin gelegentlich in Frankfurt im Hotel; daraus entstanden ihr im Jahr 1999 Kosten in Höhe von 750 DM. Im Jahr 2000 hatte sie für insgesamt 1 800 DM ein Stand-by-Hotelzimmer angemietet. Für die Übernachtungen machte sie Kosten einer doppelten Haushaltsführung geltend. Außerdem nahm sie an Fortbildungsveranstaltungen ihrer Arbeitgeberin am Flughafen Frankfurt teil. Darin sah sie Dienstreisen und machte u.a. Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 712 DM (1999) und 506 DM (2000) sowie Hotelkosten in Höhe von 674 DM (1999) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht. Er ließ lediglich die Hotelkosten für das Jahr 2000 zum Abzug zu, weil die Finanzverwaltung wegen einer Änderung in R 43 Abs. 1 Satz 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) die Zahl der Übernachtungen von diesem Jahr an als unerheblich ansieht.
Einsprüche und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) entschied, weder die Übernachtungskosten noch die Verpflegungsmehraufwendungen seien Werbungskosten i.S. des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dienstreisen lägen nicht vor, weil es sich um Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte gehandelt habe. Die Klägerin sei einer Fahrtätigkeit nachgegangen. Da ihr Einsatzort nicht ständig gewechselt habe, lägen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor. Es handele sich nicht um eine doppelte Haushaltsführung. Bei gelegentlichen Hotelübernachtungen fehle es an dem begrifflich für das "Wohnen" erforderlichen gewissen Dauerzustand. Beruflich veranlasste Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort seien außerhalb des Tatbestandes einer doppelten Haushaltsführung als gemischte Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 EStG vom Abzug ausgeschlossen, wie durch die Behandlung der Mehraufwendungen bei Alleinstehenden ohne eigenen Hausstand bestätigt werde. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 92 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin nur noch den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich der Fortbildungsveranstaltungen und --für das Streitjahr 1999-- der Übernachtungskosten am Fortbildungsort. Zwar sei der Frankfurter Flughafen bezüglich der Fahrtkosten als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen. Das gelte jedoch hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen nicht. Denn der Umfang der dortigen Tätigkeit unterschreite die in R 37 Abs. 2 Satz 3 LStR 1999 aufgeführten Grenzen, über die sich das FG zu Unrecht und ohne eingehende Auseinandersetzung hinweggesetzt habe. Da der Flughafen hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen nicht regelmäßige Arbeitsstätte sei, müssten für die Fortbildungsveranstaltungen Dienstreisegrundsätze gelten. Gleiches gelte für die nicht berücksichtigten Übernachtungskosten im Jahr 1999 anlässlich der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen.
Die Klägerin beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich von Fortbildungsveranstaltungen in Höhe von 712 DM (1999) und 506 DM (2000) sowie Übernachtungskosten am Fortbildungsort für 1999 in Höhe von 674 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Flughafen sei jedenfalls neben dem Flugzeug als weitere regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin anzusehen, weil sie dort einen wesentlichen Teil ihrer geschuldeten Arbeitsleistung ausgeführt habe. Unerheblich sei, ob der Umfang der Tätigkeit am Flughafen die in R 37 Abs. 2 Satz 3 LStR 1999 aufgeführten Grenzen unterschritten habe. Könne nämlich der Betrieb ohne weitere Ermittlungen als regelmäßige Arbeitsstätte anerkannt werden, wenn die dortige Arbeitszeit die genannten Grenzen überschreite, folge daraus noch nicht, dass bei einem Unterschreiten keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegen könne. Übernachtungskosten könnten im Streitjahr 1999 nicht abgezogen werden. Es handele sich um Aufwendungen für die Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Während der Fortbildungsveranstaltungen hätten weder Dienstreisen noch eine Fahrtätigkeit vorgelegen, so dass eine Abziehbarkeit nicht infrage komme.
II.
Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet (§ 126 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die aus beruflichem Anlass entstandenen Kosten für gelegentliche Hotelübernachtungen am Einsatzflughafen sind Werbungskosten.
a) Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind, sind Werbungskosten; sie müssen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv seiner Förderung dienen (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BFH/NV 2004, 872, m.w.N.). Kosten für gelegentliche, beruflich veranlasste Hotelübernachtungen sind danach als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abzuziehen (gl.A. von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. G 52; Küttner/Thomas, Personalbuch 2004 "Doppelte Haushaltsführung", Rz. 7).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Hotelkosten kamen zu den Kosten des Haushalts am Lebensmittelpunkt hinzu, weil die Klägerin aus beruflichem Anlass in Frankfurt übernachten musste.
b) Entgegen der Auffassung des FG und des FA handelt es sich nicht um gemischte Aufwendungen, die dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG unterliegen. Denn auch Kosten für beruflich veranlasste auswärtige Übernachtungen gehören zu den im Rahmen des objektiven Nettoprinzips abziehbaren beruflichen Aufwendungen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98 und 1735/00, BStBl II 2003, 534 unter C. II. 1.). Das folgt aus der Grundentscheidung des deutschen Einkommensteuerrechts, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst am Werktor beginnen zu lassen; auch im Schnittbereich von beruflicher Sphäre und privater Lebensführung liegende Mobilitätskosten werden dementsprechend als Werbungskosten anerkannt (BVerfG-Beschluss in BStBl II 2003, 534).
c) Unschädlich ist --entgegen der Ansicht des FG--, dass eine doppelte Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG) nicht vorlag, weil die Klägerin nicht am Beschäftigungsort in Frankfurt wohnte.
aa) Die Mindestvoraussetzungen für ein "Wohnen" am Beschäftigungsort waren nicht erfüllt. Wie das FG zutreffend entschieden hat, genügen dafür gelegentliche Hotelübernachtungen nicht (gl.A. BFH-Urteil vom 22. April 1998 XI R 59/97, BFH/NV 1998, 1216). Denn es fehlt an der erforderlichen, auf eine gewisse Dauer angelegten ständigen Nutzungsmöglichkeit (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juni 1988 VI R 85/85, BFHE 154, 59, BStBl II 1988, 990; von Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rdnr. G 52; Lang in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 9 EStG Rn 331; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 9 Rz. 143). Wie sich aus den Feststellungen des FG ergibt, übernachtete die Klägerin nur dann in einem Hotelzimmer, wenn es gelegentlich wegen der Dienstzeiten erforderlich war. Sie führte daher --jedenfalls im Streitjahr 1999-- keinen doppelten Haushalt.
bb) Das steht jedoch --anders als das FG meint-- einem Abzug der Hotelkosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht entgegen, wie aus dem objektiven Nettoprinzip folgt (vgl. BVerfG in BStBl II 2003, 534; s. dazu oben unter b). Die Übernachtungskosten kamen aus beruflichem Anlass zu den Kosten des Haushalts am Lebensmittelpunkt hinzu.
cc) Zwar hat der XI. Senat zur Einkommensteuer 1994 entschieden, Kosten gelegentlicher Hotelübernachtungen am Beschäftigungsort könnten nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden (Urteil in BFH/NV 1998, 1216). Seither hat sich die Rechtslage jedoch durch die Neuregelung der doppelten Haushaltsführung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG (s. Art. 1 Nr. 14 des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995, BGBl I, 1250, und Art. 1 Nr. 7 des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15. Dezember 2003, BGBl I, 2645) sowie durch die Entscheidung des BVerfG in BStBl II 2003, 534 (s. dazu oben unter b) so grundlegend geändert, so dass der Senat nicht von der vorgenannten Entscheidung des XI. Senats abweicht.
2. Verpflegungsmehraufwendungen kann die Klägerin nicht abziehen, weil sie am Einsatzflughafen nicht auswärts tätig war.
a) Regelmäßige Arbeitsstätte ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 2003 VI R 190/97, BFHE 203, 111, BFH/NV 2003, 1646 unter Bezugnahme auf R 37 Abs. 2 Satz 1 LStR, insoweit seit den Streitjahren unverändert). Es ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitsstätten haben kann (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 VI R 199/84, BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296). Der Betriebssitz oder sonstige Stätten oder Einrichtungen des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht, können nebeneinander bestehende regelmäßige Arbeitsstätten sein (BFH-Urteil vom 7. Juni 2002 VI R 53/01, BFHE 199, 329, BStBl II 2002, 878).
b) Danach war der Einsatzflughafen in Frankfurt regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin, wie das FG zutreffend entschieden hat. Denn dort befanden sich betriebliche Einrichtungen ihres Arbeitgebers, die die Klägerin mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsuchte, um einen Teil ihrer Arbeitsleistung --in Gestalt der Flugvor- und Nachbereitung sowie gelegentlicher Fortbildung-- zu erbringen (ebenso für einen Flugzeugführer BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 VI R 30/02, BFHE 201, 308, BStBl II 2003, 495).
c) Die Klägerin beruft sich demgegenüber zu Unrecht auf R 37 Abs. 2 Satz 3 LStR (seit 1999). Zwar kann danach bei einem außerhalb des Betriebs tätigen Arbeitnehmer ohne weitere Ermittlungen der Betrieb als regelmäßige Arbeitsstätte anerkannt werden, wenn der Arbeitnehmer dort regelmäßig in der Woche mit mindestens 20 % seiner vertraglichen Arbeitszeit oder durchschnittlich im Kalenderjahr an einem Arbeitstag je Arbeitswoche tätig wird. Aus dieser Vereinfachungsregelung der Verwaltung lässt sich jedoch --worauf das FA zu Recht hingewiesen hat-- nicht der Umkehrschluss ziehen, dass bei einem Unterschreiten der Grenzen keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegen kann; das folgt bereits aus der Formulierung.
d) Da der Flughafen in Frankfurt regelmäßige Arbeitsstätte der Klägerin ist, lag bei den Fortbildungsveranstaltungen keine Auswärtstätigkeit vor. Verpflegungsmehraufwendungen kommen daher weder unter dem Gesichtspunkt der Dienstreise noch der Einsatzwechsel- oder Fahrtätigkeit in Betracht. Auch eine doppelte Haushaltsführung lag nicht vor (s. oben unter 1. c aa). Verpflegungsmehraufwendungen waren daher nicht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG).
3. Die Sache ist spruchreif.
a) Für das Streitjahr 1999 sind zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 1 386 DM abzuziehen. Zwar sind die beantragten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 712 DM nicht zu berücksichtigen. Da der Klägerin jedoch --wie das FG festgestellt hat-- außerhalb der Fortbildungsveranstaltungen mit der Revision nicht mehr geltend gemachte, beruflich veranlasste Hotelkosten in Höhe von 750 DM entstanden sind, sind diese im Rahmen des Revisionsantrags zusätzlich zu den während der Fortbildungsveranstaltungen angefallenen Hotelkosten in Höhe von 674 DM im Wege der Saldierung anstelle der beantragten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 712 DM zu berücksichtigen.
b) Für das Streitjahr 2000 ist die Revision unbegründet, da der Klägerin die beantragten Verpflegungsmehraufwendungen nicht zustehen.
Ende der Entscheidung
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