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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.07.2003
Aktenzeichen: VI R 7/01
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 3c | |
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 | |
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 2. Alternative |
Gründe:
I. Der im Streitjahr (1996) 36 Jahre alte Kläger und Revisionskläger (Kläger) praktizierte nach Abschluss seines Medizinstudiums mehrere Jahre als Arzt. Anschließend absolvierte er eine pädagogische Zusatzausbildung, die er mit dem zweiten Staatsexamen für berufsbildende Schulen abschloss. Ab 1991 war er als Studienrat bei der "Berufsbildenden Schule für Wirtschaft" in A beschäftigt, wo er Arzthelfer/innen unterrichtete. Von August 1996 bis einschließlich Juli 1997 war der Kläger zur Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen ohne Fortzahlung der Bezüge vom Dienst beurlaubt.
In der Einkommensteuererklärung für 1996 machte der Kläger bei einem Bruttoarbeitslohn von 44 709 DM Aufwendungen in Höhe von 14 799 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Im Einzelnen handelte es sich um verschiedene Bildungskosten, die er 1. zum Erwerb der Zusatzbezeichnung "Naturheilverfahren", 2. anlässlich eines Berufspraktikums bei einem Hautarzt (Allergologie) und 3. auf dem Gebiet der Akupunktur aufgewendet hatte. Darüber hinaus machte der Kläger Aufwendungen für ärztliche Berufskleidung, Untersuchungsinstrumente, Fachliteratur sowie Mitgliedsbeiträge für die Bezirks- und Landesärztekammer und den Marburger Bund geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte lediglich Aufwendungen für Fachliteratur in Höhe von 471 DM als Werbungskosten an. Die übrigen Kosten sah es als Aufwendungen für die Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 2 400 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, er habe an den Veranstaltungen teilgenommen, um die Arzthelfer/innen besser unterrichten zu können, zumal das Naturheilverfahren auch Teil des Lehrplanes sei. Er habe die Ausgaben getätigt, um im ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden. Trotz der Beurlaubung zum Zwecke der Fortbildung habe er sich weiterhin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis befunden. Die Fortbildung sei auch im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Naturheilverfahren fänden immer größeren Eingang in die Behandlungsmethoden der praktizierenden Ärzte. Er sei ein engagierter Lehrer, der seinen Schülerinnen aktuelle Methoden vermitteln wolle. Durch die siebte Novelle der Approbationsordnung für Ärzte seien Naturheilverfahren als Pflichtfach in das Medizinstudium aufgenommen worden. Da er aber 1985 sein Studium abgeschlossen habe, bestehe für ihn gerade in diesem Bereich eine Pflicht zur Fortbildung. Außerdem sei er seit Herbst 1991 lehrbeauftragter Fachleiter an einem staatlichen Studienseminar für das Lehramt an berufsbildenden Schulen. Dort vertrete er das Fach "Gesundheit" und betreue die fachliche und pädagogische Ausbildung von Studienreferendaren, die sich in der Ausbildung zum Berufsschullehrer für das Fach "Gesundheit" befänden. Auch aus diesem Grund seien die von ihm geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten anzuerkennen.
Hilfsweise seien die Kosten als vorab entstandene Betriebsausgaben anzuerkennen. Er beabsichtige zwar nicht, seine Lehrtätigkeit und seinen Beamtenstatus in absehbarer Zeit aufzugeben. Er plane vielmehr, nebenberuflich privatärztlich tätig zu werden. In dieser Beziehung habe er mittlerweile seine Dienste als Urlaubsvertretung, Referent oder Gutachter im Ärzteblatt angeboten.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Es seien schon deswegen Werbungskosten anzunehmen, weil er sich innerhalb medizinischer Themen fortgebildet habe und nach den landesrechtlichen Gesetzen als Lehrer und Beamter zur Fortbildung verpflichtet sei. Außerdem sei für seine Tätigkeit als Mitglied im Prüfungsausschuss (im Rahmen der Abschlussprüfungen im Ausbildungsberuf "Arzthelfer/in") aktuelles Fachwissen erforderlich. Seine Beurlaubung hindere die Anerkennung von Werbungskosten nicht, zumal die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen im Interesse des Arbeitgebers gewesen sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der streitbefangenen Bescheide für 1996 weitere Aufwendungen in Höhe von 12 927 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (ggf. als vorab entstandene Betriebsausgaben) zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Bildungsaufwendungen sind --sofern sie betrieblich oder beruflich veranlasst sind-- als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anzuerkennen. Die erforderliche Veranlassung liegt vor, wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit angestrebten steuerbaren Einnahmen stehen. Entgegen der Ansicht des FG müssen Erwerbsaufwendungen für eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit nicht notwendig bzw. erforderlich sein; ein Steuerpflichtiger kann frei entscheiden, welche Aufwendungen er zur Erzielung von Einnahmen machen will (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 9 Rz. 20). Zur Frage der Anerkennung von Bildungsaufwendungen verweist der Senat im Übrigen auch auf seine Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung). In diesen Entscheidungen hat der Senat auch eingehend dargelegt, dass der Werbungskostenabzug (bzw. Betriebsausgabenabzug) Vorrang vor dem Abzug als Sonderausgaben hat. Dies gilt auch für den --vom FA im Streitfall angenommenen-- Fall der Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 2. Alternative EStG.
Aus dem vorliegenden Sachverhalt erschließt sich ohne weiteres, dass der Kläger die streitbefangenen Aufwendungen nicht aus privaten, sondern aus erwerbsbezogenen Gründen getätigt hat. Mit diesen Aufwendungen, insbesondere den Bildungsmaßnahmen zum Erwerb der Zusatzbezeichnung "Naturheilverfahren", auf dem Gebiet der Akupunktur sowie anlässlich der Durchführung eines Berufspraktikums bei einem Hautarzt (Allergologie) hat der Kläger sein Berufswissen erweitert. Demzufolge stellen die vom Kläger durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen dem Grunde nach Werbungskosten (ggf. Betriebsausgaben) dar.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Die Tatsachenfeststellungen des FG lassen hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen keine abschließende Beurteilung zu. Auf Grund der Einlassungen des Klägers wird das FG auch zu prüfen haben, welcher Einkunftsart die Aufwendungen zuzuordnen sind. Soweit ein Zusammenhang der Aufwendungen des Klägers mit seiner Tätigkeit als Mitglied im Prüfungsausschuss (bei den Abschlussprüfungen im Ausbildungsberuf "Arzthelfer/in") besteht, wird das FG die Vorschriften des § 3 Nr. 26 und § 3c EStG zu beachten haben.
Ende der Entscheidung
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