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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.11.1997
Aktenzeichen: VI R 93/95
Rechtsgebiete: EStG, GG
Vorschriften:
EStG § 37 Abs. 3 | |
EStG § 39a Abs. 1 | |
EStG § 43 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
1. § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des StMBG kann nicht entgegen seinem Wortlaut dahin ausgelegt werden, daß bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Werbungskosten oder ein bestimmter Prozentsatz davon als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen sind.
2. Es ist verfassungsrechtlich hinzunehmen, daß Werbungskosten und Steuerabzugsbeträge nach § 43 EStG bei Einkommensteuer-Vorauszahlern gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG zu berücksichtigen sind, während Steuerabzugsbeträge und solche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, die niedriger sind als die Einnahmen, bei der Ermittlung des Freibetrags nach § 39a Abs. 1 EStG i.d.F. des StMBG nicht einzubeziehen sind (Aufgabe der Rechtsprechung in dem Beschluß vom 27. Juni 1995 VI R 93/93, BFH/NV 1995, 1058).
EStG § 37 Abs. 3, § 39a Abs. 1, § 43 GG Art. 3 Abs. 1
Urteil vom 21. November 1997 - VI R 93/95
Vorinstanz: FG München (EFG 1996, 438)
Gründe
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 1994 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) trug auf der Lohnsteuerkarte 1994 zunächst gemäß dem Antrag des Klägers einen Freibetrag ein. Im September 1994 beantragte der Kläger außerdem bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Freibetrag Werbungskosten von 184 750 DM einzutragen. Er erläuterte dies wie folgt:
Der Betrag von 184 750 DM entspreche 90 v.H. seiner bei den Einkünften aus Kapitalvermögen voraussichtlich tatsächlich anfallenden Werbungskosten von 205 078 DM. Er erziele hohe Einnahmen aus Kapitalvermögen insbesondere daraus, daß er sukzessiv Anteile an der GmbH erworben habe, deren Arbeitnehmer er sei. Der Kauf der Anteile sei zum Teil fremdfinanziert worden. Da die Gewinnausschüttungen der GmbH die anfallenden Werbungskosten überstiegen, fielen keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Die auf die Gewinnausschüttung entfallende anzurechnende Körperschaftsteuer von 30 v.H. sowie die anzurechnende Kapitalertragsteuer von 25 v.H. hätten aber zur Folge, daß bei einer Bruttodividende von 100 ingesamt 47,5 v.H. anrechenbare Steuern vorlägen. Vereinfachungshalber könnten deswegen nur 90 v.H. der entstehenden Werbungskosten eingetragen werden, damit die Summe der insgesamt abgezogenen Lohnsteuer bzw. der entrichteten Vorauszahlungssteuern die voraussichtliche Jahreseinkommensteuer annähernd erreiche.
Das FA lehnte die Eintragung ab. Mit seiner --nach Ablauf des Monats März 1995 geänderten-- Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß die Ablehnung des FA, weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 184 750 DM auf der Lohnsteuerkarte 1994 einzutragen, rechtswidrig gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus: Der Wortlaut des § 39a Abs. 1 Nr. 5 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sehe zwar nur die Eintragung negativer Einkünfte aus Kapitalvermögen als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte vor. Ergäben sich --wie im Streitfall-- positive Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei denen hohe Werbungskosten zu berücksichtigen seien, würde eine Auslegung der Vorschrift allein nach dem Wortlaut aber zu einer Ungleichbehandlung der betreffenden Personengruppe im Verhältnis zu den Einkommensteuer-Vorauszahlern führen; denn bei letzteren würden auch positive Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie die Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer-Vorauszahlungen angerechnet (§ 37 Abs. 3 Satz 2 EStG). Bei einer wortlautgemäßen Auslegung würde den Lohnsteuerzahlern ein Sonderopfer abverlangt, das in einem Zins- und Liquiditätsnachteil liege. Diese unterschiedliche Behandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße deshalb gegen den Gleichheitssatz. Da nach dem Willen des Gesetzgebers durch die Änderung des § 39a Abs. 1 EStG durch das Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 5O) eine Ungleichbehandlung habe vermieden werden sollen (vgl. BTDrucks 12/5630) und eine Gleichbehandlung im Lohnsteuerabzugsverfahren nur durch eine isolierte Berücksichtigung der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Freibetrag erreicht werden könne, sei § 39a Abs. 1 Nr. 5 b EStG im Wege der teleologischen Reduktion verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß anstelle der negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur die Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 438 veröffentlicht.
Das FA rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 39a Abs. 1 Nr. 5 b EStG. Es macht geltend, die Ermäßigungstatbestände seien in § 39a Abs. 1 EStG abschließend aufgezählt. Die Erweiterung des Katalogs um die Werbungskosten bei Kapitalvermögen sei auch nicht im Wege abändernder Rechtsfortbildung zulässig.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es vertritt die Auffassung, der Wortlaut des § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG in der für das Streitjahr 1994 gültigen Fassung des StMBG lasse sich nicht dahin auslegen, daß wegen des Zinsabschlags oder solcher Werbungskosten, die niedriger seien als die Einnahmen, ein Freibetrag eingetragen werden könne. Auch die Entstehungsgeschichte spreche gegen eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen im Lohnsteuerermäßigungsverfahren. Der Gesetzgeber sei sich der Problematik der neben Lohneinkünften vorkommenden und ggf. mit Zinsabschlag belasteten Kapitaleinkünfte durchaus bewußt gewesen (vgl. BTDrucks 12/5630 S. 61; BRDrucks 612/93 S. 63). Deshalb habe er den Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Verlustberücksichtigung im Lohnsteuerermäßigungsverfahren eine Sonderrolle zugewiesen. Eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen aus anderen Abzugsverfahren stünde mit dem Zweck des Lohnsteuerabzugs, die voraussichtliche Einkommensteuer auf Lohneinkünfte zeitnah als Lohnsteuer zu erheben, nicht im Einklang. Die unterschiedliche Behandlung sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Der Lohnsteuerabzug sei ein Quellenabzug; derartige Abzugsverfahren würden keine gegenseitige Anrechnung kennen. Sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung lägen auf dem Gebiet der Verwaltungstechnik und der Verwaltungsökonomie vor. Die Berücksichtigung von Zinsabschlagsbeträgen oder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei der Lohnsteuererhebung wäre mit einem erheblichen verwaltungstechnischen Mehraufwand verbunden.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Die Weigerung des FA, 90 v.H. der Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, war rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des FG ist § 39a Abs. 1 Nr. 5 b EStG i.d.F. des StMBG nicht gegen seinen Wortlaut dahin auszulegen, daß bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Werbungskosten oder ein bestimmter Prozentsatz davon als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen sind.
1. a) Nach § 39a Abs. 1 Nr. 5 b EStG i.d.F. des StMBG werden auf der Lohnsteuerkarte als vom Arbeitslohn abzuziehender Freibetrag "die folgenden Beträge, wie sie nach § 37 Abs. 3 bei der Festsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen zu berücksichtigen sind", eingetragen:
"b) die negative Summe der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, 6 und 7 und der negativen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5".
Danach sind bei der Ermittlung des auf der Lohnsteuerkarte einzutragenden Freibetrages die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 20 EStG) nur zu berücksichtigen, soweit sie negativ sind, also nur insoweit, als die Werbungskosten höher sind als die Einnahmen. Der Senat teilt die Ansicht des BMF, daß die Bezugnahme auf § 37 Abs. 3 EStG in § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG dahin zu verstehen ist, daß die in den nachfolgenden Buchstaben a bis c aufgeführten Beträge bei der Lohnsteuer nach Maßgabe des § 37 Abs. 3 EStG berücksichtigt werden sollen und daß dadurch keine weitere, nicht ausdrücklich benannte Kategorie geschaffen werden sollte. Nach dem Gesetzeswortlaut sollen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nicht die Werbungskosten schlechthin --wie z.B. nach § 39a Abs. 1 Nr. 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigen-- oder ein bestimmter Prozentsatz davon zu einem Freibetrag führen.
b) Das im Wege der grammatischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Die Änderung des § 39a EStG durch das StMBG ist darauf zurückzuführen, daß das Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- (Beschluß vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348) und ihm folgend der Bundesfinanzhof --BFH-- (Beschluß vom 29. April 1992 VI B 152/91, BFHE 167, 152, BStBl II 1992, 752) die Gleichbehandlung von Einkommensteuer-Vorauszahlern und Lohnsteuerzahlern bei der Berücksichtigung von negativen Einkünften verlangt hatten. Im Gesetzgebungsverfahren war man sich der Sonderrolle; die die Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen des Steuerabzugs (§ 43 EStG) spielen, bewußt. Denn in den Gesetzesmaterialien wird ausgeführt (BTDrucks 12/5630 S. 61, BTDrucks 12/5764 S. 22, BRDrucks 612/94 S. 63), daß positive Kapitaleinkünfte die Eintragung einer negativen Summe der übrigen Einkünfte nicht beeinträchtigen sollten, da die Einnahmen aus Kapitalvermögen grundsätzlich dem Zinsabschlag oder der Kapitalertragsteuer unterlägen. Negative Einkünfte aus Kapitalvermögen sollten dagegen in die Freibetragseintragung einbezogen werden, "um über eine Lohnsteuerminderung einen gewissen Ausgleich für die Abzugsteuern zu schaffen". Man war sich danach darüber im klaren, daß mit der aus verfassungsrechtlichen Gründen für erforderlich gehaltenen Neuregelung des § 39a EStG bei Lohnsteuerzahlern wegen der Abzugsteuern nicht ein vollständiger, sondern nur ein gewisser Ausgleich geschaffen wurde.
c) Das durch grammatische und historische Auslegung gefundene Ergebnis führt zu einer ungleichen Behandlung von Lohnsteuerzahlern einerseits und Einkommensteuer-Vorauszahlern andererseits. Denn während den Lohnsteuerzahlern wegen der Abzugsteuern nur "ein gewisser Ausgleich" zugestanden wird, bemessen sich gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG die Vorauszahlungen grundsätzlich nach der Einkommensteuer, die sich nach Anrechnung der Steuerabzugsbeträge und der Körperschaftsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 und 3) bei der letzten Veranlagung ergeben hat. Das bedeutet, daß bei den Einkommensteuer-Vorauszahlern bei hinreichend hohen Einkünften aus z.B. selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb der Steuerabzug bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in vollem Umfang berücksichtigt wird; bei ihnen wird die bei der Veranlagung festzusetzende Steuer selbst dann in etwa der Vorauszahlung entsprechen, wenn sie hohe Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen haben, z.B. weil sie ihre Kapitalanlagen mit Krediten finanzieren. Demgegenüber tritt bei Lohnsteuerzahlern in einer ansonsten vergleichbaren Situation eine Überzahlung ein. Allein deswegen, weil sie anstelle der Einkünfte aus beispielsweise selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb solche aus nichtselbständiger Arbeit in derselben Höhe erzielen, müssen sie dem Steuergläubiger in jährlicher Wiederkehr unfreiwillig einen monatlich ansteigenden Kredit geben, der ihnen erst nach der Durchführung der Veranlagung zurückgezahlt wird. Denn bei der Höhe ihrer "Vorauszahlungen" in Form des monatlichen Lohnsteuereinbehalts (§ 38 Abs. 3 EStG) wird anders als bei den Einkommensteuer-Vorauszahlern nach § 37 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht berücksichtigt, daß die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen einbehaltenen Steuerabzugsbeträge (§ 43 EStG) wegen hoher Werbungskosten höher sind als die letztlich nach Abzug der Werbungskosten geschuldete Steuer. Sind die Kapitalanlagen und die zu ihrer Finanzierung aufgenommenen Kredite sehr hoch, so kann die jährliche Überzahlung, die z.B. im Falle des Klägers im Jahre 1992 mehr als 130 000 DM betrug, eine beträchtliche Höhe annehmen.
Diese Ungleichbehandlung kann entgegen der Auffassung des FG nicht durch eine Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift vermieden werden.
aa) § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG kann nicht im Wege der sog. teleologischen Reduktion dahin interpretiert werden, daß ein bestimmter Prozentsatz der Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Freibetrag einzutragen ist. Für eine sog. teleologische Reduktion wäre nur dann Raum, wenn der Wortlaut der Vorschrift und der mit ihr verfolgte Zweck sich nicht deckten. Dies trifft aber nicht zu. Zwar sollte die Änderung des § 39a EStG eine uneingeschränkte Gleichbehandlung der Lohnsteuerzahler mit Einkommensteuer-Vorauszahlern in bezug auf negative Einkünfte herbeiführen. Wegen der Abzugsteuern hatte der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung aber nicht beabsichtigt, sondern sich ausdrücklich "auf einen gewissen Ausgleich" (vgl. BTDrucks 12/5630 S. 61) beschränkt. Hätte man auch insoweit eine Gleichbehandlung der Lohnsteuerzahler mit den Einkommensteuer-Vorauszahlern herbeiführen wollen, hätte es einer besonderen Regelung, d.h. eines Sondertatbestandes, bedurft. Dessen war sich der Gesetzgeber --wie sich aus § 39a Abs. 1 Nr. 5 c EStG ableiten läßt, wonach das Vierfache der Steuerermäßigung nach § 34f EStG als Freibetrag zu berücksichtigen ist-- auch bewußt.
bb) Entsprach danach das Fehlen eines Sondertatbestandes, durch den hohe Werbungskosten oder die Steuerabzugsbeträge bei den Kapitaleinkünften berücksichtigt worden wären, der gesetzgeberischen Absicht und beruhte es nicht auf einem Übersehen oder Nichtvorhersehen der Problematik, so liegt insoweit keine Regelungslücke vor. Damit kann das vom FG gefundene Ergebnis auch nicht durch eine Analogie gerechtfertigt werden.
cc) Die Gleichbehandlung von Lohnsteuerzahlern und Einkommensteuer-Vorauszahlern in bezug auf die Berücksichtigung von Steuerabzugsbeträgen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kann schließlich auch nicht im Wege der sog. verfassungskonformen Auslegung herbeigeführt werden. Denn diese findet nach der Rechtsprechung des BVerfG ihre Grenzen dort, wo sie zu dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. April 1994 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263, 275; vom 7. März 1995 1 BvR 790/91 und 540, 866/92, BVerfGE 92, 158, 183; vom 24. Mai 1995 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, 37, 81). Bei einer zu einer Gleichbehandlung führenden Auslegung des § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG läge ein derartiger Widerspruch vor. Denn es ist klar erkennbar, daß der Gesetzgeber wegen der Einkünfte aus Kapitalvermögen einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte ausschließlich dann zulassen wollte, wenn diese Einkünfte negativ waren.
2. Die gesetzlich gewollte Ungleichbehandlung von Lohnsteuerzahlern einerseits und Einkommensteuer-Vorauszahlern andererseits in bezug auf die Berücksichtigung der Werbungskosten und Steuerabzugsbeträge bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist unbefriedigend, aber verfassungsrechtlich hinzunehmen. Soweit der Senat dies in dem Beschluß vom 27. Juni 1995 VI R 93/93 (BFH/NV 1995, 1058) in der nach § 10 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgesehenen Besetzung mit drei Richtern anders beurteilt und unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG in BVerfGE 84, 348 in der ungleichen Behandlung einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gesehen hat, hält er daran nicht fest. In dem Beschluß war die Prüfung auf den Liquiditätsvergleich und die Feststellung beschränkt worden, daß verwaltungstechnische Gründe die Benachteiligung der Lohnsteuerzahler nicht rechtfertigen würden. Der Senat ist zwar weiterhin der Auffassung, daß gewichtige praktische Erfordernisse der Verwaltung der Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte zur Vermeidung einer Überbesteuerungssituation nicht entgegenstehen. Das in dem Beschluß in BFH/NV 1995, 1058 dargestellte Berechnungsschema zur Ermittlung des Freibetrages stellt an die fachliche Qualifikation des Sachbearbeiters keine höheren Ansprüche, als sie bei der Ermittlung einiger der in § 39a Abs. 1 EStG angeführten Beträge erfüllt werden müssen. Auch der erforderliche Zeitaufwand ist nicht größer.
Die Ungleichbehandlung hat jedoch unter Berücksichtigung der Kriterien, die das BVerfG in dem Beschluß vom 10. April 1997 2 BvL 77/92 (BStBl II 1997, 518) aufgestellt hat, kein derartiges Gewicht, daß der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum für eine Typisierung überschritten ist. Das BVerfG hat festgestellt, daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Steuererhebung bei Einkünften mit einem Quellenabzug und solchen, bei denen ein Quellenabzug nicht möglich oder gesetzlich nicht vorgesehen ist, durch Sondertatbestände einander anzunähern. Ein dem Art. 3 Abs. 1 GG genügender Vergleich darf sich nach Auffassung des BVerfG nicht auf die Prüfung eines mit dem Lohnsteuererhebungsverfahren verbundenen Liquiditätsnachteils beschränken, sondern muß in einem Gesamtvergleich die steuererheblichen Unterschiede zwischen den Lohneinkünften und den übrigen Einkunftsarten analysieren und bewerten und dabei die typischerweise zusammentreffenden Vor- und Nachteile für die Belastung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beachten. Wie das BVerfG in BStBl II 1997, 518, 519 im einzelnen ausgeführt hat, sind in diesem Gesamtvergleich "insbesondere die Verschiedenheiten in den Erklärungs- und Buchführungspflichten einschließlich ihrer Kostenfolge, die jeweiligen Zeitwirkungen der Maßstäbe für Gewinn und Überschußeinkünfte, die gesetzlichen Regelungen zur Annäherung der Belastungszeitpunkte und zum Ausgleich von Liquiditätsunterschieden, Vereinfachungen und Typisierungen für die einzelnen Einkunftsarten zu beurteilen".
Angesichts dieser Erfordernisse und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß eine Überzahlungssituation bei der überwiegenden Zahl der Lohnsteuerzahler nicht vorliegen wird, weil sie bei den Einkünften aus Kapitalvermögen keine hohen Werbungskosten haben, hat sich der Senat nicht --wie es für eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG erforderlich gewesen wäre-- von einer Verfassungswidrigkeit des § 39a Abs. 1 Nr. 5 EStG i.d.F. des StMBG überzeugen können.
Ende der Entscheidung
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