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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.01.2007
Aktenzeichen: VI R 8/05
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren (1998 und 1999) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Facharzt für Anästhesie und war in den Streitjahren als Oberarzt in der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin einer Klinik nichtselbständig tätig.
Der Kläger nahm in der Zeit vom 31. Januar 1998 bis zum 7. Februar 1998 bzw. vom 30. Januar 1999 bis zum 6. Februar 1999 an einem "Internationalen Symposium für Anästhesie, Notfall-, Schmerz- und Intensivbehandlungsprobleme", das sich auch an Ärzte im Praktikum, Krankenschwestern und -pfleger richtete, in St. Anton am Arlberg (A) teil. Darüber hinaus besuchte er in der Zeit vom 18. September bis zum 25. September 1999 das "5. Repetitorium Anästesilogicum" für Fachärzte in Mayrhofen (M).
Auf den Symposien in A wurden jeweils von Sonntag bis Freitag vormittags (von 9 bis 12 Uhr) und nachmittags (von 14 bis 19 Uhr) verschiedene, nicht in sich zusammenhängende, auf die Fachbereiche Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin sowie Schmerztherapie bezogene Vorträge angeboten. Daneben bestand die Möglichkeit, gegen zusätzliche Gebühren --auch in der Mittagspause und in den Abendstunden-- weitere Workshops und Kurse zu besuchen. Das Programm des Repetitoriums in M gestaltete sich in der Regel in der Weise, dass täglich von 9 bis 12 Uhr und von 16 bis 19 Uhr jeweils einstündige Fachvorträge gehalten wurden. Überdies bestand täglich von 12 bis 16 Uhr die Möglichkeit, an PC-Lernprogrammen oder an der Vorführung von Fortbildungsvideos teilzunehmen.
Das Organisationskomitee in A hat die Teilnahme des Klägers an den Veranstaltungen durch sog. Anwesenheitstestate bestätigt. Diese weisen 1998 für jeden Veranstaltungstag zwei Stempel, 1999 für jeden Tag vier Stempel (ohne Angabe von Uhrzeit und Veranstaltung) auf. Zusätzlich hat der Kläger Bescheinigungen des Veranstalters vorgelegt, nach denen er an allen Kongresstagen bei den entsprechenden Vorträgen anwesend war bzw. an allen Veranstaltungen des Programms teilgenommen hat. Dabei datiert die Bescheinigung für den Kongress im Winter 1998 vom 2. September 1999. Der Veranstalter des Kongresses in M hat dem Kläger seine Teilnahme an sämtlichen Veranstaltungen bescheinigt. Die Teilnahmegebühr für die Kongresse hat jeweils der Arbeitgeber des Klägers getragen; darüber hinaus wurde ihm Dienstbefreiung gewährt.
Der Kläger machte die Fortbildungskosten in Höhe von 2 084 DM bzw. 3 587 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte dies ab.
Die Klage hatte Erfolg.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) hat die Aufwendungen des Klägers für die Teilnahme an den Anästhesiekongressen in A und M zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.
1. Bildungsaufwendungen können nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Werbungskosten sein, sofern sie beruflich veranlasst sind (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 17. Dezember 2002 VI R 13/01, BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407; vom 22. Juli 2003 VI R 7/01, BFH/NV 2004, 174, und vom 4. November 2003, VI R 1/03, BFH/NV 2004, 483). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368; in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958, und vom 5. August 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074; vom 22. Juni 2006 VI R 61/02, BStBl II 2006, 782, jeweils m.w.N.).
a) Aufwendungen für einen Lehrgang sind demnach dann als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Ob dies zutrifft, ist nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Urteil vom 10. April 2002 VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579, m.w.N. in Bezug auf die berufliche Veranlassung der Aufwendungen für einen Sprachkurs).
b) Ebenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist zu bestimmen, ob bei einem Fortbildungslehrgang, der --wie im Streitfall-- nicht am Wohnort des Steuerpflichtigen stattfindet, neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendungen für die mit dem Lehrgang verbundene Reise als Werbungskosten abziehbar sind (BFH-Urteile vom 19. Dezember 2005 VI R 88/02, BFH/NV 2006, 730, und VI R 89/02, BFH/NV 2006, 934; in BFH/NV 2006, 1751). Dabei kann die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht allein deshalb versagt werden, weil die Bildungsmaßnahme im Ausland stattgefunden hat (BFH-Urteil in BStBl II 2006, 782).
Der vollständige Abzug der Reisekosten setzt voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist dann der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zu Grunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27. August 2002 VI R 22/01, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369, m.w.N.). Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 730, BFH/NV 2006, 934 und in BStBl II 2006, 782, jeweils m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat die Reisekosten zu Recht als Werbungskosten anerkannt. Die Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatsächlichen Würdigung durch das FG (BFH-Urteil in BStBl II 2006, 782). Die Tatsachenwürdigung des FG ist revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Davon ist hier auszugehen.
Das FG ist aufgrund einer umfassenden Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Teilnahme des Klägers an den Kongressen nahezu ausschließlich beruflich veranlasst war. Das FG hat dabei den Anlass der Reisen, die Programme und die tatsächliche Durchführung gebührend berücksichtigt. So ist es zum einen von der Notwendigkeit der Fortbildung für Ärzte im Allgemeinen und in der Person des Klägers im Besonderen ausgegangen. Es hat dabei auf die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung und auf die im Verfahren vorgelegten zahlreichen Unterlagen abgestellt. Daraus folgte für das FG, dass der Kläger in besonderer Weise im Hinblick auf seine Tätigkeit als Anästhesist und als Spezialist für Schmerztherapie um Fortbildung bemüht war (zur Bedeutung der Fortbildung vgl. BFH-Urteil in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403).
Das FG hat ferner in vertretbarer Weise in seine Würdigung einbezogen, dass der Teilnehmerkreis der Veranstaltungen homogen war und die Kongresse lehrgangsmäßig straff organisiert waren. Es konnte sich auch davon überzeugen, dass der Kläger die Kongresse tatsächlich besuchte und auch an den vorgesehenen Programmen teilgenommen hat. Die Auffassung des FG, dass die Nichtteilnahme an einzelnen Veranstaltungen im Hinblick auf die Begrenztheit der geistigen Aufnahmefähigkeit des Menschen unschädlich sei, ist nicht zu beanstanden.
Dem FG ist auch darin zu folgen, dass es zum Nachweis der tatsächlichen Teilnahme an den Veranstaltungen nicht in jedem Fall eines Anwesenheitstestats bedarf. Maßgeblich ist allein, dass --wie im Streitfall-- die Teilnahme zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA zitierten BFH-Urteil vom 4. August 1977 IV R 30/76 (BFHE 122, 526, BStBl II 1977, 829).
Das FG hat --ebenfalls bindend-- festgestellt, dass bei der Teilnahme des Klägers an den Kongressen die Förderung des Berufs derartig überwog, dass der Nutzen für die private Lebensführung ganz in den Hintergrund trat. Die insoweit vorgenommene Würdigung begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken.
Ende der Entscheidung
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