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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: VI R 80/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 25
EStG § 26 Abs. 2 Satz 1
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8
Ist ein Ehegatte gemäß § 25 EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen und wird auf seinen Antrag eine getrennte Veranlagung durchgeführt, ist auch der andere Ehegatte gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennt zu veranlagen. Für die Veranlagung des anderen Ehegatten kommt es in einem solchen Fall auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 8 EStG nicht mehr an.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren 1997 bis 2000 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Ihr Ehemann, von dem sie nicht dauernd getrennt lebt, erzielte als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Bei den Einkünften der Klägerin erfolgte der Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse III gemäß § 38b Satz 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Ehemann der Klägerin beantragte für die Streitjahre die Durchführung der getrennten Veranlagung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) forderte die Klägerin daraufhin zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre auf. Die Klägerin reichte die Einkommensteuererklärungen beim FA ein und teilte gleichzeitig mit, ein Antrag auf Veranlagung werde nicht gestellt.

Das FA veranlagte die Klägerin für die Streitjahre getrennt zur Einkommensteuer. Aufgrund des Lohnsteuerabzugs nach Steuerklasse III führten die Veranlagungen zu erheblichen Nachzahlungen. Das FA wies die gegen die Einkommensteuerbescheide erhobenen Einsprüche als unbegründet zurück.

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1458 veröffentlichten Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie dürfe nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden, da sie keinen Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt habe. Für die Frage, ob eine Veranlagung durchzuführen sei, sei beim Bezug von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausschließlich § 46 EStG von Bedeutung. Die Ausübung des Wahlrechts hinsichtlich der Veranlagungsart nach § 26 Abs. 2 EStG sei vom Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu unterscheiden. Die Wahl der getrennten Veranlagung habe lediglich zur Folge, dass die Veranlagungsvoraussetzungen bei jedem Ehegatten gesondert zu prüfen seien.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 2000 vom 5. bzw. 7. August 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 2002 aufzuheben.

Das FA tritt der Revision entgegen.

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin für die Streitjahre zur Einkommensteuer zu veranlagen war.

1. Gemäß § 25 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach § 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt. Ehegatten können nach § 26 Abs. 1 EStG unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG), Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) und für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung besonderer Veranlagung (§ 26c EStG) wählen. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten getrennte Veranlagung wählt. Eine Zusammenveranlagung kommt nur in Betracht, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG) oder wenn sie keine Erklärungen abgeben (§ 26 Abs. 3 EStG). Folglich sind nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG zwingend getrennte Veranlagungen für beide Ehegatten durchzuführen, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung verlangt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Dezember 2005 III R 49/05, BFH/NV 2006, 933).

2. Im Streitfall erzielte der Ehegatte der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die den Senat mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, in den Streitjahren nur Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er war folglich nach § 25 Abs. 1 EStG von Amts wegen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die Veranlagung konnte nicht gemäß § 46 EStG unterbleiben, da der Ehegatte keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden war. Nach den bindenden Feststellungen des FG wählte der Ehegatte der Klägerin die getrennte Veranlagung. Bei dieser Sachlage war auch die Klägerin gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG von Amts wegen zur Einkommensteuer zu veranlagen. Dem steht nicht entgegen, dass sie nur dem Lohnsteuerabzug unterliegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte und selbst keinen Antrag auf Durchführung der Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gestellt hat (vgl. Nolde in Herrmann/ Heuer/Raupach --HHR--, § 46 EStG Anm. 133; Schmidt/Glanegger, EStG, 11. Aufl. 1992, § 46 Anm. 23; Frotscher, EStG, § 46 Rz. 100).

3. Der erkennende Senat folgt damit nicht der von der Klägerin und einer auch im Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach die Entscheidung eines Ehegatten für die getrennte Veranlagung lediglich zur Folge habe, dass die Veranlagungsvoraussetzungen i.S. von § 46 Abs. 2 EStG für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen seien (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 46 Rdnr. B 13; Bergan/Martin, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 645). Zwar ist auch bei der Veranlagung von Ehegatten § 25 EStG als Grundnorm der Veranlagung anzuwenden (Pflüger in HHR, § 26 EStG Anm. 14). Für die Ehegattenveranlagung gemäß § 26 EStG ist danach kein Raum, wenn für beide Ehegatten die Veranlagung nach § 25 EStG i.V.m. § 46 EStG unterbleibt. In einem solchen Fall scheidet die Ausübung des Wahlrechts zwischen getrennter Veranlagung, Zusammenveranlagung und besonderer Veranlagung aus. Denn die Entscheidung für eine der nach § 26 EStG möglichen Veranlagungsarten kommt nur in Betracht, wenn verfahrensrechtlich eine Veranlagung gemäß § 25 EStG i.V.m. § 46 EStG überhaupt durchgeführt wird (Dürr in Frotscher, a.a.O., § 26 Rz. 16). Deshalb geht auch der Einwand fehl, § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG habe nach der vom Senat für zutreffend erachteten Auslegung von § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG keine Bedeutung mehr (so aber Bergan/Martin, a.a.O.).

Für eine einschränkende Interpretation von § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG in dem Sinne, dass die Vorschrift auch im Falle der Wahl getrennter Veranlagung durch einen Ehegatten hinsichtlich des anderen Ehegatten nicht regele, ob, sondern nur wie letzterer zu veranlagen sei, besteht kein Anlass. Der Wortlaut der Vorschrift enthält für eine solche Auslegung keinen Anhaltspunkt. Der Gesetzgeber ging bei Aufhebung von § 46 Abs. 2 Nr. 7 EStG a.F., der eine Amtsveranlagung vorsah, wenn der Arbeitnehmer oder sein Ehegatte getrennte Veranlagung beantragte, ebenfalls davon aus, dass die Veranlagungspflicht des anderen Ehegatten, der die getrennte Veranlagung nicht beantragt hatte, nach § 26 Abs. 2 EStG gewährleistet sei (BTDrucks 12/1506, S. 174). Dies entspricht auch der Systematik des Gesetzes. Die Veranlagungsart kann für beide Ehegatten nur einheitlich angewendet werden. Der Anspruch auf getrennte Veranlagung, die der Einzelveranlagung als Grundform der Veranlagung nahe kommt, wird jedem Ehegatten aus Gründen der Gleichbehandlung mit nicht miteinander verheirateten Steuerpflichtigen zugebilligt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). Die Einräumung dieses Anspruchs hat damit aber notwendigerweise ebenfalls zur Folge, dass beide Ehegatten zwingend getrennt zu veranlagen sind, auch wenn nur einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung verlangt (BFH-Urteil vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690).

Die Durchführung der Veranlagung steht schließlich mit dem Gesetzeszweck in Einklang. Bei Steuerpflichtigen, die --wie die Klägerin-- dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen, hat die Veranlagung die Aufgabe, Unvollkommenheiten des ausschließlich auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogenen Lohnsteuerabzugsverfahrens auszugleichen und über die Veranlagung die Gleichheit zwischen allen Steuerpflichtigen herzustellen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 13. Dezember 1967 1 BvR 679/64, BVerfGE 23, 1, BStBl II 1968, 70). Diesem Zweck entspricht eine Auslegung des Gesetzes, die die Festsetzung der materiell richtigen Einkommensteuer im Rahmen der Veranlagung ermöglicht und sie nicht verfahrensrechtlich verhindert.

4. Die Veranlagung der Klägerin verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Schutz von Ehe und Familie verbietet es, Ehegatten gegenüber Ledigen steuerlich zu benachteiligen (ständige Rechtsprechung: z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 14. April 1959 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 247, und vom 4. Oktober 1988 1 BvR 843/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 43, jeweils m.w.N.). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt aber keine Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren oder die rückwirkende Korrektur von im nachhinein als nachteilig sich erweisenden Sachverhaltsgestaltungen zu gestatten, soweit die Begünstigung aus Gründen, die in der Sphäre des Begünstigten liegen, entfällt und der Gesetzgeber gleichzeitig Gestaltungsformen zulässt, die es gestatten, die Begünstigungen fortzuführen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 26. Februar 1993 2 BvR 164/92, HFR 1993, 408). Mit § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG eröffnet der Gesetzgeber eine nur Eheleuten zugängliche Gestaltungsmöglichkeit hinsichtlich der Veranlagung zur Einkommensteuer. Wählen die Ehegatten eine Veranlagungsform, die der von Ledigen nahe kommt, verstoßen die sich daraus ergebenden einkommensteuerrechtlichen Folgen nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

5. Einwendungen gegen die Höhe der festgesetzten Einkommensteuern hat die Klägerin nicht erhoben.

Ende der Entscheidung

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