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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.02.2003
Aktenzeichen: VI R 84/02
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 | |
EStG § 9 Abs. 5 | |
FGO § 118 Abs. 2 |
Gründe:
I. Streitig ist, wann das Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seine berufliche Tätigkeit teilweise zu Hause und teilweise auswärts ausübt, den Mittelpunkt der gesamten Betätigung i.S. des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bildet.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit 1989 nichtselbständig als Kfz-Sachverständiger und Regulierungsbeauftragter im Außendienst tätig. Seit 1996 steht ihm bei seinem Arbeitgeber kein Arbeitsplatz mehr zur Verfügung. Der Kläger unterhält ein häusliches Arbeitszimmer, in dem er den eigenen Angaben zufolge durchschnittlich 58 v.H. seiner täglichen Arbeitszeit verbringt.
Für das Arbeitszimmer machte der Kläger mit der Einkommensteuererklärung 1997 Werbungskosten von 6 002 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte hiervon lediglich 2 400 DM.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, das häusliche Arbeitszimmer des Klägers bilde den Mittelpunkt seiner beruflichen Betätigung im Sinne der Abzugsbeschränkung, weil dort nach dem Gesamtbild der Umstände die für den Beruf des Kfz-Sachverständigen wesentlichen Kerntätigkeiten verrichtet worden seien. Die Außendiensttätigkeit des Klägers habe dagegen lediglich der Vorbereitung seiner Gutachtertätigkeit gedient.
Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG unzutreffend ausgelegt. Da die Außendiensttätigkeit des Klägers rein zeitlich einen erheblichen Anteil seiner gesamten Arbeitszeit in Anspruch genommen habe, könne das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung bilden.
Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin gehend zu bestätigen, dass die für 1997 festgesetzte Einkommensteuer 12 058 DM (6 165,16 ?) beträgt.
Die Kläger treten der Revision entgegen.
Mit Bescheid vom 4. November 2002 hat das FA den angefochtenen Bescheid aus anderen Gründen geändert und die Einkommensteuer herabgesetzt.
II. Die Revision des FA hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Zwar ist das vorinstanzliche Urteil aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (1.). Das FG hat jedoch ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung bildet (2.).
1. Das vorinstanzliche Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 2002 VI R 164/00 (BFH/NV 2003, 550, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2003, 365) verwiesen. Nachdem das FA seinen Revisionsantrag an die geänderte Prozesslage angepasst hat, entscheidet der Senat in der Sache, da der vom FG festgestellte Sachverhalt ausreicht, die hier streitige Frage zu beantworten.
2. Die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers sind in voller Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Senat teilt nicht die Auffassung des FA, bereits der Umstand einer dauerhaften Außendiensttätigkeit schließe den unbegrenzten Abzug von Werbungskosten nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG aus.
a) Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seine berufliche Tätigkeit teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, ist "Mittelpunkt" im Sinne der Abzugsbeschränkung, wenn dort diejenigen Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Maßgeblich ist insoweit der inhaltliche, qualitative Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Wertung lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Dabei betrifft die Frage, ob die in einem Arbeitszimmer verrichteten Tätigkeiten den Beruf insgesamt prägen oder ob ihnen lediglich eine unterstützende Funktion zukommt, die Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung und muss damit in erster Linie von den Finanzgerichten beantwortet werden. Eine Überprüfung durch den BFH ist nur im Rahmen des § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) möglich (BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFH/NV 2003, 688; VI R 104/01, BFH/NV 2003, 691; VI R 28/02, BFH/NV 2003, 693).
b) Das FG hat den Mittelpunktsbegriff in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG zutreffend ausgelegt. Es hat darauf abgestellt, wo der eigentliche Schwerpunkt und Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Klägers liegt. Diesen sieht das FG im häuslichen Arbeitszimmer, wo der Kläger Schadensbilder am Computer ausgewertet und Gutachten erstellt hat. Das FG hat hierzu festgestellt, dass sich die Begutachtung nicht in der Eingabe und der anschließenden EDV-unterstützten Bearbeitung der bei der Schadensaufnahme gewonnenen Daten erschöpft. Vielmehr habe der Kläger bei der Vielzahl in- und ausländischer Fahrzeugtypen einen erheblichen Rechercheaufwand betrieben. Zusammen mit der anschließenden Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse hätten diese Arbeiten den qualitativ bedeutsamen Teil seiner Betätigung gebildet. Die reine Schadensaufnahme vor Ort sei dagegen lediglich eine notwendige, die Begutachtung vorbereitende Begleittätigkeit; sie könne auch von Kfz-Werkstätten oder anderen Personen erledigt werden und trete daher im Rahmen der Gesamtwürdigung in den Hintergrund. Darüber hinaus überwiege die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer auch in zeitlicher Hinsicht. Dass der Kläger mitunter auch mehrere Außendiensttermine pro Tag wahrgenommen habe, sei demgegenüber unbeachtlich, zumal dem zeitlichen Aspekt im Rahmen der Gesamtwürdigung eine geringere Bedeutung zukomme.
Diese Feststellungen halten ebenso wie die daran anknüpfende Würdigung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Schlussfolgerung des FG, dass die Erstellung der Schadensgutachten im häuslichen Arbeitszimmer den Schwerpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers bildet, während der Schadensaufnahme im Außendienst lediglich eine begleitende Funktion zukommt, verletzt weder Denkgesetze noch Erfahrungssätze.
Ende der Entscheidung
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