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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: VI R 62/97
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2 | |
EStG § 32 Abs. 4 Satz 3 |
1. Bei der Ermittlung des Jahresgrenzbetrages sind die Einkünfte und Bezüge, die das Kind im Kalenderjahr hat, um besondere Ausbildungskosten zu kürzen, und zwar unabhängig davon, ob sie durch Einkünfte oder Bezüge finanziert werden.
2. Besondere Ausbildungskosten sind dem Grunde und der Höhe nach solche tatsächlich angefallenen Aufwendungen des Kindes, die im Rahmen der Einkünfteermittlung als Werbungskosten zu berücksichtigen wären.
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3
Urteil vom 14. November 2000 - VI R 62/97 -
Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1997, 995)
Gründe
Die 1970 geborene Tochter (T) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) studierte 1996 an einer staatlich anerkannten Akademie Modedesign und war daneben nicht selbständig tätig. Die voraussichtlichen Einkünfte der T bezifferte der Kläger auf 15 388 DM (1 449 DM x 12 = 17 388 DM ./. 2 000 DM Arbeitnehmerpauschbetrag). Die Familienkasse des Arbeitsamtes (Beklagter und Revisionskläger --Beklagter--) lehnte den Antrag, ab Januar 1996 Kindergeld zu gewähren, mit der Begründung ab, der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1220, BStBl I 1995, 438) von 12 000 DM werde deswegen überschritten, weil die gezahlten Studiengebühren von jährlich 7 440 DM nicht abgezogen werden könnten.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 995 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG. Er macht geltend, zweckbestimmte Zuwendungen für einen besonderen Ausbildungsbedarf bzw. die hierfür aufgewendeten eigenen Einkünfte des Kindes seien nur in dem engen Rahmen unbeachtlich, wie er sich aus der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG 1996) 63.4.2.5 Abs. 7 (BStBl I 1996, 723) ergebe. In der amtlichen Begründung zu § 32 Abs. 4 EStG (BTDrucks 13/1558, S. 155) seien als Beispiele für Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt seien, ausdrücklich das Büchergeld bei der Begabtenförderung oder bei einem Auslandsstudium die Studiengebühren, Reisekosten und Zuschläge zum Wechselkursausgleich und zur Auslandskrankenversicherung genannt. Danach sollten erkennbar Studiengebühren nur bei einem Auslandsstudium abgezogen werden. Die finanzielle Belastung, die mit einer Ausbildung verbunden sei, werde bei den Eltern steuerlich nicht durch das Kindergeld, sondern den Ausbildungsfreibetrag bzw. die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung gemildert. Die Rechtsauffassung des FG liefe im Ergebnis auf eine Doppelberücksichtigung der Ausbildungsaufwendungen hinaus. Neben der Zahlung von Kindergeld an die Eltern würde die Tochter die Studiengebühren bei ihrer Veranlagung als Sonderausgaben geltend machen können.
Der Beklagte beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er führt aus, die in der amtlichen Begründung gegebenen Beispiele für besondere Ausbildungszwecke enthielten keine abschließende Aufzählung, zumal sich eine diesbezügliche Beschränkung weder aus dem Gesetzeswortlaut noch dem Zweck der Norm ergebe. Die vom Beklagten angenommene Doppelberücksichtigung bestehe nicht. Habe nämlich ein Kind mit Einnahmen von mehr als 12 000 DM Studiengebühren als außergewöhnliche Ausbildungsaufwendungen zu zahlen, so entstünden den Eltern Aufwendungen in derselben Höhe wie bei einem Kind mit niedrigeren Einnahmen ohne Studiengebühren. Abgesehen davon käme die vermeintliche Doppelberücksichtigung bei dem vom Beklagen für absetzbar gehaltenen Auslandsstudiengeld ebenfalls zum Zuge.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und hat sich wie folgt geäußert:
Der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Ausbildungszwecke" sei aus Praktikabilitätsgründen nicht durch einen abschließenden Katalog relevanter Aufwendungen ersetzt worden. Die Verwaltung habe sich bei einer ersten Regelung für eine abschließende Aufzählung entschlossen, was bei Bedarf eine Änderung oder Ergänzung aber nicht ausschließe.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1, BStBl II 1997, 518), nach der eine Typisierung im Steuerrecht auch bei messbaren Unterschieden für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen zulässig sei, wenn der Gesetzgeber sich bei komplizierten Sachverhalten am Regelfall des jeweiligen Lebensbereichs halte, müsse auch für die Gesetzesauslegung gelten. Deswegen dürfe berücksichtigt werden, dass das Studium im Inland --anders als im Ausland-- grundsätzlich gebührenfrei sei. Die Unterscheidung zwischen einem Auslands- und einem Inlandsstudium sei auch deswegen gerechtfertigt, weil im Auslandsstudium über den fachlichen Abschluss hinaus zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten, z.B. vertiefte Sprachkenntnisse, erworben würden und damit ein besonderer Ausbildungszweck verfolgt werde.
Die Verwaltungsregelung, wonach Einkünfte im Gegensatz zu Bezügen nur dann außer Betracht bleiben sollten, wenn sie für Zwecke verwendet werden, für die es dem Grunde nach Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln geben könne, habe folgenden Hintergrund: Bei den zweckgebundenen Bezügen --zumeist Stipendien-- sei für die Familienkassen klar ersichtlich, dass und welche Aufwendungen außer Betracht bleiben sollten. Bei den Einkünften, die das Kind erziele und für seine Ausbildung verwende, müsse aber erst ermittelt werden, inwieweit die Aufwendungen besonderen Ausbildungszwecken dienten. Nach dem aus § 32 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Satz 3 EStG ersichtlichen Gesetzeswillen seien Aufwendungen für übliche Ausbildungszwecke nicht abzuziehen. Die deswegen gebotene Abgrenzung von Aufwendungen für übliche gegenüber besonderen Ausbildungszwecken werde den Familienkassen erleichtert, wenn darauf abgestellt werde, ob grundsätzlich öffentliche Mittel gezahlt werden könnten, da sich deren Vergabe an ähnlichen Kriterien orientiere wie Stipendien.
Die Unterscheidung zwischen üblichen und besonderen Ausbildungszwecken trage dem Umstand Rechnung, dass das Existenzminimum eines Kindes 6 922 DM betrage, während der Grenzbetrag mit 12 000 DM deutlich darüber liege. Dies verkenne, wer nur die Lebenshaltungskosten während der Ausbildungsphase allgemeinen Ausbildungszwecken zuordne und im Übrigen alle Ausbildungskosten als Aufwendungen für besondere Ausbildungszwecke ansehe (so Hartmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1995, 641; Paus, Finanz-Rundschau --FR-- 1996, 337; Hartmann/Paus, Die Steuerwarte 1995, 227). Abgesehen davon sei die bloße Lebenshaltung kein Ausbildungszweck.
Was die Frage einer Doppelberücksichtigung betreffe, könne eine Kürzung der Einkünfte und Bezüge um Ausbildungskosten zu einem Anspruch auf Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag führen, was zugleich den Abzug eines Ausbildungsfreibetrages zur Folge habe. Dagegen bestehe im Verhältnis der Besteuerung der Eltern (hier: Kindergeld oder Kinderfreibetrag) zur Besteuerung des Kindes (hier: Sonderausgaben) kein Korrespondenzprinzip in dem Sinne, dass Ausbildungsaufwendungen mindestens oder höchstens einmal steuerlich zu berücksichtigen seien.
Die Revision ist unbegründet.
1. Der Kindergeldanspruch ab Januar 1996 beruht auf § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG. Danach besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
2. Der Kindergeldanspruch ist für 1996 nicht zu versagen, da die Einkünfte und Bezüge der T gekürzt um die Studiengebühren den Jahresgrenzbetrag von 12 000 DM nicht übersteigen.
a) Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr hat. Nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG bleiben "hierbei", also bei der Ermittlung der schädlichen Grenze, außer Ansatz Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind bzw. Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden. Danach ist zunächst festzustellen, welche finanziellen Mittel (Einkünfte und Bezüge) das Kind hat, von denen die Lebensführung oder die Berufsausbildung bestritten werden kann. Sodann ist dieser Betrag um Aufwendungen für ausbildungsbedingten Mehrbedarf i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG zu kürzen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Verhältnis des Grenzbetrages des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu dem Betrag, der von Verfassungs wegen bei der Besteuerung der Eltern verschont werden muss, wenn --wie in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG-- typisierend angenommen wird, dass die Eltern für den Unterhalt ihres Kindes aufkommen. Wie der Senat in seinem Urteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99 (BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566) entschieden hat, braucht der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von Verfassungs wegen zwar nicht das Existenzminimum eines alleinstehenden Erwachsenen freizustellen. Jedoch wurde in hinreichendem Maße berücksichtigt, dass eine beträchtliche Anzahl der in Berufsausbildung befindlichen über 18 Jahre alten Kinder auswärts untergebracht ist, so dass es an der gemeinsamen Wirtschaftsführung mit den Eltern fehlt. Dagegen wurde in diese Betrachtung nicht einbezogen, dass bei solchen Kindern ausbildungsbedingter Mehrbedarf entstehen kann. Dies war auch nicht erforderlich, da die hierfür benötigten Mittel von den nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgestellten Einkünften und Bezügen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG abzuziehen sind. Die Tatsache, dass der so bereinigte Jahresgrenzbetrag lediglich die --ggf. wegen einer auswärtigen Unterbringung des Kindes erhöhten-- existenziellen Kosten der Lebensführung berücksichtigt, erfordert umgekehrt eine Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG, die sicherstellt, dass das Kindergeld nicht wegen solcher Mittel versagt wird, die für die Lebensführung nicht zur Verfügung stehen, weil sie bereits für besondere Ausbildungszwecke verwendet wurden. In Übereinstimmung hiermit hat der Senat den Bedarf eines behinderten Kindes für existenziell notwendige Lebenshaltungskosten am Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG orientiert und Mittel, die behinderungsbedingten Mehrbedarf abdecken, außer Ansatz gelassen, weil sie für die bloße Lebenshaltung nicht zur Verfügung stehen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72; VI R 40/98, BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75, und VI R 182/98, BFHE 189, 457, BStBl II 2000, 79).
Soweit Aufwendungen für besondere Ausbildungszwecke einerseits bewirken, dass das Kindergeld nicht wegen eines Überschreitens des Jahresgrenzbetrages versagt wird und den Eltern andererseits ein Ausbildungsfreibetrag verbleibt, ist dies vom Gesetz gewollt. Da unterhalb des Jahresgrenzbetrages bleibende Einkünfte und Bezüge des Kindes auf das Kindergeld nicht angerechnet werden, steht dieses den Eltern sowohl zu, wenn das Kind überhaupt keine Einkünfte oder Bezüge hat, als auch, wenn diese den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gerade noch nicht überschreiten. Die Ausgestaltung des Grenzbetrages als Freigrenze folgt aus dem Verzicht des Gesetzes auf eine gleitende Übergangsregelung, die mit erheblichem Verwaltungsmehraufwand verbunden wäre (BFH in BFHE 192, 316, BStBl II 2000, 566). Entsprechendes gilt, wenn der Grenzbetrag mit oder ohne ausbildungsbedingten Mehraufwand nicht überschritten wird. Allerdings kann der Ausbildungsfreibetrag gemindert werden oder entfallen, weil insofern --anders als beim Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag-- im Rahmen des § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG beim Ausbildungsfreibetrag eine Anrechnung stattfindet.
b) Die Freistellung ausbildungsbedingten Mehraufwands ist in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG dergestalt geregelt, dass Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, außer Ansatz bleiben und Entsprechendes für Einkünfte gilt, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden.
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser Regelung weder ein abschließender Katalog relevanter Aufwendungen zu entnehmen noch ist ein Abzug auf Aufwendungen beschränkt, mit denen eine besonders qualifizierte Berufsausbildung finanziert wird, noch kann dem Gesetz eine Beschränkung auf Aufwendungen der Art entnommen werden, für die es öffentliche Mittel gibt.
(1) Das BMF hatte ursprünglich (Schreiben vom 29. September 1995 IV B 6 -S 2000- 60/95, BStBl I 1995, 429, unter Tz. 2.3) den in den Materialien beispielhaft genannten Katalog von außer Ansatz bleibenden Aufwendungen ebenfalls nicht als abschließend angesehen, wobei sich der im Schreiben des BMF in BStBl I 1995, 429, unter Tz. 2.3 angeführte Ersatz von Studiengebühren und Reisekosten nach der Art der Verknüpfung mit den folgenden Beispielen nicht zwangsläufig lediglich auf Auslandsstudien bezog. Auch in den nunmehr verwendeten Richtlinien (DA-FamEStG 1996 63.4.2.5 Abs. 7 bzw. DA-FamEStG 2000 63.4.2.6 Abs. 7, BStBl I 2000, 639) ist nicht eindeutig, ob sich das dort enthaltene "nur" lediglich auf die Begabtenförderung oder auf alle genannten Fälle bezieht. Das kann jedoch dahinstehen, weil --wie das BMF nunmehr zu Recht ebenfalls einräumt-- dem Begriff der besonderen Ausbildungszwecke eine Beschränkung gerade auf die in den Richtlinien erwähnten Beispielsfälle nicht zu entnehmen ist.
(2) Die unterschiedliche Behandlung von Gebühren für ein Studium im Inland oder im Ausland lässt sich nicht damit rechtfertigen, dass im Ausland zusätzliche Qualifikationen erworben würden und damit nicht eine normale, sondern eine besondere Ausbildung verfolgt werde. Das Gesetz stellt nämlich nicht auf die Art der Qualifikation ab, beispielsweise ob das Kind einen Handwerksberuf erlernt oder eine Fachschule, eine Fachhochschule oder eine Universität besucht, sondern darauf, ob in der gewählten Ausbildung besondere Kosten anfallen. Liegen aber solche vor, kann ihr Außerachtlassen nicht mit Rücksicht auf eine angeblich gebotene verfassungskonforme Typisierung verneint werden. Der Umstand, dass bestimmte Aufwendungen --wie beispielsweise Studiengebühren im Inland-- typischerweise nicht anfallen, ist kein Grund, den Abzug im tatsächlich vorliegenden Ausnahmefall zu versagen.
(3) Abgesehen davon, dass sich dem Gesetz selbst nicht eine Beschränkung des Abzugs auf solche Ausbildungsaufwendungen entnehmen lässt, für die es grundsätzlich Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln geben kann (so aber DA-FamEStG 1996 63.4.2.5 Abs. 7 Satz 4 bzw. DA-FamEStG 2000 63.4.2.6 Abs. 7 Satz 4), ist dieses Merkmal auch nicht geeignet, die Anwendung des Gesetzes durch die Familienkassen zu erleichtern. Wegen der Fülle der in Betracht kommenden Förderungsmaßnahmen ist nämlich schwer festzustellen, ob es für Kosten der betreffenden Art Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln grundsätzlich --also unabhängig vom konkreten Einzelfall-- geben kann. Im Übrigen erscheint eine Abzugsbeschränkung auf solche Ausbildungskosten, für die es auch öffentliche Zuschüsse gibt, deswegen nicht sachgerecht, weil bei den Einkünften und Bezügen, die für den Unterhalt oder die Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, ebenfalls nicht unterschieden wird, ob sie aus öffentlichen Mitteln stammen oder nicht.
bb) Ungeachtet der Tatsache, dass in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG der Begriff der Ausbildungszwecke benutzt wird, ist nicht auf die verfolgten Ausbildungsinhalte, sondern auf die dabei anfallenden Kosten abzustellen. Dies ergibt sich aus dem Verhältnis zu § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und daraus, dass Bezüge nur für Kosten bestimmt sein können und dass im zweiten Satzteil der Begriff des Verwendetwerdens gebraucht wird. Die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfasste Geldsumme aus Einkünften und Bezügen, die für Unterhalt oder Ausbildung zur Verfügung steht, soll um den Aufwendungsbetrag gekürzt werden, der bei einer Ausbildung besonders anfällt. Insofern spricht auch die Verwaltung zutreffend vom ausbildungsbedingten Sonderbedarf (vgl. zuletzt DA-FamEStG 2000 63.4.2.6 Abs. 7 Satz 1).
cc) Die Freistellung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs erfolgt nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG in der Weise, dass Bezüge außer Ansatz bleiben, wenn sie für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, während für Einkünfte reicht, dass sie für solche Zwecke verwendet werden. Nach dem Zweck der Vorschrift, aber auch aus Gründen der Gleichbehandlung, ist jedoch eine Auslegung dahin gehend erforderlich, dass ausbildungsbedingte Mehraufwendungen unabhängig davon außer Ansatz bleiben, ob sie durch funktionsgebundene oder andere Bezüge oder durch Einkünfte finanziert werden.
(1) Bei Überschreiten des Jahresgrenzbetrages von 12 000 DM geht der Gesetzgeber davon aus, dass dem Kind für den Unterhalt eigene Mittel in dem Maße zur Verfügung stehen, dass der existenznotwendige Bedarf des Kindes nicht mehr bei den Eltern durch Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag freigestellt werden muss. Die diesbezüglichen Mittel stehen dem Kind für Unterhaltsaufwendungen aber insoweit nicht zur Verfügung, als es sie für ausbildungsbedingten Mehraufwand verwendet. Ziel des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ist somit, durch Bereinigung der Einkünfte und Bezüge um ausbildungsbedingten Mehrbedarf zu erreichen, dass die verbleibenden Mittel ihrer Funktion als Indikator für die Fähigkeit gerecht werden, den existenznotwendigen Bedarf selbst bestreiten zu können. Dieses Ziel kann aber nicht erreicht werden, wenn bei einem Kind, das nur Bezüge ohne Verwendungsbestimmung, also frei verfügbare Bezüge hat, ein Abzug von ausbildungsbedingtem Mehraufwand mit der Begründung abgelehnt wird, dass die Bezüge nicht mit der Bestimmung zugewendet worden seien, besondere Ausbildungskosten abzudecken. Daher ist § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG seinem Zweck entsprechend dahin gehend auszulegen, dass Bezüge --ebenso wie Einkünfte-- bereits dann außer Ansatz bleiben, wenn sie für besondere Ausbildungszwecke verwendet werden.
(2) Die dargelegte Auslegung ist aus Gründen der Gleichbehandlung erforderlich, da andernfalls wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandelt würden. Der Gesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Nach Regelung des Ausgangstatbestandes hat er aber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i.S. der Belastungsgleichheit umzusetzen. Das Gebot der folgerichtigen Umsetzung trifft auch den Gesetzesvollzug und die Rechtsprechung, wenn für vergleichbare Sachverhalte offene steuerliche Tatbestandsmerkmale durch Auslegung zu konkretisieren sind (BVerfG-Urteile vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158, und 2 BvR 2861/93, BStBl II 2000, 160; vgl. auch Kirchhof, Steuer und Wirtschaft 2000, 316). Hieraus folgt, dass der Gesetzesplan, Einkünfte und Bezüge bei Überschreiten des Jahresgrenzbetrages nur insofern für das Kindergeld als schädlich anzusehen, als sie nicht zu ausbildungsbedingten Mehraufwendungen verwendet werden, unabhängig davon umzusetzen ist, ob die Mehraufwendungen durch Einkünfte oder Bezüge finanziert werden.
Ausdrücklich geregelt ist, dass Mittel für ausbildungsbedingte Mehraufwendungen außer Ansatz bleiben, wenn sie durch funktionsgebundene (hierfür "bestimmte") Bezüge oder durch Einkünfte finanziert werden. Dem gleich zu behandeln ist der im Gesetz nicht gesondert erwähnte Fall, dass Ausbildungsmehraufwendungen ganz oder teilweise durch Bezüge ohne Verwendungsbestimmung finanziert werden. Dies wird deutlich, wenn man ähnliche Sachverhalte vergleicht, bei denen das Kind entweder Einkünfte oder Bezüge oder beides erzielt:
* Wird ein Kind im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses für einen Beruf ausgebildet, stehen ihm die daraus erzielten Einkünfte zur Einkommensverwendung zur Verfügung, weil mit der Ausbildung zusammenhängende besondere Aufwendungen wie beispielsweise Fahrtkosten, Arbeitsmittel usw. bereits bei den Erwerbsaufwendungen berücksichtigt sind. Erzielt ein Kind, wenn seine Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses erfolgt, anderweitig Einkünfte, z.B. aus einer Nebentätigkeit, so bleiben diese Einkünfte, soweit sie für ausbildungsbedingte Mehraufwendungen verwendet werden, nach § 32 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG außer Ansatz.
* Im Ergebnis ebenso behandelt wird ein Kind, bei dem in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur Bezüge erfasst sind, wenn die Ausbildung des Kindes --etwa im Fall der Spezialisierung im erlernten Beruf-- einkommensteuerrechtlich als Fortbildung zu behandeln ist. Dann stellen die mit der Ausbildung zusammenhängenden Mehraufwendungen vorweggenommene Werbungskosten dar, die mit den Bezügen zu verrechnen sind (BFH-Urteil vom 20. Juli 2000 VI R 121/98, Deutsches Steuerrecht 2000, 1951). Auch hier stehen die für den Jahresgrenzbetrag maßgebenden verbleibenden Bezüge in vollem Umfang für existenzsichernde Einkommensverwendungen des Kindes zur Verfügung.
* Bei einer nicht am Gleichheitssatz orientierten Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG, welche die Ausbildungsmehraufwendungen nicht außer Ansatz ließe, soweit sie durch frei verfügbare Bezüge finanziert werden, könnte letzten Endes die Verwendungsbestimmung des Gebers bzw. die häufig schwer zu beurteilende Abgrenzung zwischen Einkünften oder Bezügen das Ergebnis bestimmen. Bei Stipendien oder anderen Ausbildungshilfen werden in vielen Fällen Zuwendungen für den Lebensunterhalt und für Ausbildungsmehraufwendungen gesondert ausgewiesen. Dann wäre beispielsweise entscheidend, in welchem Umfang der für die Dauer der Ausbildung gewährte Gesamtbetrag als Fahrtkosten, Kursgebühr, für Arbeitsmittel usw. bestimmt wurde.
* Entsprechendes würde gelten, wenn es um die Einordnung der Ausbildungshilfe geht. Von der Verwaltung werden laufende Ausbildungshilfen unabhängig davon als Bezüge angesehen, ob sie aus öffentlichen Kassen stammen oder von Privatpersonen gewährt werden (DA-FamEStG 2000 63.4.2.6 Abs. 1). Demgegenüber hat die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen ausdrücklich offen gelassen, ob Einkünfte erzielt werden (vgl. z.B. Thüringer FG, Urteil vom 15. März 2000 III 54/99, EFG 2000, 1137 zu einem Stipendium der Siemens AG; FG Münster, Urteil vom 18. Februar 1998 10 K 3919/97 Kg, EFG 1998, 1339 zu Leistungen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds). Es liegt auf der Hand, dass in Grenzfällen nicht die Einordnung der Mittel den Ausschlag dafür geben kann, in welchem Umfang damit finanzierte Ausbildungsmehraufwendungen außer Ansatz bleiben. Gleiches gilt, wenn der nämliche Mittelzufluss --wie bei einer Unfall- oder Waisenrente-- teilweise als Bezüge (Kapitalanteil) und teilweise als Einkünfte (Zinsanteil) erfasst wird. Auch hier darf es keinen Unterschied machen, mit welchem Teil der Rente der Ausbildungsmehrbedarf gedeckt worden ist.
c) Besondere Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Dies ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Satz 2 und 3 des § 32 Abs. 4 EStG sowie dem damit verfolgten Zweck.
Wird ein Kind für einen Beruf ausgebildet, so fallen in der Ausbildungszeit neben den Kosten für die Lebensführung solche für ausbildungsbedingten Mehrbedarf an (besondere Ausbildungskosten). Da der Jahresgrenzbetrag die Maßgröße dafür ist, ob die Entlastung der Eltern durch Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag wegen existenznotwendiger Lebensführungskosten des Kindes erforderlich ist und weil in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Mittel des Kindes auch insoweit erfasst werden, als sie für die Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, erfolgt durch § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG eine Bereinigung um ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die das Kind getragen hat. Denn in dieser Höhe stehen Mittel für die Lebensführung nicht mehr zur Verfügung. Dementsprechend sind in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht lediglich Aufwendungen für einen außerordentlichen, über das Übliche hinausgehenden Bedarf abzuziehen, etwa bei überlangen Fahrtstrecken, bei aus dem Rahmen fallenden Materialkosten oder bei typischerweise nicht anfallenden Studiengebühren, wobei zweifelhaft wäre, wie solche außergewöhnliche von den üblichen Kosten abzugrenzen wären. Vielmehr dient die Vorschrift zur Abgrenzung aller ausbildungsbedingten Mehraufwendungen von den Lebensführungskosten.
Diese Abgrenzung kann in der Weise erfolgen, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Demgemäß sind beispielsweise angefallene Studiengebühren, Fahrtkosten für die Fahrt zwischen Wohnung und Ausbildungsplatz, Aufwendungen für Arbeitsmittel usw. im Rahmen des § 32 Abs. 4 EStG außer Ansatz zu lassen. Aus Gründen der Gleichbehandlung und zur leichteren Handhabung sind dabei die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach zu beachten, so dass beispielsweise bei Fahrtkosten auch die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG anzuwenden ist.
3. Die Sache ist entscheidungsreif. Die Studiengebühren in Höhe von 7 440 DM zählen zu den Aufwendungen, die nach § 32 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 EStG außer Ansatz bleiben. Danach wird der Jahresgrenzbetrag nicht überschritten.
Ende der Entscheidung
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