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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: VI R 89/02
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 12 Nr. 1 Satz 2
FGO § 76
FGO § 94a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die 1957 geborene ledige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Streitjahr (2000) als Team-Assistentin angestellt; sie war dabei auch mit Telefonaten und Korrespondenz in spanischer Sprache befasst. Im Rahmen eines Bildungsurlaubs nahm die Klägerin in der Zeit vom 8. bis 19. Mai 2000 an einem in Andalusien durchgeführten Spanisch-Sprachkurs teil, der werktäglich vormittags 1,5 Zeitstunden Einzel- und nachmittags 3,5 Zeitstunden Gruppenunterricht umfasste. Nach Abzug eines Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 500 DM verblieb der Klägerin nach ihrer Darstellung ein selbst getragener Aufwand in Höhe von 2 996 DM insbesondere für Kursgebühren (1 224 DM), Gastfamilie (657 DM), Flugkosten (566 DM) usw. In der Einkommensteuer-Erklärung 2000 machte die Klägerin den Aufwand von 2 996 DM als Werbungskosten (Fortbildung) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte lediglich Kursgebühren in Höhe von (1 224 DM ./. Arbeitgebererstattung 500 DM =) 724 DM.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit komme ein Werbungskostenabzug nur in Betracht, wenn die Aufwendungen so gut wie ausschließlich beruflich veranlasst seien. Bei der Teilnahme an einem Sprachkurs im Ausland sprächen die äußerlich erkennbaren Umstände im Allgemeinen dafür, dass die Aufwendungen nicht so gut wie ausschließlich beruflich veranlasst seien; schon die mit der Reise und dem Auslandsaufenthalt verbundenen touristischen Elemente überlagerten regelmäßig die berufliche Veranlassung in steuerschädlicher Weise. So wäre es mit der steuerlichen Gleichbehandlung nicht vereinbar, die Kosten der bei vielen Bürgern beliebten Reisen nach Spanien schon dadurch teilweise auf die Allgemeinheit abzuwälzen, dass ein --an sich beruflich veranlasster-- Sprachkurs nicht im Inland, sondern in Andalusien absolviert werde.

Unbeschadet des beruflichen Nutzens habe die Teilnahme der Klägerin an dem Sprachkurs bei objektiver Betrachtung auch einen erheblichen touristischen Erlebniswert gehabt. Andalusien im Mai gehöre zu den beliebtesten Reisezielen in Europa. Die Unterrichtszeiten des Kurses hätten viel Freiraum für eine urlaubsähnliche Nutzung gelassen. Vergleichbaren Sprachunterricht hätte die Klägerin auch im Inland erhalten können. Die nicht so gut wie ausschließlich berufliche Veranlassung spiegele sich auch darin wieder, dass die eigentlichen Unterrichtsgebühren nur gut ein Drittel des Gesamtaufwands ausmachten.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Entgegen der Auffassung des FG stehe § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG dem Werbungskostenabzug nicht entgegen, denn aufgrund des engen Bezugs der Reise zum Beruf falle der private Lebensbereich gegenüber der beruflichen Veranlassung nicht mehr ins Gewicht. Insbesondere sei eine Befriedigung von privaten Interessen seitens der Klägerin aufgrund der straffen und lehrgangsmäßigen Organisation des Sprachkurses nahezu ausgeschlossen. Das FG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Sprachkurs in der Zeit vom 8. bis 19. Mai 2000 an jeweils allen fünf Arbeitstagen stattgefunden habe.

Der Kurs habe der Klägerin auch berufsspezifische Kenntnisse vermittelt, welche zur Ausübung ihres Berufes erforderlich gewesen seien. Bei ihrer Arbeitgeberin habe es sich um ein international ausgerichtetes Zulieferunternehmen für die ...industrie gehandelt. Der Tätigkeitsbereich der Klägerin habe darin bestanden, die spanischsprachige Korrespondenz intern zu übersetzen sowie die spanischsprachigen Telefonate und den kaufmännisch bzw. wirtschaftlich ausgerichteten spanischsprachigen Schriftwechsel zu führen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das vorinstanzliche Urteil aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 7. Mai 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2001 dahin gehend zu ändern, dass zusätzliche Aufwendungen für die Sprachreise in Höhe von 2 272 DM als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Gesamtwürdigung der objektiven Umstände führe zu dem Ergebnis, dass die privaten Interessen für den Aufenthalt in Andalusien nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen seien.

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Vollsenat des FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht, d.h. wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (zuletzt etwa BFH-Urteile vom 19. Februar 2004 VI R 135/01, BFHE 205, 220, BStBl II 2004, 958, und vom 5. August 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074).

Bei einem Fortbildungslehrgang zum Erwerb oder zur Vertiefung von Fremdsprachenkenntnissen, der nicht am Wohnort des Steuerpflichtigen oder in dessen Nähe stattfindet (auswärtiger Sprachkurs), ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob neben den reinen Kursgebühren auch die Aufwendungen für die mit dem Sprachkurs verbundene Reise beruflich veranlasst und demzufolge als Werbungskosten abziehbar sind (BFH-Urteil vom 14. April 2005 VI R 6/03, VI R 122/01, BFH/NV 2005, 1544). Der Abzug auch dieser Aufwendungen setzt allerdings voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist bei auswärtigen Sprachlehrgängen ebenso wie bei sonstigen Reisen dann der Fall, wenn ihnen offensichtlich ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (vgl. BFH-Urteile vom 27. August 2002 VI R 22/01, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; vom 27. Juli 2004 VI R 81/00, BFH/NV 2005, 42).

Gleiches gilt, wenn zwar kein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt, die berufliche Veranlassung aber bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1980 IV R 153/79, BFHE 131, 361, BStBl II 1980, 746; vom 21. August 1995 VI R 47/95, BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10). Für die Anerkennung eines beruflichen Anlasses bei einem Fremdsprachenlehrgang hat der Senat gefordert, dass ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit bestehen muss (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2002 VI R 46/01, BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579 zu einem Sprachkurs im Inland).

2. Entgegen der Auffassung des FG kann die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nach inzwischen gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht allein deshalb versagt werden, weil der Sprachkurs im Ausland stattgefunden hat (BFH-Urteile vom 13. Juni 2002 VI R 168/00, BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765; in BFH/NV 2005, 1544; BFH-Beschluss vom 19. Mai 2004 VI B 101/02, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2004, 933). Diese Auffassung hat auch die Verwaltung übernommen (siehe Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 26. September 2003 IV A 5 -S 2227- 1/03, BStBl I 2003, 447). Deshalb kann abweichend von der früheren Rechtsprechung bei einem Sprachkurs in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht mehr typisierend unterstellt werden, wie es das FG getan hat, dass dieser wegen der jeder Auslandsreise innewohnenden touristischen Elemente eher Berührungspunkte zur privaten Lebensführung aufweist als ein Inlandssprachkurs (BFH-Urteil in BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765). Dementsprechend ist es nicht zulässig, darauf abzustellen, dass ein Besuch von Sprachkursen im Inland den gleichen Erfolg hätte haben können. Denn dieser Umstand kann bei der steuerlichen Beurteilung eines Auslandssprachkurses nicht mehr als gewichtiges Indiz für eine private Veranlassung angesehen werden. Gleiches gilt auch für die Tatsache, dass mit einem Auslandsaufenthalt erhöhte Kosten verbunden sein können (siehe im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765). Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass eine Sprache in dem Land, in dem sie gesprochen wird, im Allgemeinen effizienter zu erlernen ist.

3. Die Vorentscheidung ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird festzustellen haben, ob zwischen der Vervollkommnung der Spanischsprachkenntnisse und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin ein konkreter Zusammenhang besteht, der es im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung rechtfertigt, die Aufwendungen für den Sprachkurs insgesamt als beruflich veranlasst anzusehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 198, 563, BStBl II 2002, 579) und ob der Sprachlehrgang nach Programm und Durchführung den Vorgaben der Rechtsprechung entspricht (vgl. z.B. BFH in BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765). Der erkennende Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch bei einem vereinfachten Verfahren i.S. des § 94a FGO (Verfahren nach billigem Ermessen bei einem Streitwert bis 500 €) der Untersuchungsgrundsatz nach § 76 FGO unberührt bleibt (siehe § 94a Satz 3 Halbsatz 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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