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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.04.2001
Aktenzeichen: VI R 57/98
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 | |
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 |
Gründe:
Der alleinstehende Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Arzt und war bis Mitte 1989 in A beschäftigt. Seit dem 1. Juli 1989 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ... der Universität B und später als wissenschaftlicher Assistent tätig. Außerdem übte er seit 1989 eine selbständige Gutachtertätigkeit aus und bereitete seine Habilitation vor.
Seit September 1984 nutzt der Kläger das Dachgeschoss (2 Zimmer, Bad und Kochnische) im 255 qm großen Einfamilienhaus seiner Mutter in C. Außerdem bewohnt er seit Juli 1989 in B am Arbeitsort eine gemietete, 104 qm große Wohnung (3 Zimmer, Küche, Bad, Balkon), die mit eigenen Möbeln ausgestattet ist. Davon hat er nach seinem Vortrag einen 46 qm großen Raum ausschließlich freiberuflich für seine Gutachtertätigkeit benutzt und die anteiligen Wohnungskosten einschließlich Absetzung für Abnutzung (AfA) als Betriebsausgaben abgezogen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte bei den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 1991 bis 1993 Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung nicht an. Er ging davon aus, dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt nicht in C, sondern in B gehabt habe.
Mit seiner Klage trug der Kläger vor, der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe sich in C befunden. Dort habe er sich an nahezu jedem Wochenende aufgehalten. Er habe in dem Appartement im Haus seiner Mutter einen eigenen Hausstand geführt. Zum Nachweis, dass sich sein Lebensmittelpunkt in C befunden habe, legte der Kläger dem Finanzgericht (FG) "eidesstattliche Versicherungen" von Bekannten aus dem Jahre 1997 vor, aus denen zu entnehmen ist, dass er sich an Wochenenden regelmäßig in C aufgehalten bzw. am Samstag eingekauft habe.
Das FG wies die Klage ab. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus: Zwar könne auch ein alleinstehender Arbeitnehmer nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen doppelten Haushalt führen. Es sei indes schon fraglich, ob der Kläger in C einen eigenen Hausstand unterhalten habe, denn er nutze die Dachgeschossräume lediglich aufgrund einer steuerrechtlich nicht anzuerkennenden mündlichen Absprache mit seiner Mutter. Das könne aber dahinstehen, weil er dort jedenfalls nicht seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er habe in C einen eigenen Hausstand unterhalten, wobei die mündliche Absprache mit seiner Mutter genügt habe. Das FG habe das Tatbestandsmerkmal des "Haupthausstandes" unzutreffend beurteilt. Im Übrigen sei zu rügen, dass das FG den sonstigen Beweisanträgen, insbesondere verschiedenen Zeugeneinvernahmen, aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht entsprochen habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz die Einkommensteuerbescheide 1991, 1992, 1993 aufzuheben und die geltend gemachten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat unter Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die vom Kläger vorgelegten schriftlichen Auskünfte über seinen Aufenthalt in C nicht berücksichtigt.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist, und auch am Beschäftigungsort wohnt. Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des Senats kann auch ein alleinstehender Arbeitnehmer einen doppelten Haushalt führen. Der eigene Hausstand kann unabhängig vom Vorhandensein einer Zurechnungsperson in der bisherigen Wohnung aufrechterhalten werden, wenn der Steuerpflichtige dort seinen Lebensmittelpunkt beibehält und sich dort regelmäßig aufhält, wenn auch jeweils mit Unterbrechungen durch die berufs- bzw. urlaubsbedingte Abwesenheit (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180, und seit dem ständig, zuletzt Urteile vom 12. September 2000 VI R 165/97, BFHE 193, 282, und vom 22. Februar 2001 VI R 192/97, BFH/NV ..., ...).
Wo sich der Mittelpunkt des Lebensinteresses eines nicht verheirateten Arbeitnehmers befindet, ist nach den Gesamtumständen des einzelnen Falles zu beurteilen. Dabei kann u.a. bedeutsam sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen und der anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind, wo sich Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten, ferner die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung beider Wohnungen. Die Anzahl der Familienheimfahrten ist bei nicht verheirateten Arbeitnehmern ein gewichtiges Indiz für die Beantwortung der Frage, wo sich im Einzelfall der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet. Sie ist jedoch lediglich ein Indiz, das nur im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann (Urteil vom 10. Februar 2000 VI R 60/98, BFH/NV 2000, 949).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann die angefochtene Entscheidung nicht aufrechterhalten bleiben.
Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ein Abzug der Aufwendung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (sog. unechte oder zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung) nicht in Betracht kommt. Ob diese Grundsätze über den Veranlagungszeitraum 1992 hinaus fortgeführt werden können, hat der Senat offen gelassen (BFH-Urteil vom 13. März 1996 VI R 103/95, BFHE 180, 139, BStBl II 1996, 375). Das FG hat jedenfalls insoweit ohne Rechtsverstoß festgestellt, dass der Kläger nicht nur vorübergehend --also von vornherein befristet auf drei Jahre-- in Erlangen beschäftigt war. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich der Kläger in B habilitieren wollte, sei davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Klägers in B von vornherein längerfristig angelegt war. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen, die verfahrensfehlerfrei zustande gekommen sind und die weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze verstoßen, sind für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Der Kläger hat außerdem in den Streitjahren in Erlangen eine angemessene Wohnung gehabt.
Der Senat vermag jedoch aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für eine doppelte Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG vorgelegen haben. Zwar hat das FG die vom Kläger vorgetragenen Umstände (Anzahl der Familienheimfahrten, Größe der Wohnung in Erlangen) in vertretbarer Weise gewürdigt. Der Kläger rügt jedoch zu Recht, das FG habe den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt und bei der Tatsachenwürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), weil es die drei schriftlichen Auskünfte nicht berücksichtigt hat. Die Berücksichtigung dieser Auskünfte hätte sich dem FG aufdrängen müssen, nachdem es dem FA (mit Durchschrift an den Kläger) mitgeteilt hatte, die Auskünfte könnten entscheidungserheblich sein.
Die Vorentscheidung ist danach aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG erhält dadurch Gelegenheit, die vom Kläger benannten Personen --erforderlichenfalls als Zeugen-- zu hören und ihre Bekundungen zu würdigen, sowie zu klären, ob der Kläger in Bottrop einen eigenen Hausstand gehabt hat, wenn dies entscheidungserheblich werden sollte.
Ende der Entscheidung
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