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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: VI R 7/03
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 79a Abs. 2
FGO § 79a Abs. 3
FGO § 79a Abs. 4
FGO § 90 Abs. 2
EStG § 8 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr 1992 als Pharma-Referentin angestellt.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Arbeitgeberin der Klägerin stellte der Prüfer fest, dass die Arbeitgeberin vom 4. bis 8. November 1992 (Mittwoch bis Sonntag) in einem Hotel in Portugal eine Außendiensttagung unter dem Motto "Vom Produktspezialisten zum Marketingspezialisten" durchgeführt hatte, an der --einschließlich der Klägerin-- insgesamt 309 Personen teilgenommen hatten. Hiervon waren 275 Außendienstmitarbeiter. Die Anreise der Außendienstmitarbeiter erfolgte am Mittwoch bis 18.00 Uhr mit dem Flugzeug von X. Nach dem Veranstaltungsprogramm gab es nach dem Eintreffen der Teilnehmer ab 20.00 Uhr zunächst einen Begrüßungscocktail auf der Hotelterrasse und anschließend ein gemeinsames Abendessen.

An den Vormittagen von Donnerstag bis Samstag fanden ab 9.00 Uhr Fachvorträge und Gruppenarbeit statt. Donnerstag und Samstag waren die Vorträge jeweils um 12.00 Uhr beendet. Am Freitag dauerten Vortrag und anschließende Gruppenarbeit bis 13.00 Uhr. Am Donnerstag wurde darüber hinaus in der Zeit von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr eine Außendienst-Betriebsversammlung durchgeführt. Im Übrigen fanden an den Nachmittagen verschiedene Freizeitveranstaltungen statt. Am Sonntag erfolgte im Anschluss an ein Brunch-Buffet ab 12.00 Uhr die Rückreise "je nach Flugplan".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ermittelte den Wert der Reise pro Reiseteilnehmer anhand der von der Arbeitgeberin aufgewandten Kosten mit 2 628,85 DM und erhöhte die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom 4. Dezember 1996 um diesen Betrag.

Die Klägerin erhob gegen den Änderungsbescheid nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. In einem Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes vor dem Berichterstatter erklärte die persönlich erschienene Klägerin, sie sei während der gesamten Dauer der Reise dergestalt erkrankt gewesen, dass sie weder an den Nachmittagsveranstaltungen noch an den Abendessen habe teilnehmen können. Ferner gaben die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigter an dem Erörterungstermin ebenfalls teilnahm, und das FA ausweislich des Sitzungs-Protokolls folgende Erklärungen ab: "Die Beteiligten verzichteten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und erklärten sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden."

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil des Senats, das ohne mündliche Verhandlung erging, mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 359 veröffentlichten Gründen im Wesentlichen ab.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts. Das angefochtene Urteil verstoße gegen § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es sei nur für den Fall einer Entscheidung durch den Berichterstatter auf mündliche Verhandlung verzichtet worden. Die von der Arbeitgeberin getragenen Aufwendungen für die Außendiensttagung seien bei den Arbeitnehmern nicht, jedenfalls nicht in vollem Umfang als geldwerter Vorteil zu erfassen. Eine Aufteilung könne nach dem Verhältnis der ausschließlich betrieblichen zu den privaten Zeitanteilen vorgenommen werden. Es stelle sich zudem die Frage, ob ein geldwerter Vorteil vorliegen könne, weil die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung an den die Steuerpflicht nach Auffassung des FG begründenden gesellschaftlichen Veranstaltungen nicht habe teilnehmen können. Ein etwaiger geldwerter Vorteil sei nicht nach den Aufwendungen der Arbeitgeberin, sondern nach den Grundsätzen für die Bewertung von Sachzuwendungen nach § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu bemessen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG vom 28. September 2000 5 K 6653/97 E und den Einkommensteuerbescheid für 1992 vom 4. Dezember 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. September 1997 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FG habe eine Aufteilung der Reisekosten zu Recht abgelehnt. Eine Würdigung der Gesamtumstände ergebe, dass die Zuwendung der Reise nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erfolgt sei. Die Arbeitgeberin habe der Klägerin auch den Erholungs- und Erlebniswert einer Reise in eine beliebte Urlaubsregion zukommen lassen wollen. Die im Streitfall zu beurteilenden Aufwendungen seien untrennbare Mischausgaben. Die Aufteilung der Kosten nach dem zeitlichen Verhältnis zwischen Fachprogramm und Freizeitprogramm sei nicht möglich, da das zeitliche Verhältnis nichts darüber aussage, inwieweit die Veranlassung für die einzelnen Aufwendungen im betrieblichen oder privaten Bereich liege. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die geltend gemachte Erkrankung berufen. Es sei unklar, welcher Art die Erkrankung gewesen sei. Da die Klägerin nach eigenen Angaben am Fachprogramm teilgenommen habe, sei sie offensichtlich nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

II. Die am 21. Dezember 2000 eingelegte Revision (VI R 4/01) und die nach dem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde im selben Verfahren (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO) mit fristgerechter Begründung weiterverfolgte Revision (VI R 7/03) sind ein Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 1995 I R 78/93, I R 86/94, BFH/NV 1996, 383; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 35 am Ende, m.w.N.).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die von der Arbeitgeberin getragenen Aufwendungen für die Portugal-Reise nicht in dem vom FG angenommenen Umfang als Arbeitslohn zu beurteilen.

1. Das Urteil der Vorinstanz ist nicht bereits wegen des von der Klägerin gerügten Verfahrensfehlers aufzuheben. Das FG konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO). Die --sachkundig vertretene-- Klägerin verzichtete ausweislich des Protokolls über den Erörterungstermin ebenso wie das FA auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, für das eine besondere Form nicht vorgeschrieben ist, konnte von den Beteiligten in dem Erörterungstermin (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FGO) wirksam erklärt werden. Die Klägerin gab die entsprechende Prozesserklärung nach dem Protokoll ohne Einschränkung ab; insbesondere bezog sich der Verzicht mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht nur auf Entscheidungen, die der Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 2 bis 4 FGO an Stelle des Senats erlässt (vgl. für eine andere Fallkonstellation das BFH-Urteil vom 18. Februar 1999 I R 127-129/97, BFH/NV 1999, 1464).

2. Bei den von der Arbeitgeberin der Klägerin getragenen Aufwendungen für die Portugal-Reise handelte es sich jedoch nicht in dem vom FG angenommenen Umfang um Arbeitslohn. Der Senat verweist insoweit auf sein Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03. In diesem Urteil hat der Senat im Einzelnen dargelegt, nach welchen Kriterien und in welchem Umfang die von der Arbeitgeberin getragenen Aufwendungen für die auch im Streitfall zu beurteilende Portugal-Reise grundsätzlich als Arbeitslohn zu erfassen sind.

3. Die Sache ist indessen nicht spruchreif und geht daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

a) Das FG hat den Zufluss eines geldwerten Vorteils insoweit verneint, als die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund einer Erkrankung gehindert gewesen sei, an den Nachmittags- und Abendveranstaltungen teilzunehmen. Die bisherigen Feststellungen des FG tragen diese Entscheidung nicht. Die Annahme des FG, die Klägerin habe an den Nachmittags- und Abendveranstaltungen krankheitsbedingt nicht teilgenommen, beruhte ausschließlich auf der entsprechenden pauschalen Behauptung der Klägerin, die sie erstmals in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des FG vorgebracht hatte. Dies reicht nicht aus. Die Klägerin wird vielmehr ihr pauschales Vorbringen zu substantiieren und ggf. nachzuweisen haben. An die Darlegung und an den Nachweis sind hier strenge Anforderungen zu stellen. Das FA weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Klägerin schon nicht vorgetragen hat, welcher Art und Schwere ihre Erkrankung gewesen sei. Außerdem wird das FG zu klären haben, warum die Klägerin --auch nach ihrem Vortrag-- an den Vormittagsveranstaltungen teilnehmen konnte, nachmittags und abends aber krankheitsbedingt an der Teilnahme gehindert gewesen sein will.

b) Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- auch keine Feststellungen zur Höhe der von der Arbeitgeberin für die Reise aufgewandten Kosten getroffen. Diese Feststellungen hat das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen. Die Kosten sind unter Beachtung der vom Senat aufgestellten Kriterien aufzuteilen und in dem dargelegten Umfang als Arbeitslohn zu erfassen, sofern nicht die weiteren Feststellungen des FG im Hinblick auf die krankheitsbedingte Nichtteilnahme der Klägerin an den Nachmittags- und Abendveranstaltungen eine weitergehende Herabsetzung des steuerpflichtigen Arbeitslohns rechtfertigen. Sollten die Feststellungen des FG ergeben, dass die Klägerin krankheitsbedingt an den Reisebestandteilen mit Incentive-Charakter tatsächlich gar nicht hat teilnehmen können, wird das FG auch zu prüfen haben, ob der Klägerin dann überhaupt ein geldwerter Vorteil zugeflossen ist.

Ende der Entscheidung

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