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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.08.2002
Aktenzeichen: VI R 64/96
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 3b |
Gründe:
Streitig ist, ob Zuschläge für Rufbereitschaft an Sonn- und Feiertagen i.S. von § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für tatsächlich geleistete Arbeit neben dem Grundlohn gezahlt wurden.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung für die Streitjahre 1989 bis 1992 wurde festgestellt, dass die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine kreisfreie Stadt, bei Rufbereitschaft auf tarifvertraglicher Grundlage eine Entschädigung von 2,52 DM je angefangene Stunde gewährte, für die Rufbereitschaft angeordnet war. Hierauf wurde ein Zuschlag an Sonntagen von 30 v.H. und an Feiertagen von 100 v.H. gezahlt, wobei die Entschädigung, nicht aber der Zuschlag dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurde. Da der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Steuerfreiheit des Zuschlags verneinte, erhob er mit Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheiden vom 27. November 1992 die diesbezügliche Lohnsteuer nach.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 200 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 3b EStG.
Zwar treffe zu, dass Rufbereitschaft nicht mit der vertraglich geschuldeten vollen Arbeitsleistung übereinstimme, da diese erst nach Abruf des Arbeitgebers erbracht werden müsse. Diese Unterscheidung sei aber nur unter dem Gesichtspunkt des Arbeitnehmerschutzes und der Bestimmung der Wochenarbeitszeit --in die die Rufbereitschaft nicht eingehe-- von Bedeutung. Die arbeitszeitrechtliche Einstufung lasse aber nicht den Schluss zu, die Rufbereitschaft sei im Vergleich zur üblichen Arbeitstätigkeit von geringerer oder untergeordneter Bedeutung. Das Leisten von Rufbereitschaft stelle bei wirtschaftlicher Betrachtung Arbeit dar, bei der der Arbeitnehmer über seine Zeit nicht frei verfügen könne. Auch bei Einstufung als Nebentätigkeit bleibe sie arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitstätigkeit. Dass der Arbeitnehmer währenddessen nicht an seiner Arbeitsstelle anwesend sein müsse, führe zu keinem anderen Ergebnis, da der Arbeitnehmer diejenige Arbeit erbringe, zu der er verpflichtet sei. Im Übrigen greife auch bei Bereitschaftsdienst die Steuerbefreiung des § 3b EStG ein, mit dem die Rufbereitschaft gleich zu behandeln sei.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Pauschalierungsbescheide aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es tritt der Revision mit den Gründen des angefochtenen Urteils entgegen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Bescheide vom 27. November 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Juni 1993.
1. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Streitfalls ist für 1989 § 3b EStG 1987 (BGBl I 1987, 657) und danach § 3b EStG 1990 (BGBl I 1990, 1898). Die Neufassung beruht im Wesentlichen auf der Angleichung der Steuerbefreiung von Zuschlägen, die auf lediglich vertraglicher Grundlage gewährt werden, an die auf gesetzlicher oder tarifvertraglicher Grundlage beruhenden (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht --BVerfG--, Beschluss vom 8. Juni 1993 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15, BStBl II 1994, 59, mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 20. Dezember 1993 IV B 6 -S 2343- 27/93, BStBl I 1994, 27). In allen Fällen war erforderlich, dass die Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt wurden. Als Grundlohn wurde definiert der in einen Stundenlohn umgerechnete Betrag, der "dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem jeweiligen Lohnzahlungszeitraum an laufenden Geld- und laufenden Sachbezügen zusteht" (§ 3b Abs. 3 Nr. 1 EStG 1987) bzw. der in einen Stundenlohn umgerechnete "laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht" (§ 3b Abs. 2 Satz 1 EStG 1990).
2. Die streitigen Zuschläge wurden neben dem Grundlohn für tatsächlich geleistete Sonntags- und Feiertagsarbeit gezahlt und überstiegen nicht den nach § 3b EStG höchstens steuerfrei anwendbaren v.H.-Satz.
a) Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass die bei Rufbereitschaft gezahlte Entschädigung ebenso wie der Zuschlag zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zählt. Diese Vergütungen sind im weitesten Sinne Ertrag der Arbeit, nämlich Entgelte dafür, dass sich die Arbeitnehmer --wie arbeitsvertraglich geschuldet-- bereitgehalten haben. Folglich haben die Arbeitnehmer --nach dem möglichen Wortsinn-- i.S. von § 3b EStG eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht. Damit liegen nicht lediglich solche --nicht steuerbefreite-- Lohnbestandteile vor, die bloß an begünstigte Zeiten anknüpfen, ohne dass in ihnen auch tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Mai 1974 VI R 211/71, BFHE 112, 478, BStBl II 1974, 646, zum freigestellten Betriebsratsmitglied; vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801, zum Freizeitausgleich unter Fortzahlung der Bezüge; vom 26. Oktober 1984 VI R 199/80, BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57, zum Mutterschutzlohn, und vom 24. November 1989 VI R 92/88, BFHE 159, 157, BStBl II 1990, 315, zu Zeitzuschlägen bei Bereitschaftsdienst).
b) Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Vorschrift. Dieser besteht darin, eine Entlastung dafür zu gewähren, dass Arbeitsleistungen zu unüblichen Zeiten zu erbringen sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 142, 146, BStBl II 1985, 57, sowie BVerfG-Beschluss vom 2. Mai 1978 1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, 383). Allerdings besteht bei Rufbereitschaft lediglich die Verpflichtung, sich bereitzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufnehmen zu können. Indessen ist auch dieses Bereithalten mit Beeinträchtigungen in der privaten Lebensgestaltung verbunden, da sich der Arbeitnehmer nur soweit entfernen darf, dass eine Arbeitsaufnahme nach Abruf in angemessener Zeit möglich ist und auch sonst von Verhaltensweisen Abstand nehmen muss, die einer alsbaldigen Arbeitsaufnahme entgegenstehen (z.B. Alkoholverbot).
c) Der geringeren Beeinträchtigung bei Rufbereitschaft gegenüber der bei voller Arbeitserbringung in den begünstigten Zeiten ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die Grenzen der Steuerbefreiung nicht an dem bei voller Arbeitsleistung auf einen Stundenlohn umzurechnenden Grundlohn zu orientieren sind, sondern an dem Entgelt, das für Stunden gewährt wird, für die Rufbereitschaft angeordnet ist. Da diese Grenzen im Streitfall bei den Zuschlägen zum Rufbereitschaftsentgelt eingehalten sind, hat die Klägerin für die Zuschläge zu Recht keine Lohnsteuer einbehalten.
Ende der Entscheidung
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