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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.06.1999
Aktenzeichen: VI R 92/98
Rechtsgebiete: EStG, BKGG a.F., RsprEinhG
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a | |
EStG § 32 Abs. 5 Satz 1 | |
EStG § 62 Abs. 1 | |
EStG § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 | |
BKGG a.F. § 2 | |
RsprEinhG § 2 Abs. 1 |
Zur Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gehört auch die Vorbereitung auf eine Promotion, wenn diese im Anschluß an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird.
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 5 Satz 1, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BKGG a.F. § 2 RsprEinhG § 2 Abs. 1
Urteil vom 9. Juni 1999 - VI R 92/98 -
Vorinstanz: FG Münster (EFG 1998, 1687)
Gründe
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater eines im Jahre 1968 geborenen Sohnes, welcher von Juli 1987 bis zum Februar 1989 seinen Zivildienst ableistete und seit dem Wintersemester 1989/1990 als Student im Studienfach Mathematik an der Universität W immatrikuliert ist. Am 28. Juni 1996 bestand der Sohn seine Diplom-Prüfung im Fach Mathematik. Er setzte sein Studium an der Universität W zur Vorbereitung auf die angestrebte Promotion im Fach Mathematik fort. Nachdem der Kläger das Arbeitsamt -Familienkasse- (der Beklagte und Revisionskläger --Beklagter--) von der Diplom-Prüfung und der Fortsetzung des Studiums seines Sohnes unterrichtet hatte, hob der Beklagte gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn mit Wirkung ab August 1996 auf. Zur Begründung führte er an, der Sohn habe sein Studium mit Erhalt des Diplom-Zeugnisses im Juli 1996 abgeschlossen. Die Vorbereitung auf die Promotion könne nur dann als Ausbildung anerkannt werden, wenn die Promotionsprüfung anstelle der Diplom-Prüfung abgelegt werde.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1687 veröffentlichten Gründen statt.
Der Beklagte rügt mit seiner Revision einen Verstoß gegen § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Zur Begründung stützt er sich im wesentlichen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Begriff der Berufsausbildung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) a.F. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG werde der Begriff der Berufsausbildung dahin verstanden, daß es sich dem Wesen nach um eine durch Ausbilder und Ausbildungspläne geregelte Ausbildungsmaßnahme handeln und diese dazu dienen müsse, Kenntnisse und Fertigkeiten zu erlangen, welche die Ausübung eines gegen Entgelt auszuübenden und damit lebensunterhaltsdeckenden Berufes ermöglichten. Bei einer Promotion im Anschluß an ein durch Staatsexamen beendendes Studium verneine das BSG eine Berufsausbildung. Die Promotion diene allein dem Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit und dem Erlangen einer akademischen Würde. Mit dem Erhalt des Diploms habe der Sohn des Klägers das durch die Studien- und Prüfungsordnung definierte Studienziel erreicht und damit seine Berufsausbildung beendet. Sinn und Zweck der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs gemäß § 31 EStG sei in erster Linie die steuerliche Entlastung der Eltern. Habe das Kind seine Ausbildung jedoch mit einem beruflichen Abschluß beendet, sei es regelmäßig selbst in der Lage und auch zivilrechtlich verpflichtet, aus eigener Erwerbstätigkeit sein Existenzminimum zu sichern. Auch der Umstand, daß für die Erreichung der Lehrbefähigung die Promotion erforderlich sei, rechtfertige es nicht, die Promotionszeit als Zeit der Berufsausbildung zu qualifizieren (vgl. BSG-Urteil vom 27. September 1994 10 RKg 1/93, SozR 3-5870 zu § 2 BKGG Nr. 28). Die Promotion könne auch nicht deshalb als Bestandteil der Berufsausbildung angesehen werden, weil sie die nach Erreichen der Berufsqualifikation bestehenden Einsatzchancen am Arbeitsmarkt verbessere oder den Zugang zu bestimmten Karriereposten eröffne. Wenn es nach diesen Kriterien ginge, müßten alle förderlichen und nützlichen Betätigungen eines jungen Menschen in Richtung auf eine künftige Berufsausübung einen Kindergeldanspruch der Eltern auslösen. Dies habe der Gesetzgeber aber nicht beabsichtigt. Daher werde auch weiterhin die Auffassung vertreten, daß eine Promotion nur dann als Berufsausbildung gewertet werden könne, wenn sie das Studium anstelle eines Diploms oder Staatsexamens abschließe oder nach der maßgeblichen gesetzlichen Berufsausbildungsregelung als Abschluß vorgesehen sei. Der Sohn des Klägers habe jedoch mit Erhalt des Diploms die zur Ausübung eines Berufes erforderliche Qualifikation erlangt.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist nicht vertreten.
Die Revision ist unbegründet.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger für den Zeitraum der Promotionsvorbereitung seines Sohnes --längstens bis zur Erreichung der Altersgrenze nach § 32 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG-- ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, weil der Sohn auch in der Zeit ab August 1996 für einen Beruf ausgebildet wurde.
1. Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr --und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 5 EStG darüber hinaus-- vollendet hat, wird gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
a) Das Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet" wird vom Gesetz nicht näher umschrieben. Durch die Verweisung in § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs. 4 EStG hat der Gesetzgeber indes klargestellt, daß der steuerliche Begriff der Berufsausbildung seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 (Jahressteuergesetz 1996, BGBl I 1995, 1250) auch im Kindergeldrecht anzuwenden und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte zum BKGG a.F. kann dabei nur eingeschränkt zurückgegriffen werden, da das Kindergeld ebenso wie der Kinderfreibetrag in erster Linie der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern dient (§ 31 Satz 1 EStG).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 32 EStG a.F. ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1984 VI R 69/83, BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91). In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 23. April 1997 VI R 135/95, BFH/NV 1997, 655, m.w.N.). Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind.
c) Entgegen der Auffassung des Beklagten kann aus der gesetzlichen Formulierung "für einen Beruf ausgebildet wird" nicht gefolgert werden, daß die Promotion in einer Studienordnung als alleiniger Abschluß des Studiums vorgesehen sein oder jedenfalls anstelle eines Diploms oder Staatsexamens das Studium abschließen muß, um als Berufsausbildung anerkannt werden zu können (vgl. zur Auffassung der Verwaltung Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, Anhang 6, DA 2.217 Abs. 4, BStBl I 1996, 838; ebenso DA-FamEStG 63.3.2.4 Abs. 5, BStBl I 1998, 413). Die Auslegung hat vielmehr den Sinn und Zweck des seit 1. Januar 1996 geltenden steuerrechtlichen Kindergelds zu berücksichtigen, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen, weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653, 658). Die Minderung der Leistungsfähigkeit besteht auch dann fort, wenn das Kind das Studium erfolgreich abgeschlossen hat und sich auf eine Promotion vorbereitet und die Eltern diese ergänzende Ausbildung finanzieren.
Das Berufsziel wird nach ständiger Rechtsprechung von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt (BFH-Urteil in BFHE 142, 140, BStBl II 1985, 91). Denn den Eltern und dem Kind kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. BVerfG-Beschluß vom 10. November 1998 2 BvR 1057/98, 2 BvR 1226/96, 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 187). Das Berufsziel ist nicht ohne weiteres dann als erreicht anzusehen, wenn das Kind die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des von ihm gewählten Berufes erfüllt (BFH-Urteil vom 8. November 1972 VI R 54/70, BFHE 107, 447, BStBl II 1973, 138). Die technische und wirtschaftliche Entwicklung in praktisch allen Berufszweigen läßt es vielmehr als notwendig erscheinen, Fähigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die über das vorgeschriebene Maß hinausgehen (BFH-Urteil vom 8. November 1972 VI R 309/70, BFHE 107, 450, BStBl II 1973, 139).
2. Zur Berufsausbildung gehört auch die Vorbereitung auf eine Promotion.
Der erforderliche Bezug zu einem Beruf ist jedenfalls bei einer im Anschluß an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführten Promotionsvorbereitung in aller Regel zu bejahen. Entweder ist die Vorbereitung auf eine Promotion noch Teil des Studiums oder als weitere Berufsausbildung mit dem Ziel eines Abschlußexamens anzusehen. Diese Auffassung wird überwiegend auch im steuerrechtlichen Schrifttum unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung des BFH (z.B. Urteil vom 20. September 1957 VI 7/56 U, BFHE 65, 498, BStBl III 1957, 424) vertreten (Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 32 Rz. 38; Ramisch in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 32 EStG Rn. 89; Jechener in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 32 Anm. 65; Blümich/Stäuber, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32 EStG Rz. 25; Stolterfoth in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 32 Rz. 39; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 32 EStG Anm. 96: "Doktorand"; offengelassen von Seewald/Felix in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 63 Rdnr. D 79).
Soweit das BSG zu § 2 BKGG a.F. eine abweichende Auffassung vertreten hat (z.B. BSG-Urteil in SozR 3-5870, § 2 BKGG Nr. 28), besteht keine Veranlassung, den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes anzurufen (vgl. § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I 1968, 661). Die Abweichung in einer Rechtsfrage setzt eine unterschiedliche Beurteilung von Rechtsvorschriften oder Rechtsbegriffen voraus, die ihrem Wortlaut nach im wesentlichen und ihrem Regelungsinhalt nach gänzlich übereinstimmen und deshalb nach denselben Prinzipien auszulegen sind (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 12. März 1987 GmS-OGB 6/86, BGHZ 100, 277, 281; s. auch Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 30. September 1976 4 StR 683/75 (KG), Neue Juristische Wochenschrift 1976, 2354; vom 4. November 1970 2 StR 494/70, BGHSt 23, 377). Daran fehlt es im vorliegenden Fall wegen der geänderten Zweckrichtung des Kindergeldes. Dieses dient, wie unter 1. c dargelegt, vorrangig der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern.
3. Das FG hat im Streitfall in Gesamtwürdigung der Umstände zutreffend das Vorliegen einer Berufsausbildung bejaht. Der Sohn des Klägers hat im unmittelbaren Anschluß an den Erwerb des Diploms mit der Promotionsvorbereitung begonnen. Hinzu kommt im Streitfall außerdem, daß der Sohn als weiteres Ziel die Habilitation anstrebte, wofür die Promotion ihrerseits Voraussetzung ist. Anhaltspunkte dafür, daß die Promotionsvorbereitung nicht ernsthaft und nachhaltig vorgenommen wurde, bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
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