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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: VII B 106/03
Rechtsgebiete: FGO, AnfG, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
AnfG § 2 a.F.
AO 1977 § 5
AO 1977 § 284
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) u.a. mit Duldungsbescheid vom ... Juni 1998 wegen Steuerrückständen seiner Mutter (Vollstreckungsschuldnerin) in Höhe von ... DM auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das ihm von der Vollstreckungsschuldnerin übertragene Grundstück in Anspruch genommen worden. Einspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hielt den Duldungsbescheid für rechtmäßig. Zu den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs durch das FA gemäß § 2 des Gesetzes betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens vom 21. Juli 1879 i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (RGBl S. 709) --AnfG a.F.-- führte das FG u.a. aus, der vorliegenden Vollstreckungsakte sei zu entnehmen, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Vollstreckungsschuldnerin (ausdrücklich erwähnt wird die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 22. Juli 1997 gegenüber der Stadtsparkasse X) zu keiner Befriedigung des FA geführt habe. Das FA habe auch davon ausgehen dürfen, dass eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Vollstreckungsschuldnerin nicht zu einer angemessenen Befriedigung der Steuerschulden führe, denn nach Auswertung der Akten hätten sich keinerlei Vollstreckungsmöglichkeiten mehr ergeben. Die Vollstreckungsschuldnerin habe lediglich Renteneinkünfte bezogen; Kapital- oder Immobilienvermögen seien nicht mehr vorhanden gewesen. Die durchgeführte Kontenpfändung sei fruchtlos verlaufen mit dem Hinweis der Bank auf eigene Ansprüche. Aus der von ihrem Ehemann abgelegten eidesstattlichen Versicherung habe sich ergeben, dass die Einrichtung des gemeinsam bewohnten Hauses im Eigentum des Ehemanns gestanden habe. Bei dieser Sachlage sei nicht zwingend, überdies noch den Versuch einer Sachpfändung im Haus der Vollstreckungsschuldnerin durchzuführen, denn es habe keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass das FA auf diese Weise eine angemessene Befriedigung der Steuerschulden von ... DM hätte erreichen können.

Hiergegen richtet sich die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob es ermessensgerecht sei, einen Dritten durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ohne zuvor sämtliche Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Steuerschuldner ausgeschöpft zu haben, der erst zwei Jahre nach Erlass des Duldungsbescheids während des laufenden Klageverfahrens die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Es sei zweifelhaft, ob die Inanspruchnahme eines Dritten innerhalb der durch § 191 i.V.m. § 5 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgegebenen Ermessensgrenzen erfolge, wenn beim Vollstreckungsschuldner nicht einmal "einfache" Zwangsvollstreckungsversuche, wie Mobiliarpfändung etc., durchgeführt worden seien.

Die Beschwerde ist unzulässig, denn der Kläger hat in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage nicht in einer den Anforderungen entsprechenden Weise dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605), die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. die Hinweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Rz. 23). Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Beschwerdeschrift schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Dazu ist erforderlich, dass der Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 FGO Rz. 32).

Wird die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage geltend gemacht, die darauf abzielt, ob die Finanzbehörde das ihr in einer Rechtsvorschrift eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, muss sich der Beschwerdeführer in dem aufgezeigten Rahmen nach der Rechtsprechung des BFH jedenfalls mit den vom Gesetzgeber in der betreffenden Vorschrift festgelegten Vorgaben zur Ermessensausübung und mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH auseinander setzen (vgl. BFH-Beschluss vom 28. November 1996 VIII B 107/95, BFH/NV 1997, 578).

Hierzu enthält die Beschwerde nichts. Es wäre in Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Erwägungen des FG darzulegen gewesen, weshalb unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Inanspruchnahme des Klägers als Duldungsschuldner die vom Gericht allein überprüfbaren (vgl. § 102 FGO) gesetzlichen Grenzen des Ermessens der Verwaltungsbehörde überschreiten sollte oder sonst von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung (§ 191 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. der die Anfechtungsberechtigung regelnden Vorschrift des § 2 AnfG a.F.) nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden sein sollte. Ferner hätte die über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage für die Allgemeinheit und die Fortentwicklung des Rechts erörtert werden müssen.

Insbesondere mit den Voraussetzungen der Anfechtungsberechtigung nach § 2 AnfG a.F. und zu der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des BFH (vgl. das Senatsurteil vom 9. Februar 1988 VII R 62/86, BFH/NV 1988, 752) hat sich der Kläger nicht auseinander gesetzt. Hätte er dies getan, so hätte er festgestellt, dass bereits die Annahme, dass die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Vollstreckungsschuldnerin zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht führen, also fruchtlos verlaufen würde, als verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs (hier durch Duldungsbescheid) ausreicht. Das FG hat zahlreiche Beweisanzeichen für die Unzulänglichkeit des Vermögens der Vollstreckungsschuldnerin in diesem Sinne angeführt (erfolglose Kontenpfändung, nach Aktenlage seien nur Renteneinkünfte, nicht aber auch Einkünfte aus Kapital- oder Immobilienvermögen vorhanden gewesen, an den Einrichtungsgegenständen der ehelichen Wohnung hatte die Vollstreckungsschuldnerin nicht einmal das Miteigentum). Diese Gesamtumstände, die vom Kläger nicht bestritten worden waren, konnte das FG nach seiner freien Überzeugung als Beweis der wahrscheinlichen Aussichtslosigkeit einer (weiteren) Zwangsvollstreckungsmaßnahme (z.B. einer vom Kläger als fehlend beanstandeten Mobiliarpfändung) werten (vgl. Kilger/Huber, Anfechtungsgesetz, 8. Aufl. 1995, § 2 Anm. 4). Nicht erforderlich für die Inanspruchnahme des Klägers durch Duldungsbescheid war jedenfalls, anders als der Kläger wohl annimmt, eine vorgängige Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 AO 1977 seitens der Vollstreckungsschuldnerin (Kilger/Huber, a.a.O., § 2 Anm. 3, m.w.N.).

Die erfolgte Abgabe der eidesstattlichen Versicherung enthebt den Gläubiger allerdings eines weiteren Beweises bezüglich der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung. In dieser Hinsicht könnte sich im Streitfall sogar die Frage stellen, ob das FG die nach dem Ergehen der Einspruchsentscheidung, aber vor der letzten mündlichen Verhandlung beim FG, von der Vollstreckungsschuldnerin abgegebene eidesstattliche Versicherung im Klageverfahren noch zu Lasten des Klägers hätte berücksichtigen müssen (vgl. BFH in BFH/NV 1988, 752, wo der BFH allerdings den Zeitpunkt, zu dem die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen müssen, offen gelassen hat). Diese Frage bedarf aber vorliegend keiner Entscheidung, da die Nichtzulassungsbeschwerde bereits aus den genannten Gründen unzulässig ist.

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