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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.08.2002
Aktenzeichen: VI R 88/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 8 Abs. 3 Satz 1 | |
EStG § 8 Abs. 3 Satz 2 |
Gründe:
I.
Die V-KG, eine Schwesterfirma der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), gibt die S-Zeitung (folgend: Zeitung) heraus. Den Satz und den Druck der Zeitung führt die Klägerin im Auftrag der V-KG aus. Diese übermittelt den Inhalt und die Satzvorgaben für die Zeitung an die Klägerin, die die gedruckten Zeitungen an eine von der V-KG beauftragte Vertriebsfirma übergibt. Die V-KG hat der Klägerin gestattet, ihren Arbeitnehmern jeweils ein Freiexemplar der Zeitung zu überlassen. Die Arbeitnehmer können dementsprechend entweder jeweils ein Freiexemplar der Zeitung mit nach Hause nehmen oder sich die Zeitung über die Vertriebsfirma zustellen lassen. In diesem Fall zahlen sie außer der üblichen Zustellgebühr kein Entgelt.
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die Abgabe der Freiexemplare der Zeitung an ihre Arbeitnehmer unter Anwendung des Rabattfreibetrags (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) steuerfrei beließ. Dagegen vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Abgabe der Freiexemplare an die Arbeitnehmer sei als geldwerter Vorteil der Nachversteuerung zu unterwerfen; der Rabattfreibetrag finde keine Anwendung. Dementsprechend erließ das FA für die Lohnzahlungszeiträume 1993 bis 1995 auf Antrag der Klägerin einen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 692 veröffentlichten Urteil ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Gesetzgeber habe die Regelung über den Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG) auf Waren und Dienstleistungen aus der eigenen unternehmerischen Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers beschränkt. Die Klägerin habe jedoch die Zeitung nicht im allgemeinen Geschäftsverkehr am Markt angeboten. Zur Leistungspalette der Klägerin gehöre allein das Drucken der Zeitung. Diese stelle ein Produkt der V-KG dar, da die Zeitung in ihrer Gesamtheit rechtlich dem Herausgeber zuzuordnen sei (§ 4 des Urheberrechtsgesetzes).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung von § 8 Abs. 3 EStG rügt. Hersteller der Zeitung seien sowohl die Klägerin als Druckerei, als auch die V-KG als Herausgeber. Herstellen im Sinne des Presserechtes bedeute das Gestalten eines Druckwerks durch geistige, technische oder wirtschaftliche Mitwirkung. Presserechtlich sei der Hersteller (Drucker) vom Verleger (in der Regel Inhaber der Rechte, der den Verlag/Vertrieb des Druckwerks besorgt), zu trennen. Eine Druckerei führe eine Werklieferung aus, da sie eigenes Material (Papier, Druckfarben) beim Druck einer Zeitung verarbeite. Deshalb sei sie als Hersteller i.S. von § 950 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) anzusehen. Die Druckkosten machten einen erheblichen Teil der Gesamtkosten der Zeitung aus. Der Hersteller i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG müsse den Vertrieb der Ware an den Endverbraucher nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung besorgen. Ohne Bedeutung sei ferner, ob der Arbeitgeber über alle Rechte an dem Endprodukt verfüge. Die Anwendung des Rabattfreibetrags beschränke sich nicht auf die Höhe des Druckkostenanteils an dem Endpreis der Zeitung. Da die Klägerin als Druckerei das letzte Glied in der Herstellungskette sei, könne sie für die gesamte, durch die unentgeltliche Überlassung der Zeitung an ihre Arbeitnehmer erfolgte Zuwendung den Rabattfreibetrag in Anspruch nehmen. Mit der Übergabe der gedruckten Zeitungen an die Vertriebsfirma beginne der Vertrieb der Zeitung, der von ihrer Herstellung zu trennen sei.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid vom 10. März 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 1997 dahin gehend zu ändern, dass die Lohnsteuer um .... DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA vor, die Klägerin sei zwar im Auftrag der V-KG an der Herstellung der Zeitung beteiligt. Die Freiexemplare seien aber nicht von der Klägerin, sondern von der V-KG an die Arbeitnehmer der Klägerin überlassen worden. Allein die V-KG entscheide aufgrund der ihr zustehenden Urheber-, Titel- und Verlagsrechte über die Verbreitung der Zeitung. Nur die ausdrückliche Gestattung der V-KG ermögliche es der Klägerin, die Zeitung ihren Arbeitnehmern vor der Auslieferung an die Vertriebsgesellschaft als Mitnahmeexemplare bereitzustellen bzw. über die Vertriebsfirma gegen Zahlung der Zustellkosten zuzustellen. Mit der Zeitung erhielten die Arbeitnehmer als kostenlose Zuwendung nicht nur die von der Klägerin erbrachte Leistung, nämlich den Druck der Zeitung; die Zuwendung beinhalte vielmehr hauptsächlich die Leistung der V-KG als Verlag, der den Inhalt und damit das Wesentliche einer Zeitung erstelle. Die Zuwendung der V-KG an die Arbeitnehmer der Klägerin sei ohne die Konzernzugehörigkeit der beiden Firmen nicht denkbar.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils waren der Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid und die Einspruchsentscheidung entsprechend dem Antrag der Klägerin zu ändern (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entgegen der Auffassung des FG findet im Streitfall die Regelung über den Rabattfreibetrag (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG) Anwendung. Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern die von ihr hergestellte Zeitung unentgeltlich überlassen.
1. Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 v.H. geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet (§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG). Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 2 400 DM im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung).
a) § 8 Abs. 3 EStG findet ausschließlich auf solche Zuwendungen Anwendung, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Werden die Vorteile von anderen Unternehmen oder Personen gewährt, greift die Steuerbegünstigung dagegen selbst dann nicht ein, wenn die Zuwendenden, wie etwa konzernzugehörige Unternehmen, dem Arbeitgeber nahe stehen (ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1996 VI R 100/95, BFHE 182, 61, BStBl II 1997, 330; vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356).
b) Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 7. Februar 1997 VI R 17/94, BFHE 182, 556, BStBl II 1997, 363; in BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356) ist die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG ferner auf die Waren oder Dienstleistungen beschränkt, die der Arbeitgeber als eigene liefert oder erbringt. In Übereinstimmung hiermit hat der Senat im Urteil in BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356 unter Hinweis auf dessen Entstehungsgeschichte die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 3 EStG verneint, wenn sich der Personalrabatt nicht auf ein konkretes Produkt oder eine konkrete Dienstleistung des Arbeitgebers bezieht. Wie dort im Einzelnen ausgeführt wird, sollte mit den Tatbestandsmerkmalen "vom Arbeitgeber ... hergestellt, vertrieben oder erbracht" die besondere Rabattbesteuerung des § 8 Abs. 3 EStG nicht auf den überbetrieblichen Belegschaftshandel erstreckt, sondern auf die eigene Produkt- und Dienstleistungspalette des Arbeitgebers beschränkt werden. Dabei hat der Gesetzgeber die Begriffe "Waren oder Dienstleistung" nur deshalb anstelle des Begriffs des Sachbezugs verwendet, "weil er als Anknüpfungspunkt zu der gewollten Beschränkung auf die eigene unternehmerische Liefer- und Leistungspalette des Arbeitgebers sprachlich nicht geeignet war" (BFH-Urteil vom 4. November 1994 VI R 81/93, BFHE 175, 567, BStBl II 1995, 338). Dass fremde Waren oder Dienstleistungen, also solche, die der Arbeitgeber nicht als eigene am Markt anbietet, vom Regelungsbereich des § 8 Abs. 3 EStG nicht umfasst sind, dient auch der damit bezweckten Vereinfachung der Steuererhebung, da jeweils nur zu untersuchen ist, ob der im Einzelfall zu bewertende Sachbezug zur Produktpalette des Arbeitgebers zählt oder nicht.
c) Hersteller einer Ware i.S. des § 8 Abs. 3 EStG ist sowohl der Arbeitgeber, der den Gegenstand selbst produziert, als auch derjenige, der eine Ware auf eigene Kosten nach seinen Vorgaben und Plänen von einem anderen produzieren lässt; denn auch diesem ist der Herstellungsprozess zuzurechnen. In diesem Fall kann aber auch derjenige als Hersteller i.S. des § 8 Abs. 3 EStG anzusehen sein, der die Ware nach den Vorgaben und Plänen seines Auftraggebers produziert. Dazu reicht aber nicht aus, dass er lediglich am Herstellungsprozess beteiligt ist. Sein Beitrag am Herstellungsprozess muss vielmehr derart gewichtig sein, dass bei wertender Betrachtung die Annahme der Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint.
d) Für die Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber die zu beurteilende Ware oder Dienstleistung fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG bestimmt zwar, dass die Leistung mit dem um 4 v.H. geminderten Endpreis zu bewerten ist, zu dem der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Die genannte Bestimmung betrifft jedoch, wie aus der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ausschließlich die Bewertung des geldwerten Vorteils i.S. des § 8 Abs. 3 EStG. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber seine Waren oder Dienstleistungen nicht fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet, sind die Endpreise seines nächstansässigen Abnehmers maßgebend (BTDrucks 11/2157, S. 142; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, zu 2. b bb (1) a.E.). Die Voraussetzungen, unter denen die Bewertungsregelung in § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG Anwendung findet, ergeben sich somit allein aus § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG.
e) Ist ein Arbeitgeber Hersteller der an seine Arbeitnehmer abgegebenen Waren, so wird der gesamte geldwerte Vorteil, der dem Arbeitnehmer dadurch entsteht, vom Rabattfreibetrag erfasst. Die Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG beschränkt sich nicht lediglich auf den Teil des Endpreises, der dem Anteil der auf den Arbeitgeber entfallenden Herstellungskosten an den Gesamtherstellungskosten des Endprodukts entspricht. Dies gilt auch in den Fällen, in denen wie im Streitfall mehrere Unternehmen als Hersteller des Endprodukts anzusehen sind.
2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist im Streitfall die Zuwendung der Freiexemplare der Zeitung an die Arbeitnehmer der Klägerin nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG steuerfrei. Dieser geldwerte Vorteil unterliegt somit bei der Klägerin nicht dem Lohnsteuerabzug.
a) Die Klägerin ist Herstellerin der Zeitung. Zwar schützt das Urheberrecht Zeitungen als selbständige Werke und ordnet sie in ihrer Gesamtheit rechtlich dem Herausgeber zu. Ob ein Arbeitgeber im Rahmen einer Unternehmensgruppe ein Produkt herstellt, bestimmt sich jedoch nicht nach formellen Zurechnungen wie einem Impressum (vgl. Kirchhof in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, KompaktKommentar 2. Aufl., § 8 Rz. 63). Als Hersteller der Zeitung erscheint zunächst die V-KG, weil sie mit dem redaktionellen Teil sowie den Anzeigen den Inhalt der Zeitung bestimmt und mit der Erteilung des Druckauftrages an die Klägerin das körperliche Entstehen der Zeitung ins Werk setzt. Daneben ist jedoch auch die Klägerin als Herstellerin der Zeitung i.S. des § 8 Abs. 3 EStG anzusehen. Die Zeitung als Ware besteht nicht nur aus ihrem der V-KG zuzurechnenden geistigen Inhalt, sondern sie bedarf zu ihrem Entstehen der gegenständlichen Verkörperung durch den Druckvorgang. Die Zeitung als körperlicher Gegenstand wird --wenn auch nach den Vorgaben der V-KG-- ausschließlich von der Klägerin produziert. Das (End-)Produkt (Zeitung) entsteht im Betrieb der Klägerin. Dieser obliegt der gesamte Produktionsprozess. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin die nicht überwiegend für den Bedarf ihrer Arbeitnehmer hergestellten Zeitungen nicht an Letztverbraucher vertreibt, sondern Leistungsbeziehungen insoweit allein zu der V-KG bestehen.
b) Die Klägerin hat die Freiexemplare der Zeitung auch ihren Arbeitnehmern überlassen. Zwar hat die V-KG als Inhaberin der Verlags- und Urheberrechte es der Klägerin gestattet, die Zeitung an die Arbeitnehmer unentgeltlich abzugeben. Diese Gestattung berührt jedoch ausschließlich das zwischen der V-KG und der Klägerin bestehende Innenverhältnis. Im Verhältnis zu den Arbeitnehmern, die die Zeitung unentgeltlich erhalten, erscheint allein die Klägerin als Zuwendende. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Arbeitnehmer, die aus dem Betrieb ein Exemplar der Zeitung mitnehmen, sondern auch für diejenigen, die sich die Zeitung gegen Zahlung der Zustellkosten, ansonsten jedoch kostenfrei, über die Vertriebsfirma zustellen lassen. Auch insoweit erscheint die Klägerin, die die Zustellung über die Vertriebsfirma ins Werk setzt, als Zuwendende und nicht die V-KG als Verlag. Die durch die Vertriebsfirma zugestellten (Frei-)Exemplare der Zeitung vermitteln den Arbeitnehmern gegenüber den im Betrieb der Klägerin ausliegenden Mitnahmeexemplaren keinen anders gelagerten oder weiter gehenden geldwerten Vorteil.
c) Die Anwendung des Rabattfreibetrags auf die unentgeltlich überlassenen Freiexemplare der Zeitung umfasst den gesamten, den Arbeitnehmern entstehenden nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zu ermittelnden geldwerten Vorteil. Die Höhe der Druckkosten an den Gesamtherstellungskosten der Zeitung ist dagegen entsprechend dem vorstehend Ausgeführten ohne Belang. Da die den Arbeitnehmern --unter Berücksichtigung der Zuwendung der Freiexemplare-- insgesamt entstandenen geldwerten Vorteile je Kalenderjahr unstreitig den Rabattfreibetrag in Höhe von 2 400 DM nicht überschritten haben, war insoweit keine Nachversteuerung vorzunehmen.
Ende der Entscheidung
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