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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.01.1999
Aktenzeichen: VI R 85/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 6 Abs. 1
FGO § 55 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1
FGO § 79a Abs. 2 Sätze 1 und 2
FGO § 79a Abs. 4
BUNDESFINANZHOF

Hat der Einzelrichter, dem gemäß § 6 Abs. 1 FGO der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden ist, einen Gerichtsbescheid ausdrücklich als Einzelrichter "gemäß § 79a Abs. 2 und 4 FGO" erlassen, ist dagegen ausschließlich der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben. Die Revision wird auch dann nicht statthaft, wenn sie der Einzelrichter zugelassen hat.

FGO § 6 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1, § 79a Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 4

Beschluß vom 29. Januar 1999 - VI R 85/98 -

Vorinstanz: Hessisches FG


Gründe

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Prozeßvertreter (P) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) in dessen Namen Klage wegen Einkommensteuer 1991. Er beantragte zuletzt, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Arbeitnehmer- und einen Weihnachtsfreibetrag von 1 080 DM sowie die geltend gemachten Werbungskosten in der beantragten Höhe zu berücksichtigen.

Mit der Klageschrift legte P dem Gericht eine undatierte, von dem Kläger unterschriebene und P als Bevollmächtigten ausweisende Vollmacht vor. Die Vollmacht ist durch einen Stempelaufdruck "für Einkommensteuer, Lohnsteuer-Jahresausgleich, Solidaritätszuschlag" sowie durch den handschriftlichen Zusatz "1986 bis 1995" ergänzt. Es folgt ein formularmäßiger Text, wonach P u.a. bevollmächtigt wird, den Unterzeichner in seinen Steuer- und Buchführungsangelegenheiten vor allen Gerichten, Finanzämtern, Steuer- und sonstigen Behörden zu vertreten, gerichtliche und außergerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen, sonstige verbindliche Erklärungen abzugeben und rechtsverbindliche Unterschrift zu leisten.

Das Finanzgericht (FG) wies P auf Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vollmacht hin und forderte ihn auf, eine neue, eindeutig auf das vorliegende Klageverfahren bezogene und mit einem zeitnahen Datum versehene Vollmacht vorzulegen. Anschließend unterrichtete das FG auch den Kläger persönlich über die Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vollmacht. In dem Schreiben an den Kläger vom 25. März 1998 heißt es abschließend: "Sollten Sie sich nicht innerhalb der unten genannten Frist äußern, wird das Gericht davon ausgehen, daß Sie nicht als Verfahrensbeteiligter angesehen werden wollen und daß Sie folglich P nicht bevollmächtigt und beauftragt haben, diese Klage in Ihrem Namen zu erheben. Die Folge wäre dann, daß die von P erhobene Klage mangels einer wirksamen Prozeßvollmacht unzulässig wäre."

Mit Beschluß vom 24. Juni 1998 wurde der Rechtsstreit gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 1998 wies der Einzelrichter "im vorbereitenden Verfahren gemäß § 79a Abs. 2 (4) der Finanzgerichtsordnung" ohne mündliche Verhandlung die Klage als unzulässig ab, da die vorgelegte Vollmacht die Vertretungsbefugnis des P nicht zweifelsfrei belege und ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie der §§ 76 Abs. 2 und 62 Abs. 3 FGO.

Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Er regt an, die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) der Staatskasse aufzuerlegen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unzulässig.

1. Die Unzulässigkeit beruht zwar nicht auf dem Fehlen einer wirksamen Prozeßvollmacht. Denn nach der im Klageverfahren vorgelegten Vollmacht ist P sowohl zur Prozeßführung vor dem FG als auch zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung bevollmächtigt (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 1998 VI R 88/97, BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445). Aus dem Schweigen des Klägers ist nicht zu folgern, er hätte die einmal erteilte Vollmacht widerrufen. Der --jederzeit mögliche-- Widerruf der Vollmacht muß dem Gericht angezeigt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 1971 II 59/65, BFHE 101, 469, BStBl II 1971, 403). Dies ist nicht erfolgt.

2. Die Revision ist indes nicht statthaft, da gegen den vorliegenden Gerichtsbescheid gemäß § 79a Abs. 2 Satz 2 FGO ausschließlich der Antrag auf mündliche Verhandlung gegeben ist (BFH-Beschluß vom 3. November 1993 II R 77/93, BFHE 172, 319, BStBl II 1994, 118).

a) Anders als in dem vom BFH mit Urteil vom 8. März 1994 IX R 58/93 (BFHE 174, 107, BStBl II 1994, 571) entschiedenen Fall ist im Streitfall eindeutig, auf welcher verfahrensrechtlichen Grundlage der Einzelrichter entschieden hat. Ausweislich des Rubrums hat er den Gerichtsbescheid als Einzelrichter "gemäß § 79a Abs. 2 (4) FGO" erlassen.

b) Die Revision ist nicht dadurch statthaft geworden, daß das FG die Revision zugelassen und eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Nach ständiger Rechtsprechung ist der BFH zwar grundsätzlich an die Entscheidung des FG zur Zulassung der Revision gebunden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Zulassung --wie im Streitfall-- offensichtlich gesetzeswidrig ist (Senatsurteil vom 27. März 1991 VI R 51/88, BFHE 164, 75, BStBl II 1991, 575, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 45, m.w.N.).

3. Die Verwerfung der Revision bewirkt nicht die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung, da das Verfahren noch beim FG anhängig ist. Der Kläger kann gemäß § 79a Abs. 2 Satz 2 FGO Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Infolge der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung ist die Frist für den Antrag auf mündliche Verhandlung nicht in Lauf gesetzt worden. § 55 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 FGO ist auch hier anwendbar (vgl. Gräber/ Koch, a.a.O., § 55 Anm. 8, 29).

4. Der Anregung des Klägers, die Kosten gemäß § 8 GKG der Staatskasse aufzuerlegen, wird lediglich insoweit entsprochen, als für das Revisionsverfahren Gerichtskosten nicht erhoben werden. Von deren Erhebung wird deshalb abgesehen, weil der Einzelrichter die Revision zugelassen und eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Damit hat das Gericht einen eindeutigen und offensichtlichen Verfahrensfehler begangen (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Oktober 1996 VIII E 2/96, BFH/NV 1997, 522).

Im übrigen hat der Kläger gemäß § 135 Abs. 2 FGO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. § 8 GKG enthält eine abschließende Regelung, die wegen des eindeutigen Wortlauts nicht auf außergerichtliche Kosten übertragen werden kann (Senatsbeschluß vom 8. März 1991 VI B 52/90, nicht veröffentlicht --NV--; ferner BFH-Beschluß vom 3. März 1982 II B 71/81, NV).

5. Der Senat hat es für sachgerecht angesehen, in der Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden (ständige Rechtsprechung zu § 10 Abs. 3 FGO, vgl. BFH-Beschluß vom 14. Juni 1994 VIII R 79/93, BFH/NV 1995, 225).

Ende der Entscheidung

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