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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: VI R 5/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 | |
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) produziert Werbefilme. Dazu verpflichtet sie in größerem Umfang ausländische Models (Fotomodelle), die durch Agenturen vertreten werden. Auftraggeber der Produktionen sind Werbeagenturen, die wiederum Beauftragte des jeweiligen Produktherstellers sind. Nach einem von der Werbeagentur und dem Produkthersteller festgelegten Profil werden für die Auswahl des oder der Darsteller Probeaufnahmen mit zehn bis fünfzehn Models durchgeführt (Casting). Die darstellenden Models werden gemeinsam mit dem Regisseur, der in der Regel von der Werbeagentur und dem Produkthersteller bestimmt wird, ausgewählt. Die Drehzeit der Werbefilme beansprucht einen Zeitraum von ein bis drei Tagen. Die Beschäftigung der ausgewählten Models bei der Klägerin beschränkt sich regelmäßig auf einen Werbespot. Die Vergütung setzt sich aus der Gage für das Drehen eines Werbespots und dessen Weiterverwendung (Wiederholungshonorar; sog. Buy-Out) zusammen. Der Ersatz von Spesen, Agenturprovisionen und Überstundenentgelten ist unterschiedlich vereinbart. Eine Vergütung auch im Krankheitsfall ist regelmäßig nicht vorgesehen.
Die Klägerin unterwarf die in den Streitjahren 1996 bis 1998 an die ausländischen Models ausgezahlten Gagen und Wiederholungshonorare nicht dem Lohnsteuerabzug. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass die Models als Arbeitnehmer zu beurteilen seien und deshalb für sie Lohnsteuer einzubehalten sei. Das FA nahm die Klägerin daraufhin wegen nicht abgeführter Lohnsteuer in Haftung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgericht (EFG) 2006, 409 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist nicht begründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung ist möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn die Klägerin war nicht Arbeitgeberin der Models und demgemäß nicht verpflichtet, für diese Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG), die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Arbeitnehmerbegriff zutreffend auslegen, liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150 - 152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 23. Oktober 1992 VI R 59/91, BFHE 170, 48, BStBl II 1993, 303; vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 199, 534).
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass der Arbeitnehmerbegriff sich nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen lässt. Das Gesetz bedient sich nicht eines tatbestandlich scharf umrissenen Begriffs. Es handelt sich vielmehr um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist deshalb anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Hierzu hat der BFH im Urteil in 144, 225, BStBl II 1985, 661 zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Diese Aufgabe obliegt in erster Linie den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz. Die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar (BFH-Beschlüsse vom 9. September 2003 VI B 53/03, BFH/NV 2004, 42; vom 9. November 2004 VI B 150/03, BFH/NV 2005, 347; vom 16. November 2006 VI B 74/06, BFH/NV 2007, 235; Urteil vom 7. November 2006 VI R 81/02, BFH/NV 2007, 426, jeweils m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Models selbständig tätig geworden sind. Diese Gesamtwürdigung ist möglich; sie lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die gegen die Gewichtung der Einzelmerkmale und damit gegen das vom FG gefundene Gesamtergebnis vorgebrachten Einwendungen des FA greifen nicht durch. Die Gewichtung der einzelnen Merkmale des Arbeitnehmerbegriffs ist eine tatrichterliche Aufgabe des FG, die der BFH nur bei Rechtsverstößen überprüfen kann (BFH in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661). Denn bei jeder Gesamtwürdigung ist denkbar, dass das eine oder andere Merkmal anders gesehen werden kann, es aber wegen der Gesamtbetrachtung an Bedeutung in der einen Richtung gewinnt oder verliert (BFH-Urteil vom 1. März 1973 IV R 231/69, BFHE 109, 39, BStBl II 1973, 458).
Zunächst hat das FG zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass die Models nur jeweils äußerst kurzfristig für die Klägerin tätig waren. Bei einer zeitlich nur kurzen Berührung mit dem Betrieb des Auftraggebers ist die Arbeitnehmereigenschaft des Auftragnehmers regelmäßig eher zu verneinen als zu bejahen. Er ist weniger in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen auch nur in geringerem Umfang unterworfen (BFH-Urteile in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661; vom 3. August 1978 VI R 212/75, BFHE 126, 271, BStBl II 1979, 131; vom 10. September 1976 VI R 80/74, BFHE 120, 465, BStBl II 1977, 178). Das FG führt in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 109, 39, BStBl II 1973, 458 richtigerweise aus, dass die Einbindung in den Organisationsablauf eines Betriebs nicht allein für eine nichtselbständige Tätigkeit spricht.
Das FG hat auch zu Recht ein Unternehmerrisiko der Models bejaht. Die Models, die für verschiedene Auftraggeber tätig waren, mussten sich die neuen Aufträge dadurch erarbeiten, dass sie die vorangegangenen jeweils zur Zufriedenheit des Auftraggebers ausführten. Es bestand ansonsten die Gefahr, dass sie bei schlechter Erfüllung des jeweiligen Auftrags nicht erneut engagiert wurden (BFH-Urteil in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661). Es kommt hinzu, dass die Models das Vergütungsrisiko trugen und keinen Anspruch auf Sozialleistungen hatten.
Soweit das FG die Tätigkeit der Models nicht als Ausübung einfacher Tätigkeit qualifiziert hat, ist dies möglich. Das FG weist darauf hin, dass die Tätigkeit eines Models durch persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften sowie Ausstrahlung geprägt ist. Dies unterscheidet sie von einer rein mechanischen Tätigkeit, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen kann. Aber auch insoweit gilt im Übrigen der Grundsatz, dass kein Merkmal isoliert betrachtet werden darf.
Ende der Entscheidung
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