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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: VII B 1/05
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 68
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 21. Alternative
FGO § 116 Abs. 2 a.F.
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 119 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hat die Umsätze der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) des Jahres 2001 aus der Lieferung von Abreißkalendern mit den Titeln "X" und "Y" dem Regelumsatzsteuersatz unterworfen.

Der hiergegen erhobene Einspruch und die nachfolgende Klage blieben ohne Erfolg. Der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Finanzgerichts (FG) für das Jahr 2004 für die Entscheidung von Streitigkeiten über Umsatzsteuer zuständige Senat urteilte, die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes komme nicht in Betracht, weil die fraglichen Kalender in die Pos. 4910 (Kalender aller Art, bedruckt, einschließlich Blöcke von Abreißkalendern) der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzureihen seien und daher nicht als Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen oder Blättern, aus Pos. 4901 KN i.S. der Nr. 49 Buchst. a der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angesehen werden könnten. Es handele sich bei den Druckerzeugnissen um ganz typische Abreißkalender, wie sie in vielfältigen Formen und Inhalten auf dem Markt zu finden seien und deren Charakter schon deshalb besonders stark durch den Kalenderaufdruck geprägt werde, weil die Kalenderblätter zum tagtäglichen, laufenden Abreißen bestimmt seien. Hinzu komme, dass die Texte der Kalenderblätter auf die jeweilige Jahreszeit und die zu dieser Zeit erforderlichen Gartenarbeiten oder passenden Themen abgestimmt seien, was den kalendarischen Charakter noch betone.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 21. Alternative der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (Fortbildung des Rechts) und auf Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) stützt. Sie rügt u.a., dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Zwar handele es sich bei dem Rechtsstreit vordergründig um eine umsatzsteuerrechtliche Streitigkeit, doch liege materiell eine Zolltarifsache vor. Die Entscheidung, ob die fraglichen Kalender nach dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern seien, hänge allein davon ab, in welche Position des Zolltarifs die streitbefangenen Kalender einzureihen seien. Anstelle des für Umsatzsteuerangelegenheiten zuständigen Senats sei daher der für Zollsachen zuständige Senat des FG zur Entscheidung berufen gewesen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen entweder nicht vor oder sind nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.

1. Ein Verfahrensfehler im Sinne eines Verstoßes gegen Vorschriften über die Besetzung des Gerichts (§ 119 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.

Die unrichtige Anwendung einer Vorschrift, die die Besetzung des Gerichts betrifft, führt nur dann zu einem Verfahrensfehler i.S. des § 119 Nr. 1 FGO, wenn sich der Gesetzesverstoß zugleich als Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) darstellt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Dezember 1997 VIII R 12/92, BFH/NV 1998, 721). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG greift indes nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften ein. Deshalb hat eine Besetzungsrüge nur dann Erfolg, wenn das erkennende Gericht seine Zuständigkeit aufgrund schlicht unvertretbarer, mithin sachfremder und damit willkürlicher Erwägungen angenommen hat (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. April 19971 PBvU 1/95, BVerfGE 95, 322). Von Willkür kann nur dann die Rede sein, wenn die Entscheidung sich soweit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (BVerfG-Beschluss vom 23. Juni 19812 BvR 1107/77, BVerfGE 58, 1, 45; BFH-Beschluss vom 9. November 1998 V R 67/97, BFH/NV 1999, 643).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das FG den anhängigen Rechtsstreit als eine umsatzsteuerrechtliche Streitigkeit angesehen hat, die lediglich inzident die Klärung einer zolltariflichen Vorfrage erforderlich machte. Es ist nicht willkürlich, sondern gut vertretbar, wenn das FG sich bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters an den konkret angefochtenen Bescheiden orientiert und den Rechtsstreit konsequent als umsatzsteuerliche Streitigkeit behandelt und entschieden hat, denn Streitgegenstand waren die (geänderten) Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide des FA für die Monate Oktober bis Dezember 2001 bzw. der Umsatzsteuerjahresbescheid für 2001, nachdem er ergangen und gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden war.

Soweit der BFH in der Vergangenheit hinsichtlich der Frage, ob eine Revision i.S. des § 116 Abs. 2 FGO a.F. zulassungsfrei gegeben war, Streitigkeiten um die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes, der von der Einreihung der jeweils gelieferten Waren in den Zolltarif abhängig ist, als Zolltarifsachen angesehen hat (z.B. BFH-Beschluss vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546), lässt sich daraus für die Bestimmung der Zuständigkeit eines bestimmten Spruchkörpers bei dem FG nichts ableiten. Während § 116 Abs. 2 FGO a.F. bei der Gewährung der zulassungsfreien Revision in Zolltarifsachen in erster Linie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung im Blick hatte und es dafür unerheblich war, in welchem Kontext sich die zolltarifliche Frage stellte, bezwecken Regelungen über die Geschäftsverteilung vorrangig eine einfach zu handhabende, häufig an formalen Kriterien orientierte Zuweisung der einzelnen Streitsachen an den gesetzlichen Richter. Bei der Schaffung von Spezialzuständigkeiten mag auch der Gedanke einer fachlichen Spezialisierung der einzelnen Spruchkörper eine Rolle spielen, doch bedeutet dies nicht, dass diesem Aspekt bei der Lösung von Zuständigkeitsfragen stets der Vorrang zu gewähren ist. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass nach dem insoweit maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan des FG für das Jahr 2004, den die Klägerin vorgelegt hat, dem betreffenden Senat nicht "Zolltarifsachen" zugewiesen sind, sondern "Zoll- und Verbrauchsteuerangelegenheiten ...". Es wird also eine formale Abgrenzung nach dem Streitgegenstand getroffen. Um eine "Zollangelegenheit" handelt es sich vorliegend aber offensichtlich nicht.

Anders als die Klägerin meint, war der Geschäftsverteilungsplan des FG auch nicht lückenhaft. Hiernach sind die Senate grundsätzlich für alle gerichtlichen Verfahren zuständig, die einen ihnen zugeordneten Finanzamtsbezirk betreffen, sofern keine Spezialzuständigkeit eingreift (Bezirkszuständigkeit). In die Spezialzuständigkeit eines Senats fallen demgegenüber alle gerichtlichen Verfahren, die ein ihm zugeordnetes Arbeitsgebiet betreffen. Ausdrückliche Regelungen, wie zu verfahren ist, wenn mehrere (Bezirks- oder Spezial-) Zuständigkeiten miteinander konkurrieren, enthält der Geschäftsverteilungsplan nur für den Fall der Häufung von Klagen oder Anträgen. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, dass der Geschäftsverteilungsplan lückenhaft war und es insoweit an einer Bestimmung des gesetzlichen Richters fehlte. Vielmehr geht daraus hervor, dass das Präsidium des FG bei der Beschlussfassung über die Geschäftsverteilung davon ausgegangen ist, dass sich einzelne Streitgegenstände spezifisch maximal einer der im Geschäftsverteilungsplan genannten Spezialmaterien zuordnen lassen und es daher einer entsprechenden Konkurrenzregelung nicht bedurfte. In diesem Fall muss das Gericht im Wege der Auslegung entscheiden, welcher von mehreren in Betracht kommenden Spezialmaterien der Streitgegenstand zuzuordnen ist (vgl. hierzu BVerfG-Beschluss vom 2. Oktober 19841 BvR 279/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 87; BFH-Beschluss vom 14. März 1986 VI R 11/85, BFH/NV 1986, 548). Der nach Ansicht der Klägerin hier vorliegende Fall, dass mehrere durch den Geschäftsverteilungsplan begründete Spezialzuständigkeiten miteinander konkurrieren, kann bei solch einer Konzeption der Geschäftsverteilung gar nicht auftreten.

2. Der weitere von der Beschwerde gerügte Verfahrensmangel, das FG habe den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt und den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt, indem es unterlassen habe, sich die konkret streitbefangenen Kalender ("X" und "Y" für das Jahr 2002) vorlegen zu lassen, ist nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt (zu den Darlegungserfordernissen der Sachaufklärungsrüge vgl. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 1998 VIII B 66/98, BFH/NV 1999, 798).

Im Streitfall ist es weder von Seiten der Beschwerde dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren überhaupt Beweisanträge gestellt oder in anderer Weise auf die Beiziehung der Kalender in der für die streitige Besteuerung maßgeblichen Ausgabe des Jahres 2002 gedrängt hat. Ausweislich des finanzgerichtlichen Urteils hat die Klägerin vielmehr in der mündlichen Verhandlung ein Exemplar des Abreißkalenders "X 2005" überreicht, der nach ihrem Vortrag den streitigen Abreißkalendern für das Streitjahr in Aufmachung und Inhalt gleichen soll. Das FG konnte daher davon ausgehen, einen für die Entscheidungsfindung ausreichenden Eindruck über Art und Aufmachung der streitigen Abreißkalender gewonnen zu haben und war von sich aus nicht verpflichtet, auf die Vorlage der betreffenden Kalender in der Ausgabe des Streitjahres zu drängen. Darüber hinaus hat die Beschwerde nicht dargelegt, dass und in welchen Merkmalen die Kalenderausgabe 2002 gegenüber der dem FG vorliegenden Kalenderausgabe 2005 abweicht und daher die Vorlage der Kalender für das Streitjahr zu einer anderen Entscheidung durch das FG hätte führen können.

3. Der Rechtsstreit hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, anhand welcher Kriterien zu entscheiden ist, ob das Kalendarium den Charakter der betroffenen Ware bestimmt oder nicht und demnach eine Zuordnung zur Pos. 4910 KN oder zur Pos. 4901 KN des Zolltarifs in Betracht kommt, ist einer allgemeingültigen Klärung nicht fähig. Insbesondere ist es nicht möglich, wie es die Klägerin in der Beschwerdeschrift zu konstruieren versucht, eine vorrangig auf das äußere Erscheinungsbild abstellende Betrachtungsweise einer auf den materiellen Inhalt bzw. auf die Qualität des Inhaltes zurückgehende Bestimmung des Charakters des Druckwerkes entgegenzusetzen.

Im Übrigen ist die auf das Gesamterscheinungsbild der streitbefangenen Kalender abstellende Wertung des FG, wonach es sich bei ihnen um typische Kalender und nicht um Bücher mit belehrendem Inhalt handele, nicht zu beanstanden, wenngleich es nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen näher gelegen hätte, die Zuordnung der Kalender zur Pos. 4910 KN mit der Allgemeinen Vorschrift zur Auslegung der Kombinierten Nomenklatur 3 a zu begründen, weil diese --so wie der Senat die Feststellungen des FG versteht-- die genauere Warenbezeichnung enthält.

Ende der Entscheidung

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