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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: VI R 85/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für das Streitjahr 1994 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Klägerin ist ausgebildete Gymnasiallehrerin. Im Streitjahr war sie an einer Sonderschule für gehörlose und mehrfach behinderte Kinder mit zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten angestellt. Zum Wintersemester 1994/95 nahm sie --im Alter von 41 Jahren-- an einer Weiterbildung zur analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin (Psychagogin) teil.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Bildungsaufwendungen in Höhe von 8 691 DM als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Aufwendungen als Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an und ließ diese nur mit dem Höchstbetrag von 900 DM als Sonderausgaben zum Abzug zu. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage begehrten die Kläger weiter den Abzug der Bildungsaufwendungen als Werbungskosten. Hierzu trugen sie vor, die Klägerin habe, um als Sonderschullehrerin bestehen zu können, die erforderlichen Zusatzkenntnisse erwerben müssen. Sie unterrichte ausschließlich mehrfach behinderte Schüler und Vorschulklassen, in denen sich autistische Kinder befänden. Nach den sog. Blättern zur Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit sei die Tätigkeit des Sonderschullehrers nicht allein auf die Vermittlung von Wissen, sondern auch auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen gerichtet. Mit dieser Fortbildung strebe die Klägerin zudem eine Tätigkeit als Mitarbeiterin im schulpsychologischen Dienst an. Nach den Ausführungsvorschriften über den Schulpsychologischen Dienst vom 18. August 1988 (Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil III, Schulwesen, Wissenschaft, Kultur 1988, 249, 250) könnten Mitarbeiter im Schulpsychologischen Dienst u.a. diejenigen Lehrkräfte werden, die zusätzlich eine Psychagogen-Ausbildung absolviert hätten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 1105 veröffentlichten Gründen statt. Im Wesentlichen führte es zur Begründung aus, die Aufwendungen der Klägerin seien als Werbungskosten zu berücksichtigen. Denn sie dienten dazu, Einnahmen zu erwerben, zu sichern und zu erhalten.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Werbungskosten seien schon deswegen zu verneinen, weil das Zweitstudium zur Psychagogin neues Wissen vermittele, das nicht schon Gegenstand des Erststudiums gewesen sei. Hierdurch werde auch der Zugang zu einer anderen Berufsart ermöglicht.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Bildungsaufwendungen können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01 (BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, zur Umschulung), vom 17. Dezember 2002 VI R 137/01 (BFHE 201, 211, BStBl II 2003, 407, zum berufsbegleitenden Erststudium) und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01 (BFH/NV 2003, 1119, zur erstmaligen Berufsausbildung) verwiesen. Ob die Bildungsmaßnahme eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerbaren Einnahmen veranlasst sind.

Im Streitfall hat das FG zutreffend entschieden, dass die Aufwendungen für das Studium der Klägerin dem Grunde nach als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat die Ausbildung zur analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin aus beruflichen Gründen betrieben, nämlich um fachliches Zusatzwissen zu erwerben und ihre bisherige Tätigkeit besser ausüben zu können. Die Bildungsmaßnahme diente auch dazu, beruflich besser voranzukommen und eine Aufstiegsmöglichkeit in den Schulpsychologischen Dienst wahrnehmen zu können. Da das Studium auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet war, sind hiermit im Zusammenhang stehende Aufwendungen dem Grunde nach als (auch vorab entstandene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar.

Die Sache ist nicht spruchreif. Die Tatsachenfeststellungen des FG lassen hinsichtlich der einzelnen von den Klägern geltend gemachten Fahrtkosten keine abschließende Beurteilung zu; das Urteil war deshalb aufzuheben. Das FG wird über die Höhe der Aufwendungen erneut --unter Beachtung der Grundsätze des Urteils vom 29. April 2003 VI R 86/99 (BFH/NV 2003, 997)-- zu entscheiden haben.

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